OÖ Heimatblätter 2010 Heft 3/4

233 chen Geborgenheit – die Vertreibung aus dem Kindheitsparadies – wirkt traumatisch weiter, wie Haushofers Internatsroman „Eine Handvoll Leben“ (1955) ausführlich dokumentiert. Ich schließe mit einem Zitat aus Adalbert Stifters Erzählung „Der Waldgänger“ (1847), mit dem der Dichter Stifter seine bevorzugten Literatur-, Kunst- und Lebenslandschaften beleuchtet: „Wenn von unserem wunderschönen Lande ob der Enns die Rede ist und man die Herrlichkeiten preist, in welche es gleichsam wie ein Juwel gefaßt ist, so hat man gewöhnlich jene Gebirgslandschaften vor Augen, in denen der Fels luftblau emporstrebt, die grünen Wässer rauschen und der Blick der Seen liegt: wer sie einmal gekannt und geliebt hat, der denkt mit Freuden an sie zurück und ihr heiteres Bild mit dem duftigen Dämmern und dem funkelnden Glänzen steht in der Heiterkeit seiner Seele – aber es gibt auch andere, unbedeutendere, gleichsam schwermütig schöne Teile, die abgelegen sind, die den Besucher nicht rufen, ihn selten sehen und, wenn er kömmt, ihm gerne weisen, was im Umkreise ihrer Besitzungen liegt: wer sie einmal gekannt und geliebt hat, der denkt mit süßer Trauer an sie zurück wie an ein bescheidenes liebes Weib, das ihm gestorben ist, das nie gefordert, nie geheischt und ihm alles gegeben hat.“ ANHANG Feldweg I: Aus: Franz Rieger: „Feldwege“ (1976) „Der Fahrweg über die Hochfläche hat die Breite eines Wagens oder die eines Traktors und besteht aus zwei parallel laufenden Fahrspuren, von deLusthaus ist ganz mit wildem Wein bewachsen. Selbst im Sommer, wenn die Sonnenglut das Gras vor dem Haus rot verbrannt hat, bleibt es im Lusthaus dämmrig und kühl. Es gibt da nichts als rohe Bänke, einen Tisch und Vaters altes Sofa. Früher einmal war das Sofa in der Kanzlei, aber Mama hat das riesige alte Ungetüm aus dem Haus schaffen lassen. Vater hat deshalb gegrollt und hat das Sofa im Lusthaus einquartiert.“ Dort führen die beiden im vertraulichen Tête à tête ihre einzig für sie bestimmten Gespräche. Meta hat es sehr gern, wenn ihr Vater vom Krieg (1. Weltkrieg) und seinem Einsatz in Russland erzählt. – Das Bild des Vaters als mannhafter Held? Eine freudianische ödipale Wunschvorstellung der kleinen Tochter? Ein Locus terribilis: „Hinter dem Haus ist ein böser Ort. Dort, wo fast immer Schatten liegt, wächst das Gras fett und dunkelgrün. Das kommt vom vielen Blut. Im Herbst und im Frühling wird an dieser Stelle das Schwein geschlachtet. Ein hagerer, grobknochiger Bauer besorgt das. Meta hält nicht viel von ihm, denn das Schwein schreit immer sehr lange. Die Kinder dürfen nicht zuschauen, aber es gibt keinen Platz im Haus, wo man das erbärmliche Geschrei nicht hören müßte.“ In der Folge reflektiert das Mädchen über die unfassbare Grausamkeit … und ist zutiefst entsetzt … ja Meta zweifelt an der Ordnung in der Welt der erwachsenen Menschen. Der erste große Bruch im Leben der Meta ist das Verlassenmüssen des Elternhauses, als sie nach der Volksschulzeit ins Gymnasium und Internat im fernen, fremden Linz eintritt. Der schmerzliche Verlust der heimatli-

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