230 ist. Franz Rieger lebte im Bauerndorf Oftering und arbeitete ab den 1950er Jahren als Bibliothekar in Linz. Wir sehen hier ab von seinen autobiographisch grundierten Schilderungen von Kriegs- und Gefangenschafterlebnissen und von seinen übrigen Landromanen und widmen uns seinen Erzählungen vom Bauernmilieu: Der Roman „Feldwege“ (1976) handelt von einem isoliert auf seinem Hof lebenden Bauern, dessen geisteskranke Frau seit ihrer Flucht aus der Heilanstalt abgängig ist. Der Bauer erwartet seit geraumer Zeit den amtlichen Bescheid ihrer Entmündigung. Diese bange Zeitspanne umfasst die „erzählte Zeit“ des Romans. Einer der Hauptblickpunkte in unserem Zusammenhang ist Riegers besondere Art der Landschafts-„Beschreibung“. Riegers Nähe zu Stifter ist immer hervorgehoben worden, aber, wie man bei genauerem Betrachten sehen kann, ist diese Festlegung zu undifferenziert. Wie deutlich die Differenz schon im Beschreibungsverfahren sein kann, möge eine Passage aus diesem frühen Roman belegen: Hier ein Panoramablick auf eine Landschaft: „Die Hochfläche ist ein Feld, ein Viereck, so angelegt, daß die vier Seiten nicht geradlinig, aber zügig verlaufen und eine Seite auf die andere in einem spitzen oder stumpfen Winkel trifft, die Feldoberfläche, frisch umgeackert oder unterm Schnee, wie jetzt, als Ganzes sich gleichsam an die Bodenverhältnisse schmiegt, wie darüber gebreitet; von der einen Seite aus ist die andere, gegenüberliegende, nicht zu sehen, die die Wölbung verbirgt, deren Scheitellinie den Horizont bildet. Vom höchsten Männer kommen aber um, so dass das tragische Finale total ist. Diese Geschichte vom Überlebenskampf eines geschlagenen und gedemütigten Volkes erzählt Ransmayr in ihrer reinen Faktizität, in der ihm eigenen gewaltigen Sprache. Diese Welt erscheint als in sich hermetisch abgeschlossener Bezirk, der Erzähler berichtet indifferent, d. h. ohne direkt oder indirekt zu werten. So werden Schrecknisse und Grausamkeiten mit derselben Gelassenheit berichtet wie neutrale Einzelheiten, ja insgeheim wird Vernichtendem sogar eine gewisse dramatische Größe zuteil, wie die vorher zitierte Stelle von der Moorer Bombennacht, bei der das Schiff „Schlafende Griechin“ spektakulär unterging, zeigt. Das Monströse scheint als quasi-ästhetisches Geschehen. – Das hat den Kritiker Ulrich Greiner zu einem paradox anmutenden Urteil verleitet, wenn er über „Morbus Kitahara“ schreibt: „Christoph Ransmayr ist eine rare Kreuzung aus Adalbert Stifter und Ernst Jünger. Von Stifter hat er die Realitätsferne und den Sinn für die mimetische Darstellung der Natur, von Jünger den mannhaft chirurgischen Blick und die Faszination des Ungeheuerlichen“. (Die Zeit, 13. 10. 1995). Dunkle ,Dorf- und Schlossgeschichten‘: Franz Rieger Wir verlassen die Traunsee-Landschaft und wenden uns den Landszenen Franz Riegers zu – ihnen eignet eine besondere Typik – nämlich ein Realismus, der von einer sehr authentischen Erfahrung der Lebenswelt und Arbeitswelt in der oberösterreichischen Provinz – im Bauernland südlich der Donau – geprägt
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