222 Linz und Graz, ein Hörspiel mit dem Titel „Der Todeswagen“ angesetzt. Die Übertragung des „AnschlussGeschehens“ durch die deutschen Sender war angesichts der dabei aufgetretenen, immensen Schwierigkeiten ein technisch-logistisches Bravourstück. Bedingt durch die dürftige bzw. fehlende Kooperation mit der RAVAG standen Übertragungskabel de facto nirgends zur Verfügung. Sämtliche Ereignisse, auch die Ansprache Hitlers aus Linz, wurden praktisch „aus der Luft“ aufgenommen, auf Schallplatte überspielt und unmittelbar hinterher, mit wenigen Minuten Verspätung, von den einzelnen Rundfunkstationen gesendet. Inwieweit Meldungen über Störungen durch einige ausländische Sender, insbesondere sowjetische, den Tatsachen entsprechen, muss dahingestellt bleiben.34 Jedenfalls entfachten die Vorgänge des 12. März 1938 einen für die damalige Zeit auch international einzigartigen Medienrummel; die amerikanische CBS (Columbia Broadcasting System) brachte laufend Sondermeldungen, Max Jordan gelang es durch Zufall sogar, sich in die Übertragung der deutschen Reichsrundfunkgesellschaft einzuschalten, der frenetische Jubel sowie Auszüge der Hitlerrede waren über NBC auch in New York zu hören.35 Die restlose Integration der RAVAG in das „neue System“ erfolgte umgehend. Das Exekutivkomitee wurde schon mit 13. März offiziell abberufen, der RundRundfunkreportage am 12. März 1938 auf den Schultern Zieblands gelegen. Stundenlang stand er mit demMikrofon am Balkon des Linzer Rathauses. Neben ihm nationalsozialistische Parteigrößen und eine Reihe ausländischer Reporter wie der New Yorker Direktor der NBC (National Broadcasting System) Max Jordan und der Sonderkorrespondent der britischen Daily Mail, Ward Price. Etwas später, gegen 17 Uhr, gesellten sich von Wien kommend der neue Bundeskanzler Seyß-Inquart, der Reichsführer SS Heinrich Himmler sowie weitere Regierungsmitglieder und Parteifunktionäre hinzu.32 Das Eintreffen Hitlers verzögerte sich immer mehr. Während sich nach und nach alle Reichs-Sender zuschalteten, unterhielt Ziebland die wartende Menge unentwegt mit Meldungen, Parolen und Interviews. Stürmisch wurde die Nachricht begrüßt, dass die Führer der Vaterländischen Front über Nacht „in Urlaub“ gegangen seien. Nicht weniger bejubelt wurden die Ansprachen der nationalsozialistischen Prominenz einschließlich jener von Ward Price, der seiner Freude Ausdruck gab, bei „diesem Ereignis“ dabei sein zu dürfen, und den „Deutschösterreichern in dieser historischen Stunde“ die herzlichsten Glückwünsche entbot. Schließlich hatte das Warten ein Ende. Enthusiastisch und unter brandenden „Heil“-Rufen kommentierte Ziebland, als Hitlers Auto gegen 19.30 Uhr auf den Linzer Hauptplatz einfuhr.33 Ein in diesem Zusammenhang beklemmend wirkender, sogenannter Zufall soll nicht unerwähnt bleiben: Im ursprünglichen Programm des österreichischen Rundfunks war für den 13. März, als Eigenproduktion der Sender 32 Venus: Bis zum Ende gespielt, 118 Wagner/Tomkowitz, 287–289. 33 Wagner/Tomkowitz, Ein Volk, 294. 34 Tagespost, 16. 3. 1938, Abendblatt, 3. 35 Siegfried Beer: Der Anschluß als internationales Medienereignis. In: Zeitgeschichte, 1988, 3, 224– 258.
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