221 schen Einrichtungen den neuen Anforderungen keineswegs angepaßt. Deshalb wurden gleichzeitig mit den deutschen Truppen, ja noch vor ihnen mit größter Schnelligkeit Techniker und Sprecher des deutschen Rundfunks nach Österreich geworfen, um überhaupt die Übertragung von der größten Befreiungstat auf dem Boden Deutschlands und der Welt zu ermöglichen. … Ein Meisterstück war auch der Einsatz der Sprecher. Sie gehörten zum Teil zum Personal der deutschen Sender, zum größten Teil waren es freiwillige Helfer aus Österreich, die sich ihre Sporen verdienten.“30 Ein solcher „Freiwilliger“, der sich seine Sporen verdiente, hatte als SSObersturmführer das Kommando über den Linzer Sender übernommen: der ehemalige Schiffskapitän Herbert Ziebland, ein alter Illegaler, der im Juli 1934, nach der Rundfunkmeldung vom Rücktritt der Regierung bzw. von der Ermordung Dolllfuß’, mit einem Freudenschrei auf die Straße gestürzt war. Ziebland besaß in Linz ein Musikalien- und Rundfunkgeschäft, war mit der technischen Seite des Metiers von seiner Marinezeit sowie von seinem Beruf her vertraut, verfügte jedoch über keinerlei journalistische Erfahrung. In der NS-Zeit bekleidete er den Posten des Gauhauptstellenleiters für Rundfunk und Technik beim Gaupropaganda-Amt in Linz.31 Nach der Weigerung Klimesch’ (s. o.) war die Verantwortung für die burger Polizeipräsidenten und früheren oberösterreichischen NSDAP-Gauleiter Andreas Bolek als ortskundigen Begleiter im Beiwagen, raste Hadamovsky per Motorrad nach Linz voraus.28 In der Linzer Sendestation herrschte ob der Ankündigung des nachmittäglichen Eintreffens Hitlers ein hektisches Durcheinander. Die Turbulenz und vor allem die Dramatik jener Stunden bekamStationschef Dipl.-Ing. Klimesch am hautnahsten zu spüren: „Ein SS-Mann mit entsicherter Pistole trat auf mich zu mit den Worten: ‚Sie bekommen eine letzte Chance; wenn Sie Ja sagen, können Sie bleiben‘“. Klimesch sollte, ähnlich wie er es beim Besuch Schuschniggs in Linz getan hatte, die Reportage über Hitlers Ankunft gestalten. Ohne Zögern weigerte er sich. Mangels personeller Alternativen wurde er noch mit der technischen Leitung der Übertragung beauftragt, vom inzwischen eingelangten Hadamovsky in dieser Funktion auch bestätigt, jedoch am nächsten Morgen beurlaubt und später nach § 4 („politische Gründe“) der Verordnung über die Neuordnung des Berufsbeamtentums, welche auch für die RAVAG-Angestellten Geltung hatte, aus demDienst entlassen. Von wohlmeinender nationaler Seite wurde Klimesch dringend angeraten, im Dunstkreis der Wehrmacht „unterzutauchen“, was ihm in Wien bei der Luftwaffe, die fieberhaft Techniker suchte, auch gelang. Nach dem Krieg war der couragierte NSGegner August Klimesch u. a. stellvertretender Generaldirektor der OKA und Bürgermeister von Gmunden.29 Aus merklich abgesetztem Blickwinkel urteilte die „Linzer Tagespost“ nach der „Wende“ über die RAVAG: „Sie war in ihrer geistigen Haltung und in ihren techni28 Wagner/Tomkowitz: Ein Volk, 184 f. 29 Venus: Bis zum Ende gespielt, 118 f., 129–132. Rudolf Henz: Das Ende der RAVAG. Ein Erlebnisbericht über die Märztage 1938. In: Wien 1938. (Forschungen und Beiträge zur Wiener Stadtgeschichte Bd. 2) Wien 1978. 283. Klimesch gegenüber demAutor imNovember 1999. 30 Tagespost, 16. 3. 1938, Abendblatt, 3. 31 OÖLA, Materialien zu NS-Biographien, Schachtel 5, Herbert Ziebland.
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