219 triebs. Das Programm der nächsten zwei Stunden (nach den Reden Schuschniggs und Seyß-Inquarts) bestand vorwiegend aus klassischer Schallplattenmusik. Erst, nachdem im Wiener Funkhaus eine der SS unterstellte Turnerabteilung eingetroffen war, erfolgte eine Umstellung; einige der Turner hatten private Schallplatten mit „Deutschen Märschen“ und „Liedern der Bewegung“ mitgebracht. Nach 22 Uhr erklang erstmals das HorstWessel-Lied, gefolgt vom Badenweiler Marsch. Stimmungsberichte, Ansprachen und Verlautbarungen von NSParteigrößen wechselten ab, ehe der Wiener Sender am 12. März gegen halb 3 Uhr früh mit dem Horst-Wessel-Lied, anstatt, wie seit 1933 üblich, mit der Bundeshymne, sein Programm beendete.25 Die Sicherung des Linzer Senders hatte ein Schutzkorpstrupp übernommen, der abends ins Stadtzentrum verlegt wurde, denn ab 20 Uhr formierte sich auf der Landstraße der große Aufmarsch der Nationalsozialisten. SSEinheiten besetzten danach auch die Rundfunkstation auf dem Freinberg. Sendeleiter Klimesch musste seinen Dienst, unter Aufsicht, weiterversehen, die „Anschlussbotschaft“ wurde mittels Lautsprechern, unter vieltausendfachem Jubel, auf die öffentlichen Plätze übertragen. In seiner gegen 2 Uhr früh gesamtösterreichisch gesendeten, im Programmänderungen vorgesehen. So waren auf den jeweiligen Sendern für 18.50 Uhr Reden der Landeshauptleute und führender Funktionäre der Vaterländischen Front geplant, die Manuskripte (und zum Teil Schallplattenaufzeichnungen davon) lagen bereits vor, die Parolen zur Volksabstimmung wurden in kurzen Abständen wiederholt, dazwischen gab es Berichte über die sich stündlich zuspitzende politische Lage, namentlich das deutsche Ultimatum zur Verschiebung der Wahl und die Mobilmachung der Wehrmacht. Ab etwa 10 Uhr wurde via RAVAG die Einberufung von Reservisten zum Bundesheer verlautbart. Heer, Polizei und Schutzkorps marschierten zum Schutz der Sendeanlagen auf, um den geregelten Ablauf der Abstimmung zu gewährleisten.24 Gegen 15Uhrwurde diemediale Propaganda plötzlich eingestellt, um 18.50 Uhr bekamen die Österreicher, anstatt der Ansprachen der Landeshauptleute, die Absage des Volksvotums mitgeteilt. Um 19.47 Uhr dann Schuschniggs berühmt gewordene, dreiminütige Rede, die mit dem prophetischen „Gott schütze Österreich!“ endete. Wie im Zeitraffer lief nun der Prozess des Machtwechsels ab. Etwa eine halbe Stunde später folgte die Rundfunkansprache des zwar designierten, vom Bundespräsidenten aber noch nicht anerkannten, Bundeskanzlers Arthur Seyß-Inquart, der zu „Ruhe und Ordnung“ aufrief und an die Formationen der NSDAP entsprechende Appelle richtete. Die Rede wurde kurzfristig mehrmals wiederholt. Noch am selben Abend übernahmen in Wien Nationalsozialisten unter den RAVAG-Mitarbeitern die Leitung und Aufrechterhaltung des Sendebe24 Theodor Venus: Von der RAVAG zum Reichssender Wien. In: Emmerich Tálos (Hg): NSHerrschaft in Österreich, Wien 2000, 600–602. Theodor Venus: Bis zum Ende gespielt – Zur Geschichte des ReichssendersWien imDritten Reich. In: Oliver Rathkolb; Wolfgang Duchkowitsch, Fritz Hausjell (Hg.): Die veruntreute Wahrheit, Salzburg 1988, 111. 25 Venus: Bis zum Ende gespielt,112–117.
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