211 England Bereitschaft bekundeten, in Berlin und beim Völkerbundrat zugunsten Österreichs zu intervenieren, wurde Habicht „Mäßigung“ auferlegt, die allerdings von sehr geringer Dauer war. Immerhin zielten die Rundfunksendungen nun nicht mehr unmittelbar auf einen Umsturz ab und wurden von deutscher Seite als „Information für reichsdeutsche Hörer“ etikettiert. Anläufe Österreichs, mit eigenen Sendungen entgegenzuwirken, wurden von den Nationalsozialisten auf das Schärfste kritisiert und propagandistisch zur Ablenkung ausgeschlachtet.6 Über 130 Hetzreden hielt Habicht, und erst mit seiner Absetzung nach dem Juliputsch endete dieser DeutschÖsterreichische „Rundfunkkrieg“. Der von Hitler inzwischen mit Blick auf einen „friedlichen Anschluss“ angeordnete Kurswechsel entspannte das bilaterale Verhältnis zwar, führte aber nicht zur Einstellung der NS-Agitation gegen das Nachbarland. Um die hiesige Bevölkerung besser erreichen zu können, empfahl die Reichssendeleitung der deutschen Reichsrundfunkgesellschaft (RRG) Ende 1934 wieder den Ausbau des politischen Nachrichtendienstes jeweils zur Morgenstunde. „Die deutschen Sender“, hieß es dazu in einer Stellungnahme des Bundespressedienst-Leiters Walter Adam vom Frühjahr 1936, „liefern in ihrem Nachrichtendienst systematisch die Stichworte für die nationalsozialistische Propaganda in Österreich“. Auch im kulturellen Österreich begeben –, dem gescheiterten Versuch der NSDAP, für ihren Landesinspekteur in Österreich Theo Habicht an der deutschen Gesandtschaft in Wien eine Akkreditierung als Presseattaché zu erhalten, sowie schließlich nach dem Verbot der österreichischen NSDAP am 19. Juni 1933 setzte die Propaganda über die süddeutschen Sender mit voller Wucht ein. „Vor Ort“ jeglicher legaler politischer und publizistischer Agitationsmittel beraubt, nahm der abgeschobene NS-Landesinspekteur die Rundfunkpropaganda in die Hand, um die Verbindung mit den Parteigängern vom „Reich“ aus aufrechtzuerhalten. Am 5. Juli warf Habicht in einer Rede im Münchner Funkhaus Bundeskanzler Dollfuß Hochverrat vor und forderte die Bevölkerung offen zur Rebellion gegen die eigene Regierung auf. Diese Sendung war der Auftakt einer regelmäßigen Tiraden-Reihe, in der künftig jeden Montag und Donnerstag von den Reichssendern München, Breslau, Leipzig und Stuttgart Hetzreden ausgestrahlt wurden; trommelnde Appelle prominenter Nationalsozialisten sollten die Österreicher wider ihre Staatsführung aufstacheln, dazu gab es Anweisungen zur Organisation der Auflehnung. Mit Flugzetteln wurde zum Abhören der Sendungen aufgerufen. Flankierende Bestrebungen der deutschen Gesandtschaft, über die Sicherheitsbehörden Auskunft zum organisierten Zusammenschluss von Rundfunkhörern in Österreich zu erlangen, wies Wien zurück.5 Die Bundesregierung legte – fruchtlos – Beschwerde beim Auswärtigen Amt in Berlin ein, die RAVAG protestierte beim Weltrundfunkverein. Nachdem Italien, Frankreich und vor allem 5 Rot-Weiß-Rot-Buch. Darstellungen, Dokumente undNachweise zur Vorgeschichte undGeschichte der Okkupation Österreichs (Nach amtlichen Quellen), Wien 1946, 10. 6 Ansgar Diller: Rundfunkpolitik im Dritten Reich, München 1980 (Rundfunk in Deutschland Bd. 2); Glaser, 37.
RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2