OÖ. Heimatblätter 1999, 53. Jahrgang, Heft 3/4

das die Archäologie meist mit Mautern an der Donau (NÖ.) identifiziert, ein unter geordnetes Bistum von Lorch? Da die „Vita" nicht sagt, wo Mamertinus hätte Bischof werden sollen (dies hätte auch anderswo als in Favianis sein können), führt dieses Argument leider zu keinem sicheren Ergebnis. Immerhin ist mit Constantius Lorch als ein antiker Bischofssitz nachgewie sen. Und da der Ort seit 212 den Stadtrang besaß, ist wohl anzunehmen, daß es hier auch schon vor Constantius Bischöfe gegeben hat. Aufgrund dieses Befundes war man sich im Mittelalter der kirchlichen Bedeutung von Lorch durchaus bewußt, ja hat diese noch zusätzlich legendenhaft zu überhöhen versucht. Bischof Pilgrim von Passau (971-991) vollbrachte nach den Ungarnstürmen ein bedeutendes Aufbauwerk und erwarb sich große Verdienste um die Bekehrung der Ungarn. Als 976/77 im Reich ein Bürgerkrieg tobte, scheint sich Pilgrim sogar nach Lorch zurückgezogen zu haben. Hier mögen seine kühnen Pläne gereift sein, für Passau die Kontinuität mit der antiken Diözese Lauriacum in Anspruch zu neh men; Diese habe bereits den Rang eines Erzbistums innegehabt, der später auf Pas sau übergegangen sei. Wenn der hl. Bonifazius bei der kirchlichen Durchorganisa tion Bayerns (739) für Passau einen Bischof namens Vivilo in seinem Amt bestätigte, so habe es sich bei diesem zugleich um den letzten Bischof von Lorch gehandelt. Aufgrund dieser Zusammenhänge aber gebühre ihm, Pilgrim, die erzbischöfliche Würde, die er gegenüber Salzburg, das 798 zum Erzbistum erhoben worden war, unbedingt durchsetzen wollte. Da Pilgrim für seine Überlegungen keine durchschlägigen Beweise erbrin gen konnte, griff er zum Mittel der „Fälschung". Er erstellte, anscheinend eigenhän dig, zwei Königs- und fünf Papsturkunden, aus denen nicht nur der erzbischöfliche Rang Lorchs, sondern auch dessen Übertragung nach Passau hervorgehen sollte. Pilgrim scheiterte zwar mit seinen Plänen, seine Konstruktion, die er als Rekonstruk tion empfunden haben mag, beflügelte aber weiterhin die Geschichte. Nebenbei gesagt, galt es im Mittelalter nicht als ehrenrührig, sich für richtig gehaltene Sachverhalte mangelnde „Belege" selber anzufertigen oder sie sich anfertigen zu lassen. Pilgrim aber hielt sich durchaus für berechtigt, sowohl die Kontinuität des in seiner Diözese gelegenen antiken Bischofssitzes Lorch als auch die Metropolitanrechte über das von Passau aus missionierte Ungarn zu beanspruchen. Im späteren Verlauf der Geschichte schien dann die Phantasie keine Grenzen mehr zu kennen. So trug, um nur das bekannteste Beispiel zu nennen, der Passauer Domdekan Albert Behaim, der auch Archidiakon von Lorch war und daher ein per sönliches Interesse an der Sache hatte, um die Mitte des 13. Jahrhunderts nachhaltig dazu bei, daß man schließlich behauptete, dem römischen Bistum Lorch seien ehe dem 22 Suffraganbistümer untergeordnet gewesen. Da man damals die Pilgrimfälschungen für echt hielt, konnte man diese kühnen Konstruktionen auf ihnen auf bauen. Auch die „Vita Maximiliani" (vor 1291), die aus dem heiligen „Gonfessor" (Bekenner) einen Lorcher Bischof und Märtyrer gemacht hatte, trug durch ihre starke Verbreitung wesentlich dazu bei, die Lorcher Fabel im Bewußtsein der Pas sauer Diözesanen zu verankern.

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