OÖ. Heimatblätter 1999, 53. Jahrgang, Heft 3/4

Buchbesprechungen Helmut Wagner: Der NS-Kirchenkampf in den Pfarren. Linz: Edition Kirchen - Zeit - Geschichte, 1998. S 3 70,-. ISBN 3-9500891-0-1 Selbst mehr als 50 Jahre nach dem Ende des „III. Reiches" erscheint es immer noch schwierig, mit den Ereignissen der Jahre 1938 bis 1945 umzu gehen, wenngleich schon beachtliche Anstren gungen, diesen der Verschleierung und Verdrän gung unterliegenden Themenkreis zu untersu chen, unternommen worden sind. Solche Bemü hungen sind auch im Bereich der katholischen Kirche zu registrieren, nämlich ernsthafte Versu che, die Betroffenheit und die Verstrickung mit den politischen Ereignissen objektiv darzustellen. Während frühere Arbeiten einen eher klerusorien tierten Charakter aufweisen, verfolgt der Autor in seiner dem Buch zugrunde liegenden Dissertati onsschrift die Absicht, das pfarrliche Alltagsleben ins Auge zu fassen, wenn auch auf Teile des Mühl viertels eingeschränkt. Zwecks Erstellung dieser Dissertationsarbeit hat er in mühseliger Arbeit viele Quellen, eine umfangreiche Literatur und eine große Zahl persönlicher Auskünfte wissen schaftlich ausgewertet und das Ergebnis in ge straffter Form sodann zu einem beeindruckenden Zeitdokument geformt. Die vom Autor angestellten Untersuchungen haben bisherige Forschungsergebnisse dahinge hend bestätigt, daß Seelsorge und Pfarrleben in der fraglichen Zeit einschneidenden Einschrän kungen unterworfen waren, ja sogar drastischer als bisher angenommen. Auch in entlegeneren Re gionen gab es Pfarren, in denen ein besondere Ge hässigkeit gegen Religion und Kirche festzustellen war, wie überhaupt die Unberechenbarkeit örtli cher Parteifunktionäre einen maßgeblichen Faktor bildete. Neben couragiert auftretenden Priestern, die unbehelligt blieben, gab es eher vorsichtige, die wegen einer einzelnen, böswillig ausgelegten Bemerkung Verfolgungshandlungen bis zum KZ ausgesetzt waren. Die Einstellung der Priester zum Nationalsozialismus reichte vom unbeirrbar gläubigen Seelsorger über großdeutsche Vorstel lungen bis zu (vereinzelter) Begeisterung für das neue Regime. Die 1938 beginnende Verfolgung er streckte sich nicht nur auf den Pfarrklerus, der in der NS-Zeit ein gewaltiges Arbeitspensum, be dingt durch verschiedene feindselige Maßnah men, zu leisten hatte, sondern auch auf Haushälte rinnen, Mesner, Organisten und andere kirchlich Beauftragte. Die katholische Bevölkerung, anfangs zum Nationalsozialismus überwiegend positiv einge stellt, fühlte sich im Laufe des NS-Kirchenkampfes immer mehr in ihrer Religionsausübung be hindert. Religiöse Feste wurden abgeschafft oder auf den Sonntag verlegt, katholische Vereine auf gelöst und kirchliche Erziehungseinrichtungen ge schlossen. Die Bevölkerung bewies anläßlich der Einführung des Kirchenbeitrages die Treue zu ih rer religiösen Einstellung; Kirchenaustritte und Fernbleiben vom Religionsunterricht fanden eher nur im marginalen Bereich statt - andererseits be suchten Kinder von Parteifunktionären den aus nahmslos nur von Geistlichen gehaltenen Religi onsunterricht, und nicht wenige Parteigenossen, vor allem Bürgermeister, kamen ihren religiösen Pflichten nach. Die Kampfmaßnahmen des Natio nalsozialismus vermochten die religiöse Einstel lung der ländlichen Bevölkerung nicht ins Wan ken zu bringen. Die Rolle der Kirchenleitung in dieser schwierigen Zeit befindet der Autor als zwiespältig. Einerseits schuf sie in Verhandlungen mit der Gauleitung einen Rahmen, über den örtli che Willkür nicht so leicht hinausgehen konnte, andererseits ging sie mit größter Vorsicht und weitgehender Anpassung vor; sogar der vorerst unerschrockene Bischof Gföllner gab Verlangen nach Versetzung von Geistlichen widerstandslos nach. Nie erfolgte eine Ermunterung widerstands bereiter Priester. Nach dem Ende des „III. Reiches" erwarben sich die Pfarren im herrschenden Chaos als einzige funktionierende Institutionen große Verdienste. Wenig bekannt dürfte die vorsorgliche Einrichtung einer Bischöflichen Delegatur für das Mühlviertel mit dem Sitz in Urfahr sein (noch vor der Errichtung der Zivilverwaltung Mühlviertel), gedacht als Sicherung der kirchlichen Verwaltung in dem durch die Demarkationslinie abgetrennten Landesteil. Im Zuge der Aufarbeitung der NS-Ara in den Pfarren und in der Diözesanleitung wird aufgezeigt, daß die Kirche und ihre Angehörigen nicht nur Opfer waren -, die Frage nach der ge wollten oder ungewollten Verbindung mit dem so konträren System bleibt allerdings weiteren Un tersuchungen vorbehalten. Es werden aber neben den Einzelschicksalen verfolgter Priester auch Le bensläufe von Geistlichen, die dem NS-Regime zugeneigt waren, dargestellt. Ein eher unbekann-

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