OÖ. Heimatblätter 1999, 53. Jahrgang, Heft 3/4

auch in Gruppen durch das Land, plündernd und stehlend, bestenfalls bettelnd, und verbreiteten Ungeziefer und ansteckende Krankheiten überall, wo sie durchkamen. Osterreichische Deserteure wurden, wenn sie den Franzosen in die fiände fielen, wie Kriegsgefangene behandelt und mit diesen in Lager abtransportiert. Französische Deserteure werden als Patienten erstmals 1800 und dann 1805 erwähnt, wobei es sich immer um Einzelpersonen handelt. Ende April 1809 werden im Spital der Barm herzigen Brüder drei entlaufene französische Soldaten eingeliefert, die aber am 29. April 1809 wieder entlassen werden (die Schlacht bei Ebelsberg war am 3. Mai, und die Soldaten wurden wahrscheinlich entlassen, um den Franzosen nicht in die Hände zu fallen!). 1810 werden im Mai drei französische Deserteure aufgenommen, die alle an fieberhaften Erkrankungen mit Gelenksbeschwerden litten und relativ lange im Spital geblieben sind. Am 24. Juli 1813 erscheint der erste einer größeren Anzahl von Fahnenflüch tigen. Er leidet an rheumatischem Fieber und stammt aus einem Dorf bei Görz. Ihm folgen in den Monaten August und September vereinzelt Angehörige bayrischer Regimenter, schon ab Mitte August aber tauchen immer mehr französische Deser teure auf, die alle aus Italien stammen. Benedikt Pillwein meldet, daß sich in diesem Jahr viel herumstreichendes Gesindel und allerhand schlechtes Volk in Linz und Umgebung aufgehalten haben. Die ersten, die ins Spital eingeliefert werden, sind im Friaul und in Istrien daheim, aber bald folgen Venezianer, Leute aus der Poebene und weiter südlich bis Rom, und einer ist gar aus Neapel. Bis Ende des Jahres sind es 53. Unter den ersten sind auch zwei Franzosen aus dem Zentralplateau und ein „Captain von Lille", alle übrigen sind ausnahmslos Italiener. Eingeliefert werden sie mit den typischen Krankheiten des Elends und der Verwahrlosung. Zunächst sind da Lungenerkrankungen wie Phthisis (Tuberkulose), Bronchitis und Pneumonie, einzelne schwärende Wunden, Geschwüre an Beinen und Füßen, und immer wieder scheint „Febris nervöse" (Typhus) auf, gelegentlich rheumatisches Fieber und Gelenksschmerzen. Auch Skabies (Krätze) findet sich immer wieder. Die Allerärmsten sind wohl jene drei Soldaten, die unter der Diagnose Debilitas universalis eingeliefert werden, von denen einer stirbt: Unter Debilitas universalis haben wir eine Sinnes Verwirrung, einen Wahnzustand oder einen Erregungszustand zu verstehen, für die es damals außer Opium nur Gewaltmaßnahmen wie Einschnürung in Zwangsjacken und kalte Duschen als Behandlung gab. Ganz am Ende der langen Liste steht ein Mann aus Torrignano mit der Dia gnose „Saburra". Saburra ist ein spanisches Wort und bedeutet „Magenkrankheit". Es wird aber, wie wir anderen Zusammenhängen entnehmen, auch für eine akute Alkoholvergiftung gebraucht: Mit anderen Worten, der Mann hat sich im Kranken haus einen Rausch ausgeschlafen, ehe er am nächsten Tag weiter nach seiner südli chen Heimat, in diesem Falle Pisa, zog! Ein eher versöhnlicher Ausklang einer langen Schreckensperiode für die Bevölkerung und einer Leidensgeschichte für Napoleons ärmste Soldaten!

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