Schatten des Krieges: Napoleons arme Soldaten Von Herbert Wolkerstorfer Die Geschichte der Medizin ist wie die Geschichte überhaupt vorwiegend heroisch orientiert: Wir erfahren von großen Männern und großen Taten. In diesem Aufsatz soll versucht werden, die Kehrseite einer „großen Zeit" darzustellen, das heißt, wir wollen uns fragen, was eigentlich mit den Soldaten geschah, die nicht als Sieger in ihre Heimat zurückkehrten, sondern als Opfer der Feldzüge an den Rand der Geschichte gedrängt wurden. Angeregt wurden die Untersuchungen dadurch, daß ich im Bestreben, ein Kapitel der lokalen Medizingeschichte aufzuarbeiten, in den Aufnahmeprotokollen des Krankenhauses der Barmherzigen Brüder zu Linz der Jahre 1800,1805 und 1809 sowie 1813 zahlreiche Namen von Soldaten fand, die im Spital behandelt worden waren. Uberwiegend waren es Angehörige der französischen Armee, so daß ich angeregt wurde, mich mit dem Militärsanitätswesen jener Zeit zu beschäftigen. Für die Erlaubnis, die Aufnahmeprotokolle des Krankenhauses auszuwerten, bin ich R Prior Wolfgang Mösslacher zu Dank verpflichtet. Die Barmherzigen Brüder hatten sich seit ihrer Gründung im Spanien des 16. Jahrhunderts für die Behandlung der Ärmsten - und dazu zählten damals wie später die maroden Soldaten - eingesetzt. Darüber hinaus bildeten sie die Angehöri gen des Ordens zu Chirurgen aus, die sie gelegentlich auch zur Betreuung der Trup pen ins Feld schickten. Der Begründer der österreichischen Provinz, Graf Gabriel a Ferrara, war selbst ein überaus tüchtiger Chirurg. Er hatte in Feldsberg im südlichen Mähren unter dem Protektorat des Fürsten Liechtenstein eine Chirurgenschule gegründet, in der die Ordensangehörigen ausgebildet wurden. Das Spital in Linz wurde im Jahre 1757 gegründet, und die Aufnahmeproto kolle sind ab 1768 erhalten. Über die Rolle des Spitals in den Franzosenkriegen wird später berichtet. Zunächst soll auf das französische Heeressanitätswesen zur Zeit Napoleons näher eingegangen werden. Jean Dominique de Larrey (geboren am 8. 7. 1766 in Beaudian im Departe ment Haut Pyrenees, gestorben am 28. 10. 1842 in Lyon) hatte schon im Agyptenfeldzug gemeinsam mit seinem Kollegen und Konkurrenten Franqois Percy (17541825) das französische Heeressanitätswesen zu reformieren versucht. Seine Tüchtig keit und sein Organisationstalent brachten ihm die Freundschaft Napoleons ein, der ihn wiederholt auszeichnete. So schrieb Bonaparte in einem Brief vom 6. Thermidor des Jahres IV (24. 7.1798) an das Vollzugsdirektorium in Paris: „Ich bitte Sie, der Frau des Chirurgen Larrey, Oberchirurg der Armee, ein Geschenk von 1.200 Franken auszahlen zu lassen. Er hat uns durch seine Tätigkeit und seinen Eifer die größten Dienste erwiesen. Unter allen Militärärzten, die ich kenne, ist er am geeignetsten, um an der Spitze der Feldspitäler einer Armee zu stehen!" Als ihm in der Schlacht bei
RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2