OÖ. Heimatblätter 1999, 53. Jahrgang, Heft 3/4

53. Jahrgang Heft 3/4

OBEROSTERREICHISCHE-r53. Jahrgang Heft 3/4 Herausgegeben von der Landeskulturdirektion Lucia Luidold Mit Volkskultur ins dritte Jahrtausend 151 Georg Melika Das Schicksal der Salzkammergütler und der Waldkarpaten Ende des 20. Jahrhunderts 159 Erwin Garstenauer Die Wallfahrt in der Eisenwurzen 175 Fritz Fellner Bemühungen in den fünfziger Jahren unseres Jahrhunderts um den Erhalt einzelner Denkmäler und Bauabschnitte der Pferdeeisenbahn 188 Bernd Kreuzer Straßen für den Fremdenverkehr - Das Salzkammergut zwischen den Weltkriegen 195 Johannes Ebner und Rudolf Zinnhobler Die „bildgewordene" Lorcher Tradition - Zur Rückkehr zweier geschichtlich bedeutsamer Kolossalgemälde in die Pfarrkirche von Enns-St. Laurenz 212 Leopold Toifl und Katharina Ulbrich Thaller und Schreckseisen - Hellebardenschmiede in Bad Hall und Waldneukirchen 220 Bernhard Prokisch Ein Münzfund des 16. Jahrhunderts aus der Neumühle bei Unterweißenbach 245 Herbert Wolkerstorfer Schatten des Krieges: Napoleons arme Soldaten 257 Hans Jörg Köstler Der Österreichisch-ungarische Montanistentag in Steyr im Jahre 1884 268 „Der Stern, der muaß weiterleuchten" - Vom Brauchtum des Sternsingens in den Waldkarpaten und in Ebensee - Caroline Horak 286 Wo Johann Adam Pruner wohnte: „Weit weniger zweckmäßig als eine Dachshöhle oder ein Biberbau" - Hugo Schanovsky 290 Franz Schubert und Karoline Eberstaller - Leopoldine Grundner 292 Das Mahnmal im Soldatenfriedhof Enns-St. Laurenz - Herbert Kneifel 293 Buchbesprechungen

Medieninhaber: Land Oberösterreich Herausgeber: Landeskulturdirektion Zuschriften (Manuskripte, Besprechungsexem plare) und Bestellungen sind zu richten an den Schriftleiter der OÖ. Heimatblätter: Dr. Alexander Jalkotzy, Landeskulturdirektion, Spittelwiese 4, 4010 Linz, Tel. 0 732177 20-54 82 Jahresabonnement (2 Doppelnummern) S 160,- (inkl. 10 o/o MwSt.) Hersteller: Druckerei Rudolf Trauner Ges.m.b.H., Köglstraße 14, 4020 Linz Grafische Gestaltung: Mag. art. Herwig Berger, Hafnerstraße 19, 4020 Linz Für den Inhalt der einzelnen Beiträge zeichnet der jeweilige Verfasser verantwortlich Alle Rechte vorbehalten Für unverlangt eingesandte Manuskripte über nimmt die Schriftleitung keine Haftung ISBN 3-85393-084-0 KuiTU RlAND OBERÖSTERREICH Mitarbeiter: Dr. Johannes Ebner p. A. Diözesanarchiv, Harrachstraße 7, 4020 Linz Konsulent Fritz Fellner Heiligen-Geist-Gasse 16, 4240 Freistadt HR Mag. Erwin Garstenauer p. A. Institut für Kulturförderung, Spittelwiese 4, 4010 Linz Leopoldine Grundner M.-Neumayr-Gasse 2, 4400 Steyr Caroline Horak Traunkai 3, 4820 Bad Ischl Konsulent Dr. Herbert Kneife! p.A. Museum Lauriacum, Hauptplatz 19, 4470 Enns Dr. Hans Jörg Köstler Grazer Straße 27, 8753 Pohnsdorf Mag. Bernd Kreuzer Kopernikusstraße 45/6, 4020 Linz Mag. Lucia Luidold p.A. Referat Salzburger Volkskultur, Postfach 527, 5010 Salzburg Dr. Georg Melika PL Sändor Petöfi 8a/5, 294000 Ukraine Dr. BernhardProkisch p.A. OÖ. Landesmuseum, Tummelplatz 10, 4020 Linz Prof. Hugo Schanovsky Urbanskistraße 6, 4020 Linz Dr. Leopold Toifl p.A. Landeszeughaus Graz,Schmiedga5se34, 8010 Graz Mag. Katharina Ulbrich 4595 Waldneukirchen 203 Dr. Herbert Wolkerstorfer Klammstraße 2, 4020 Linz Univ.-Prof.Dr. RudolfZinnhobler Diözesanarchiv, Harrachstraße 7, 4020 Linz Titelbild: Volksmusik in Oberösterreich. Foto: Franz Linschinger

Mit Volkskiiltur ins dritte Jahrtausend Von Lucia Luidold Kurz vor der Jahrtausendwende ist ein passender Zeitpunkt, ein paar Gedanken und Visionen zur künftigen Kulturarbeit zur Diskussion zu stellend Ich werde keine Patentrezepte liefern, genausowenig, wie ich weder den viel gebrauchten Globalisierungsfallen noch ihren Fallenstellern das Wort reden möchte. Als Volkskundlerin gehe ich von Kultur als der von den Menschen gestalteten und gelebten Kulturform aus und werde versuchen, anhand von Beispielen den Zustän digkeitsbereich und die Aufgaben der Kulturarbeit zu umreißen. Wenn wir von Kultur sprechen, so ist gemäß der Definition des Europarates Kultur „alles, was dem Individuum erlaubt, sich gegenüber der Welt, der Gesell schaft und auch gegenüber dem heimatlichen Erbgut zurechtzufinden, alles, was dazu führt, daß der Mensch seine Lage besser begreift, um sie unter Umständen ver ändern zu können."^ Das augenfälligste Kulturwerk im gesamten Alpenraum ist die bäuerlich gestaltete Naturlandschaft. Dies war lange mehr oder weniger eine Selbstverständ lichkeit und wurde nicht als solches bedacht, solange diese Arbeit einen integralen Bestandteil des Lebens bildete. Erst im 20. Jahrhundert wurde die Kulturlandschaft zum Thema, weil sich der ökonomische Wandel auf die Bewirtschaftung der Regio nen ausgewirkt und damit auch die Sozialstruktur beeinflußt hat. Diese Entwicklung bedingt ein neues Verständnis von Kulturarbeit, die nun nicht mehr allein im Agrarbereich anzusiedeln ist, sondern als Bewußtseinsbildung für alle Lebens- und Arbeitsmodelle verstanden wird. Hier liegt auch mein volks kundliches Interesse, denn Kulturarbeit muß bei den Menschen sein, muß mit den Menschen entstehen und immer wieder von den Menschen initiiert werden. Nur damit ist gewährleistet, daß in den kulturellen Äußerungen die Anliegen, das Den ken und die Bedürfnisse der Menschen zum Tragen kommen. Hier lassen sich aus dem großen Bereich der Bräuche hervorragende Bei spiele anführen. Bräuche, die im jahreszeitlichen Rhythmus immer wieder Schwerpunkte set zen, geben den Menschen die Möglichkeit, alljährlich die gleichen Inhalte anschau lich darzustellen. Dabei spielen das Weltbild und das darin enthaltene religiöse Ver ständnis eine wesentliche Rolle. Unsere großen Feste ergeben sich aus den Ereignis sen des Kirchenjahres, das mit der Adventzeit beginnt. Ich denke besonders an ' Referat anläßlich des Jahrestages der Salzburger Heimatvereinigungen am Sonntag, 21. März 1999 in St. Johann im Pongau. ^ Uschi Derschmidt u.a.: Lebens-Mittel. Materialien zu den Themen Kultur und Heimat. Salzburg 1989, S. 15.

m ■'•f. % 1 "C Der Mariapfarrer Samson beim Samson treffen in Mauterndorf, Juni 1996. Foto: Luidold Weihnachten, Ostern oder Pfingsten, an Fronleichnam oder etwa an das Patroziniumsfest, um nur einige Fixpunkte zu nennen. Die genaue Einteilung des Kirchenjah res beruht auf unserer Zeitrechnung, die sich seit dem 16. Jahrhundert nach dem Gregorianischen Kalender richtet. Zum Ablauf des Kirchenjahres wurde zudem die Konstellation des Mondes miteinbezogen; So haben zum Beispiel die Christen - in Anlehnung an das jüdische Pessach - das Osterfest am Zeitpunkt des ersten Frühlingsvollmondes ausgerichtet. Der sogenannte Osterfeststreit, bei dem es darum ging, ob Ostern am Tag des Frühlings vollmondes oder am darauffolgenden Sonntag gefeiert werden sollte, wurde am Konzil von Nizäa (325 n. Chr.) jedoch zugunsten des Sonntags entschieden. Der Osterfestkreis umfaßt die Zeit der Vorbereitung (vorösterliche Bußzeit bzw. „Fasten zeit", beginnend mit dem Aschermittwoch), die Karwoche (beginnend mit dem Palmsonntag), weiters als Höhepunkt des ganzen Kirchenjahres die Drei Österlichen Tage vom Leiden, vom Tod und von der Auferstehung Jesu (beginnend mit der Abendmahlsmesse am Gründonnerstag und mit der Osternachtfeier als Mittel punkt), sowie die Zeit der fünfzig Tage vom Ostersonntag bis Pfingsten, welche als ein einziger Festtag gefeiert wird. Während sich die angeführten Feste und Festzeiten

schon im frühen Christentum herausbildeten und einen biblischen Bezug autweisen, sind das Dreifaltigkeitsfest am Sonntag nach Pfingsten sowie das Fronleichnamsfest am darauffolgenden Donnerstag sogenannte „Ideenfeste" und erst im Hochmittelal ter für die ganze Kirche eingeführt worden. Die Überlieferung der Heiligen Schrift ist dabei die eine, feststehende und festgeschriebene Form des christlichen Denkens; die Art und Weise, der Ablauf der Feier die andere. Sie hat sich im Laufe der Jahrhunderte geändert und den Bedürfnis sen der Menschen angepaßt oder sie wurde aufgrund obrigkeitlicher Verordnungen umgestaltet, auch wenn das Thema, der biblische Hintergrund, der gleiche geblie ben ist. Anhand des weitum bekannten Samsonbrauches möchte ich eine dieser Ent wicklungen nachzeichnend Die inhaltlichen Vorgaben für den Samsonbrauch im Lungau gehen auf den Richter Simson zurück, der entsprechend dem Alten Testament dem Volke Israel angehörte und mit außergewöhnlichen Kräften ausgestattet war (Ri 14 ff.). Einmal zerriß er mit bloßen Händen einen Löwen, ein andermal erschlug er mit dem Kinn backen eines Esels tausend Mann; in der Stadt Gaza hob er die schweren Stadttore aus, und immer wieder gelang es ihm, die Philister zu besiegen, bis er sich eines Die Lungauer Riesen mit den beiden steirischen Samsonen heim Umzug in Adariapfarr 1994, von links nach rechts: Krakaudorf, Murau, Unternherg, St. Michael, Mariapfarr. Foto: Luidold ^ Roland Floimair, Lucia Luidold (Hrsg.): Riesen. Sondernummer der Zeitschrift „Salzburger Volkskul tur", Salzburg 1996.

Tages in die schöne Dalila verliebte. Ihr gelang es, ihm das Geheimnis seiner Stärke zu entlocken, das in seinen langen Haaren bestand. Als die Philister davon erfuhren, überwältigten sie ihn, Schoren sein Haupt und blendeten ihn. Als Samson zu einem Fest für den Götzen Dagon in den Palast seiner Feinde gebracht wurde, betete er um neue Kraft. Er stemmte sich gegen die Säulen des Gebäudes und stürzte sie um. Samson starb unter den Trümmern. Dieser spannende Stoff wurde seit dem Mittelalter dramatisiert, und bis heute ist die Gestalt als Umzugsriese in verschiedenen Ausformungen weit über den Lungau hinaus erhalten geblieben. Die ältesten schriftlichen Hinweise über den Tamsweger Riesen finden sich in den Aufzeichnungen des Chronisten Andrä Kocher über die Kapuziner und deren Kloster in Tamsweg vor 1786." Diese Ordens leute hatten im Lungau die Fronleichnamsprozessionen sehr aufwendig, geradezu theatralisch ausgestaltet und unter den zahlreichen biblischen Figuren auch den Samson, der damals stets als Simson bezeichnet wurde, mitgeführt. Im Salzburger Landesarchiv wird der Samson auch in Verordnungen genannt, in denen es der Obrigkeit darum geht, die theatralischen Umzüge zu unter binden: So hatte Erzbischof Hieronymus von Colloredo im Jahre 1784 angeordnet, daß das Mittragen von Bildnissen oder geschnitzten Figuren bei Prozessionen künf tig zu unterbleiben habe. Wir wissen nicht exakt, wie lange sich die Verbote in den einzelnen Orten gehalten haben, oder ob sie überhaupt überall eingehalten wurden. Bei Ignaz von Kürsinger wird in einer Art romantischer Begeisterung bereits in der Mitte des 19. Jahrhunderts wieder vom Herumtragen des Samson am Fronleich namstag (jedoch nicht bei der Prozession) berichteU Heute ziehen die Riesen des Lungaues jedenfalls wieder an bestimmten Festtagen durch die Straßen ihrer Gemeinde. Immerhin sind es acht in Salzburg und zwei in der angrenzenden Steier mark. Die Umzugsriesen sind aber auch, mit einer länger nachweisbaren Tradition, in Spanien, Frankreich und Belgien anzutreffen, um nur einige der Zentren dieses Brauches anzuführen. Im Jahre 1994 waren die spanischen Riesen „Llorenc" und „Agnes" sogar im Lungau zu Besuch. „Llorenc" vertritt einen berühmten Helden der katalanischen Geschichte, der einen Drachen getötet haben soll, und „Agnes", seine Frau, steht für die Bevölkerung von Matadepera, die von dieser Bedrohung befreit wurde. Ein weiteres Beispiel sind „Goliath" und seine „Madame" im belgischen Ath, die sich alljährlich beim Umzug verheiraten und auf deren Hochzeit jedes Jahr der Zweikampf des Giganten mit David folgt. Diese Umzugsriesen gehen auf das Jahr 1482 zurück und gelten europaweit als die ältesten. Ein Spiel von David und Goliath, beide ebenso wie Samson biblische Figuren (1 Chr 20, 4-8), hat der Lun gauer Michael Dengg (1879-1974) im Jahre 1913 niedergeschrieben. Seit drei Jahren " Andrä Kocher: Die Kapuziner und ihre Zeit. Eine Chronik von Andrä Kocher, Reiterbauer am Lasaberg. Tamsweg 1786. ' Ignaz von Kürsinger: Lungau. Historisch, ethnographisch und statistisch aus bisher unbenützten Quellen. Salzburg 1853.

i If Der Hirtenjunge David besiegt mit seiner Steinschleuder den bewaffneten Riesen Goliath. Freskomalerei (1536) an der Westwand des Rittersaales von Schloß Goldegg/Pongau. Foto: Luidold wird dieses David-und-Goliath-Spiel in Ramingstein auf Initiative des dortigen Bür germeisters wieder aufgeführt. Um diesen „riesenhaften" Beispielen ein Ende zu setzen, sei noch auf jene Riesen hingewiesen, die in Ostflandern gefertigt werden, wenn eine Person aus dem Ort hundert Jahre alt geworden ist. Erwähnt seien auch die Sagenfigur des Riesenge birges (Nordabhang der Sudeten), der Rübezahl, der „Riese von Sefar", eine jung steinzeitliche Felszeichnung in der Sahara (Tassiiigebirge im Süden Algeriens)'' oder auch gegenwärtige Maskenfeste mit überdimensionalen Figuren in Zentralafrika, die bei Initiationsriten als Symbole für das Übermenschliche stehen. Nicht zu ver gessen ist die wohl erst jüngst erdachte oder tatsächlich gesehene Figur Asiens, der Yeti. Was ich mit diesen Hinweisen darstellen will, ist die vielgestaltige Entwick lung und der brauchmäßige Umgang mit dem Phänomen des Übergroßen, Mächti gen und Unberechenbaren. Ein Phänomen, das weltweit in allen Kulturen zu finden ist und sich, dem jeweiligen Weltbild entsprechend, entwickelt hat. Es gibt wahr scheinlich kaum einen Brauch, der sich in den letzten Jahren derartig weiterentwikkelt hat. Zwar nicht im Lungau, jedoch in Spanien sollen in den letzten zwanzig Jah ren 300 neue Umzugsriesen entstanden sein.^ " Rene Gardi: Felsbilder der Sahara. Bern 1969, Tafel I. ' L. Crexell: Aportacio de Matadepera al nostre Folklore. Matadepera 1982.

Daran möchte ich meine Thesen knüpfen, wie Volkskulturarbeit in Zukunft zu sehen sein wird: - Das Idinterfragen und das Hineinstellen von Bräuchen in den historischen Kon text, denn die Frage nach der Herkunft, der Funktion und dem Wandel unserer Bräuche muß für alle Beteiligten, egal, ob als Ausführende oder als Zuseher, im mer wieder erklärt, erzählt und neu interpretiert werden. Dies braucht aber keine nostalgische Rückkehr in die Geschichte, vielmehr soll Geschichte eine Brücke sein, die gegenwärtigen Formen zu begreifen. Denn die „Präsenz der Vergangen heit in der Gegenwart, die sie begrenzt und für sich beansprucht... ist das Wesen der Moderne", schreibt Jean Starobinski.® Wir dürfen nicht übersehen, daß - so wie es Adolf Spamer formulierte - Kultur ein historisch gewordener Besitz sozia ler Gruppen ist, der sich im Zusammenhang mit geschichtlichen Prozessen verän dert. Mit der Veränderung seiner Formen löst sich der Brauch jedoch nicht auf, „sondern er wird in seinem symbolischen Profil der veränderten Realität ange paßt. Er ,überlebt', solange er sozialen Gebrauchswert besitzt und kulturelle Ver ständigungen transportieren kann - nicht als Brauch, sondern im Ge-Brauch."' - Den zweiten Gedanken, den ich anhand der Riesenfiguren vor Augen führen möchte, sind die vielfältigen Anlässe, an denen die Festlichkeiten stattfinden. Bräuche geben den Menschen die Möglichkeit, aus dem Alltag herauszutreten, um sich Zeit zu nehmen für das Feiern in der Gemeinschaft. Auch dies wird künf tig ein wichtiger Aspekt der Kulturarbeit sein, denn schließlich sind es diese Mo mente - egal, ob es sich um Bräuche im Ort oder in der Familie handelt -, die uns über Partei- und Altersgrenzen hinweg zusammenführen und jedem Beteiligten einen entsprechenden Platz in der Gemeinschaft zuweisen: Ein Aspekt, von dem ich glaube, daß Volkskultur eine Stütze sein kann, weil ihre Stärke in der Über schaubarkeit liegt. Eine Stärke, die von uns aber im großen wie im kleinen Umfeld vernetztes Denken fordert. Die Blasmusik gibt hier einen ganz spannenden Weg vor, der durch die Erweiterung des Repertoirs eine Vielzahl von musikalischen Richtungen beinhaltet und heute neben Marschmusik auch Zeitgenössisches bie tet. - Als dritter Punkt erscheint mir der Hinweis auf die zunehmende Ästhetisierung wesentlich: Als „Sinnenlehre" oder „Lehre von den sinnlichen Empfindungen und Eindrükken", wie die Ästhetik definiert wird, meint sie nicht in erster Linie Kunst, sondern bezieht sich auf den gesamten Bereich menschlicher Wahrnehmung und Empfin dung, geht also über reines Denken hinaus. Die „Ästhetisierung der Wirklichkeit" macht durch Kulturarbeit auch ein Stück emotionaler Lebenswelt sichtbar.^" ' Zit. in: Marc Auge, Orte und Nicht-Orte. Vorüberlegungen zu einer Ethnologie der Einsamkeit. Frankfurt am Main 1994, S. 90. 'Aus: Wolfgang Kaschuba: Volkskultur zwischen feudaler und bürgerlicher Gesellschaft. Zur Ge schichte eines Begriffs und seiner gesellschaftlichen Wirklichkeit. Frankfurt/Main 1988, S. 265. ' Vgl. Wolfgang Kellner: Vom engen zum erweiterten Kulturbegriff und zurück? In: Pöllinger Briefe, Heft 1, Horn 1999, S. 9.

Obwohl wir alle wissen, daß gefühlsmäßige Aufladung und einseitige Überbe wertung auch ins Negative umschlagen können, möchte ich die positiven Seiten hervorheben: Es ist nicht zu übersehen, daß durch die besondere Gestaltung der Feste und Feiern auch emotionale Inhalte, egal, ob sie religiöser, historischer oder sozialer Natur sind, vermittelt werden. Das ist auch der Grund dafür, daß die kul turellen Äußerungen das „breiteste Bekenntnis finden" üohannes Coreth, Nieder österreich). Obwohl aller guten Dinge drei sind, möchte ich als vierten Punkt noch die wirt schaftlichen Aspekte der Kulturarbeit ansprechen, weil Kultur und Wirtschaft ein ander bedingen. Auch wenn das Engagement der öffentlichen fiand im Kulturbe reich erheblich ist und von der Ausbildung, Fortbildung über die Trägerschaft kultureller Einrichtungen wie Theater, Museen, Bibliotheken bis hin zu einer höchst differenzierten Förderung von Kunst und Kultur in den Regionen reicht, werden sich in Zukunft auch alle volkskulturellen Initiativen und Vereine einer Diskussion über ihre Intentionen nicht entziehen können. Es ist nicht zu überse hen, daß Kulturfinanzierung der öffentlichen fiand immer auch eine Frage der momentanen Kulturpolitik ist. Dies wird sich auch in Zukunft nicht ändern und fordert stets eine Positionierung des Kulturverständnisses. Ideelle Vorgaben wer den allerdings nicht von der Tatsache wegführen, daß zudem neue Finanzierungs formen bereitgehalten werden müssen. Während für die Kunst Mäzene und Sponsoren grundsätzlich Interesse finden, bleiben für das Angebot des „erweiter ten Kulturbegriffs" und der Soziokultur fast immer nur die Finanzmittel der öffentlichen Hand." Dabei wird es künftighin gerade auch im volkskulturellen Bereich von Bedeutung sein, sich neu zu orientieren und sich zum Beispiel mit Marketing und Sponsoring auseinanderzusetzen. Es geht von Anfang an um die Verwirklichung gemeinsamer Kommunikationsziele, wobei eine Rücksichtnahme auf Inhalte beider Seiten, d. h., eine Bereitschaft zu Kompromissen, unumgäng lich wird. An den Schluß meiner Ausführungen möchte ich den Begriff der Überschreitung stellen." Es erscheint mir wichtig, daß wir trotz der ständigen wirtschaftlichen Änderungen auf die Mitwelt nicht vergessen. In unserer komplexen Gesellschaft ist jeder gefordert, sich auf unterschiedlichen Ebenen, in sehr unterschiedlichen sozialen Rollen, Interessen, Ansprüchen und kulturellen Werten zugleich zu bewegen und für sich eine Auswahl zu treffen. Für mich ist es ein erfreuliches Bei spiel, wenn sich ein Heimatverein nicht nur um die besten Tänzerinnen und Tän zer bemüht, sondern auch Menschen dabeisein läßt, die, aus welchen Gründen auch immer, mit Behinderungen, Schwierigkeiten oder irgendwelchem „Anders sein" leben müssen. Kultur ermöglicht allen, über den Berufsalltag hinaus, gesell schaftliche Verantwortung zu übernehmen. " Werner Heinrichs: KulturpoliKk und Kulturfinanzierung. München 1997, S. 2. " Vgl. Brigitte Menne: Prolog für eine Kultur der Überschreitung. In: Pöllinger Briefe, Heft 1, Horn 1999, S. 4.

In der Volkskultur ist jeder selbst gefordert, die Vielfalt und Spannung der persönlichen Bezüge und Interessen in Ordnung zu halten und für sich selbst Bewertungen zu treffen. Der Anspruch an die künftige Kulturarbeit ist also vielfach; Sie muß histori sches Wissen und religiöse Denkmuster berücksichtigen, sie muß aber genauso ästhetische Ausdrucksformen und soziale Überschreitungen umfassen. Das heißt aber auch, daß die heute so groß geschriebene Vielsprachigkeit allein nicht mehr genügt, sondern daß es auch die Bereitschaft zur Verständigung braucht. In diesem Zusammenhang fällt mir die Zeitschrift „Le Monde diplomatique" ein, die monatlich in acht Sprachen mit einer Auflage von 700.000 Exemplaren in Berlin erscheint und der Frage nachgeht, was die Welt zusammenhält und aus welchen Gründen sie immer mehr und mehr auseinanderfällt. Die Iderausgabe dieser Publikation ist sicherlich als Reaktion auf die sozialen Spannungen in der Welt zu verstehen, die sich nicht mehr allein durch wirtschaftliche Maßnahmen verhindern lassen. Diese Zeitschrift sieht ihre Aufgaben vornehmlich darin, gegen das Einheitsdenken eine Kultur des „Gegen-Denkens" und „Mit-Denkens" zu entwickeln." - Eine Aufgabe, die ich auch unserer Kultur- und Bildungsarbeit künftig zumuten möchte. ' WI- Helmut L. Müller: Europas Mauer gegen Entwurzelte. In: Salzburger Nachrichten, Denkbilder, vom 27. Februar 1999, S. IX (Le Monde diplomatique, Verlag Deutschland: TAZ Verlags- und Ver triebs-GmbH, Kochstraße 18, D-10969 Berlin).

Das Schicksal der Salzkammergütler und der Waldkarpaten Ende des 20. Jahrhunderts Von Georg Melika* Die Siege der österreichischen Feldherren über die Türken in den Jahren 1699 und 1716 bis 1718 ermöglichten dem österreichischen Kaisertum, die Kontrolle über die Donau-Theiß-Ebeneund den Banat zu gewinnen, die Türken aus Serbien und einem großen Teil der Walachei zu vertreiben. Bald darauf belebte sich wieder in diesem Teil Europas der Handel, in dem einen gewichtigen Platz das Salz ein nahm. Deswegen wurde das Interesse für die Salzvorkommen im Komitat Marmo rosch erhöht, und als 1733 die Marmorosch von Transsilvanien abgetrennt und der ungarischen Verwaltung übergeben wurde, hatte der Wiener Handelsrat zu den Salzgewinnungsstätten im Marmoroser Theißtalkessel Sachverständige geschickt, die die Rentabilität der Erschließung und Beförderung des Steinsalzes klären sollten. Die Experten schlußfolgerten, daß das Unternehmen gewinnbringend sein wird, wenn für die Modernisierung der bestehenden und die Verteufung neuer Schächte genügend Struktur- und Stützholz besorgt wird. Interessiert an einem grö ßeren Salzabbau waren auch die Floßämter in Szigeth (Sigethul Marahei) und Bustyahäza (Bustyno), wohin das Salz mit Ochsengespannen befördert und dort auf Flöße verladen wurde. Da oberhalb des Steinsalzvorkommens die Karpaten gänz lich von Urwäldern bedeckt waren, darunter auch von Nadelholzbeständen, und die zahlreichen Nebenflüsse der Theiß geeignet waren, das Holz bis zu den Verbrau chern zu flößen, so schien die Holzversorgung nicht problematisch zu sein. Umso mehr, als die transsilvanischen Fürsten, denen die Waldungen gehörten, bereitwillig waren, das erforderliche Holz billig zu liefern. Nach ein paar Jahrzehnten Abholzung stellte sich jedoch heraus, daß die unerschöpflichen Vorräte an Nadelholz überschätzt wurden. Die Tannen- bzw. Fich tenbestände, die sich tiefer im Bergland befanden, z. B. am Oberlauf des Visö-Flusses, konnten wegen der Unbeständigkeit des Wasserstandes der Bergbäche nicht erreicht werden. In einer Bemerkung zur „Mappe des Maramaroscher Comitats aus dem Jahr 1771 lesen wir: „Die Thanen Valdung aber gegen die Moldauer Gränzen kan nicht genutzt werden, veillen sie von den khalen Gebürgsrücken versperrt ist. ^ Die Kahlschläge ganzer Berghänge veränderten die Hydrodynamik der Theiß nebenflüsse Iza und Visö, die für die Bevölkerung deren Täler in den regnerischen Monaten vernichtendes Hochwasser zur Folge hatte. Die Schreibweise des Originalmanuskriptes wurde bewußt beibehalten. Zitiert nach Vilmos Belay, Märamaros megye tärsadalma es nemzettisegei. A megye betelepülesetöl i XVIII. szäzad elejeig, Budapest 1943, S. 2.

Um die Salzgewinnung und -förderung, die im 18. Jahrhundert ca. 3.000 t jährlich betrug, nicht zu lähmen, mußten neue Nadelholzwälder erschlossen wer den. Deswegen wurden Forstmeister für eine fachliche Bewertung der Tannen- und Fichtenbestände,deren Ausbreitungvon den Oberläufen der Flüsse Weiße und Schwarze Theiß, Tarac (Teresva), Talabor (Tereblja) und Nagyäg (Rika) bis an die Theiß-Dnjestr-Wasserscheide reichten, geschickt. Entsprechend ihren Empfehlungen entschied sich die Kammer für ihre Ausnutzung. Damit man jedoch die Erfahrungen der systemlosen Abholzung nicht wiederhole, mußten die ungarischen kameralen Waldämter Maßnahmen treffen, die es erlauben würden, naturschonende und -freundliche Methoden zu verwenden. Vorerst mußte eine staatliche Kontrolle der Waldausbeute eingeführt werden. Zu diesem Zweck wurden von der Kammer im Jahre 1768 die Brusturawaldungen des Grundherrn Szerenczy Ferencz ange kauft. Die sehr dünn besiedelte Region, in der die Forstarbeiten in großem Ausmaß geführt werden sollten, konnte die erforderliche Arbeitskraft weder zahlenmäßig noch fachlich bereitstellen. In der kameralen Verwaltung wurde noch zu Zeiten Karls VI. beschlossen, einheimische Waldarbeiter nach Österreich zu schicken, damit diese dort eine Forstausbildung erwerben und neue Methoden bei der Aus beute des Waldreichtums in den regnerischen Regionen der Waldkarpaten anwen den könnten. Da jedoch dieses Vorhaben scheiterte, mußte die ungarische Kammer schon ausgebildete und erfahrene Waldfachleute und flolzknechte anwerben, die den Anforderungen entsprechen könnten. Die Wahl fiel auf die oberösterreichi schen Fachleute, die diesbezüglich als die besten in Europa galten. Am 15. März 1775 wandte sich die ungarische Hofkammer an die Kaiserin Maria Theresia mit dem Gesuch, nicht nur Nutzholz zu Zwecken der Salzgewinnung und deren Beför derung abholzen zu dürfen, sondernauch und vor allem Holzknechte,Rottmeister, Förster und andere Fachleute aus dem Salzkammergut anzuwerben. Bevor jedoch sie beworben werden konnten, mußte zuerst zwischen ihnen und den Vertretern der ungarischen Hofkammer der Vertrag geregelt werden: Die Salzkammergütler ver langten analogeBedingungen,wie sie die Waldarbeiterder GmundnerForstverwal tung hatten, welche die ungarischen Bewerber mit unbedeutenden Veränderungen annahmen und versicherten einzuhalten.^ Nachdem die Wiener Hofkammer die Auswanderung billigte, meldeten sich 100 Männer, die mit ihren Angehörigen sich bereit erklärten, in einer Schar von 220 Personen in die Marmorosch zu fahren. Unter ihnen waren Vertreter verschiedener Professionen und Beschäftigungen (Holz- und Aufsatzknechte, Rottmeister, Schiffwerker, Wührer, Aufsetzer u. a.), die aus 44 Ortschaften des Trauntals zwischen Ebensee, Bad Ischl und Goisern kamen. Sie verließen ihre Wohn- und Arbeitsstätten in den oberösterreichischen Wäldern, um nach fünfwöchiger Fahrt am 9. November 1775 im engen Tal des Bergflusses Mokrianka einige Kilometer oberhalb des ruthe- ■ Franz Stanglica, Die Ansiedlung der Oberösterreicher in Deutsch-Mokra im 18. Jahrhundert. In: Deutsches Archiv für Landes- und Volkskunde. Berlin, Wien 1937, Heft 4, S. 845.

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bei den ruthenischen Nachbarn des Dörfleins Mokra überwintern mußten. Zugleich wurden Rodungen gemacht, um Gründe für den Bau der Wohnhäuser und Stallun gen freizulegen sowie Bauholz anzuschaffen. Sobald es die rauhen Witterungen erlaubten, begann man mit der Errichtung der Wohnhäuser und Gehöfte. Zur glei chen Zeit mußten die Männer in die Wälder gehen, um dort die Vorbereitungsarbei ten für die Beförderung des Nutzholzes aus den Schlägen zu sichern: Zu den erstrangigen Arbeiten gehörte der Bau der Riesen, das Errichten von Klausen, die Befestigung der Flußufer und die Beseitigung der Sandbänke und Kieselinseln, um ein einwandfreies Abflößen des fiolzes zu gewährleisten. Schon im Jahre 1778 standen 40 Häuser ferüg und noch zehn waren in Bau, welche nach oberösterreichischem Vorbild gebaut wurden und dem Dorf, welches die Bewohner Deutsch-Mokra im Gegensatz zu Russisch-Mokra nannten, sein cha rakteristisches Gepräge gaben. Die Zahl der deutschen Bewohnerschaft wuchs so schnell, daß schon drei Jahrzehnte später eine neue Siedlung angelegt werden mußte und Königsfeld (Ust-Corna) genannt wurde. Der Zuwachs der deutschen Bevölke rung in den Waldkarpaten geschah nicht nur dank der natürlichen Vermehrung, sondern auch durch Zusiedlung aus Österreich sowie von deutschböhmischen Kolonisten aus Galizien und der Bukowina. Für Waldarbeiten am Oberlauf der Wei ßen Theiß kamen nach Rachow viele Siedler aus der Zips (Ostslowakei). Die Zusied1er wurden durch die günstigen Vertragsbedingungen der Forstämter des Komitats und der ärarischen Obsorge des Lebensstandes der Waldarbeiter angelockt, z. B. die mietfreie Nutzung der Almen für die Sommerweide ihrer Milchkühe." Wegen ihres guten Rufes wurden die oberösterreichischen Waldarbeiter von der ärarischen Waldverwaltung sehr geschätzt. Deswegen hat man sie nicht nur für den Bau und die Bedienung neuer Klausen, Wühren und Bewachung der Floßbarkeit der Berg flüsse in neuen Waldrevieren angewiesen, sondern ihnen selbst deren Führung anvertraut. Dieser forstfachliche Vorzug für die einheimisch gewordenen deutschen Spezialisten hielt sich in der Forstwirtschaft Karpaten-Rutheniens sogar nach der Trennung des Gebiets 1919 von der österreichisch-ungarischen Monarchie zugun sten der Tschechoslowakei. Die Reihenfolge der Schlag- und Beförderungsarbeiten aus den Wäldern der Karpaten änderte sich im Laufe der eineinhalb Jahrhunderte, seit die Salzkammergütler in den Waldkarpaten sich angesiedelt hatten, nur unbedeutend.' Zuerst wurde von der Forstverwaltung bestimmt, wo im gegebenen Revier der nächste Schlag durchgeführt und welche Ausmaße er haben werde. Nach der Markierung der Schlagkonturen, welche der Förster mit seinen Gehilfen gewöhnlich im Frühling machte, kamen die Holzknechte, Riesenbauer und andere Fachleute, um die Beschaf fenheit des Berghanges, des Waldbestandes zu besichtigen und die nötige Arbeits kraft zu bestimmen. ' Franz Zepezauer, Almwirtschaft und Tierhaltung. In: Deutsch-Mokra - Königsfeld. Hrsg. v. Hans Schmid-Eger, Stuttgart 1979, S. 89. ' Alois V. Särközy, Die Arbeit im Wald. In: Deutsch-Mokra - Königsfeld. Hrsg. v. Hans Schmid-Eger, Stuttgart 1979, S. 73-85.

Die Riesenbauer wählten den geeignetsten Sturzbach, in dem die Holzrut sche angelegt und wo sie im Schlag münden werde. Gebaut wurde die Riese immer vom Bach- bzw. Flußtal mehrere hundert Meter den Berg hinauf. In die Rinne der Rutsche leitete man Wasser hinein, damit die abzuriesenden Stämme nicht hängen bleiben oder einklemmen. An mehreren schnellen Stellen und am Riesenauslauf wurden Bremsvorrichtungen aufgestellt. Die Holzknechte bereiteten zuerst ihre Koliwn (Hütten), in denen 12 bis 20 Mann übernachteten, das Essen vorbereiteten und nasse Kleider trocknen konnten. Für die Pferde, die die Baumstämme zum Riesenmund schleppten, wurde aus Ästen ein Stehplatz gemacht. Gefällt wurden die Bäume hangaufwärts und immer vom oberen Schlagrand talwärts. Die Stämme wurden entästet, teils entrindet, die Wipfel abgeschnitten, die Schnittkanten abgerundet und der Waldbard beseitigt, damit beim Abriesen die Rutsche nicht beschädigt werde. Das Geäst und die Wipfel wur den in Haufen zusammengetragen, wo sie langsam verrotteten: Nie durften sie ver brannt werden. Krumme und kranke Bäume kerbte man in die Rinde ringsum. 5" I Am m m'WAii Riesenauslauf mit Bremsvorrichtung. Zeichnung: Melika

damit sie abtrocknen und sich bei der Aufforstung nicht mischten. Die letztere Arbeit führten Frauen im nächsten Frühling durch. Die beim Riesenmund und seiner Nähe herangezogenen Stämme begann man Anfang Oktober abzuriesen. Der Riese entlang standen auf Sicht- und Ruf weite Burschen, die mit Pfiffen und Rufen signalisierten, ob der Stamm mit dem dikken oder dünnen Ende hinunterrast. Sobald ein Stamm aus der Rutsche ausflog, zer brach und die Riese beschädigte, wurde bis zur Beseitigung der Panne das Riesen unterbrochen. Zuletzt, wenn alles Holz unten am Sammelplatz im Tal war, wurde selbst die Riese „abgeriest". Nach dem Abbau der Riese blieb die Talsohle des Baches soviel wie unberührt, was eine schadenhafte Erosion vermied. Dieses Verfahren der Abholzung und Förderung der Stämme bis zum Riesenauslauf brachte dem Waldboden minimalen Schaden, was für die Erneuerung des Waldbestandes von höchster Wichtigkeit war. Die Erneuerung des Fichten- und Tannenbestandes erfolgte auf gemischte und künstliche Weise: Wo die durch Selbst saat wachsenden Bäumchen fehlten, wurden gleich im folgenden Frühling von Frauen und Kindern junge Fichten gepflanzt. Der junge heranwachsende Wald wurde ständig gepflegt: Die zu dicht wachsenden Fichten wurden gelichtet, die miß ratenen, mit doppelten Wipfeln und verkrümmten ausgehackt. Meistens ließ man diese liegen, wo sie schnell verrotteten. 120 bis 140 Jahre später konnte ein solch erneuerter Fichtenbestand wieder zu Nutzholz geschlagen werden, welcher schon in der tschechischen Zeit der vierten und fünften Holzfällergeneration nach den ersten Salzkammergütlern von Deutsch-Mokra Arbeit schenkte. Wenn schon fester Schnee lag, wurde das abgerieste Holz auf zweiteilige Schlitten verladen, mit Ketten gebunden, die ihrerseits man mit Eisenkeilen befe stigte. Mit Pferdegespannen wurde das Langholz zum Schnittplatz gebracht. Hier wurde es sortiert: Das auserlesene Langholz bis 26 m wurde weiter bis zur Klause befördert und dort gestapelt; dünneres Rundholz wurde für die Salzgruben vorbe stimmt; die morschen und mürben Stämme schnitt man zu Biochen (Klötze) von 4,5 m Länge, die zu Brennholz genutzt wurden. Die Holzstämme mit Durchmessern über 1 m wurden von den Wührern für den Bau von Wehren und für die Uferbefesti gung und -regelung verwendet. Auf dem Schnittplatz blieben die Männer weit von ihren Wohnhäusern und Familien die ganze Woche hindurch. Deswegen waren hier die Hütten besser ausgestattet; auch die Pferde hatten Bretterschuppen, wo sie mit Heu und Hafer gefüttert wurden. Das Flößen des Langholzes geschah hauptsächlich in den Frühlings- und Herbstmonaten, weniger im Sommer, und verlief von den obersten Klausen bis zum Verbraucher in mehreren Etappen. So wurde z. B. das Holz aus dem Brustura-Waldmassiv (Forstamt von Königsfeld) zuerst von den Klausen auf dem Mokrianka- und dem Brusturiankafluß bis Königsfeld geflößt. Hier wurden die Floßtafeln umgebaut, andere durch zusätzliche verlängert. Von Königsfeld fuhren die Flößer (Ruderer) die

Klause am Oberlauf der Weißen Theiß mit Tloßablaß. Zeichnung: Melika Teresva hinunter bis zur Mündung in die Theiß, wo ein Teil für Grubenholz abgefan gen, das Holz geschnitten und mit Pferde- oder Ochsengespannen zu den Salzgru ben geliefert wurde. Die übrigen Flöße endeten im Floßamt von Buschtino. Die sich oberhalb der Teresva-Theiß-Mündung befindlichen Salzgruben bei Szlatino (Solotvyno) sowie das Floßamt von Szigeth bekamen das Holz aus dem Raum der Weißen und Schwarzen Theiß geliefert. Da die Flößer für die Lieferung der in den Floßtafeln enthaltenen Kubatur verantwortlich waren, so bauten sie die Flöße selber. Besondere Aufmerksamkeit mußte ständig dem Zustand der Bäche und Flüsse geschenkt werden, was deren fortwährende Reinigung, Regelung und Ufer überwachung verlangte und vielen Männern eine feste Arbeit und ihren Familien das tägliche Brot sicherte. Die Aufsicht nach dem Zustand der Wasserläufe hatte nicht nur forstwirtschaftliche, sondern auch eine nicht minder wichtige wasser evakuierende Bedeutung gegen vernichtendes Hochwasser in besonders nassen Jahren, wovon selbst die Sicherheit der Dörfer, ihrer Bewohner und des Guts abhing. In der Mitte des 19. Jahrhunderts wurden im Kaisertum Österreich pro Jahr ca. 30 Millionen 30zöllige Klafter Brenn- und Nutzholz gewonnen. Auf das Verwal tungsgebiet Pest-Ofen, zu dem auch die Waldkarpaten gehörten, entfielen 436.000

Klafter (ca. 1,308.999 m^), was rund 1,5 % des Gesamtertrags ausmachte.^ Wenn beachtet wird, daß damals die Waldfläche des Kaisertums 29% betrug und die des Komitats Marmorosch von über 80% bedeckt war, woher jährlich 527.000 m-' Holz gewonnen wurden,^ so ist hier die Ausbeuteintensität des Waldreichtums beträcht lich kleiner gewesen, als in vielen anderen Regionen: Böhmen lieferte 11,06%, Galizien 10,24%, Siebenbürgen 10,9% und selbst die Kronländer des heutigen Oster reich 18,8 % der gesamten Holzgewinnung. Das im Komitat Marmorosch geschlagene Holz verbrauchte man fast aus schließlich für die Gewinnung eines Drittels der gesamten Förderung an Steinsalz (25 %) und Salzsole (5 %) des Kaisertums. Holz für andere Zwecke wurde aus Karpaten-Ruthenien wegen Transportbeschränkungen kaum geliefert. Erst nach 1874, als die Eisenbahn das Gebiet erreichte, konnte an einen größeren Umfang der Holzge winnung gedacht werden. Jedoch nach wie vor blieben die einzigen Wege der Holz beförderung von den Schlägen bis zu den Eisenbahnstationen die vielen Wasser läufe, bis ab den zwanziger Jahren des 20. Jahrhunderts die Schmalspurbahn in die Täler der östlichen Waldkarpaten hineindrang. Dadurch änderte sich die Arbeits folge in den Schlägen nicht und das Abriesen des Holzes blieb weiterhin traditionell. Dagegen ging die Pflege der Wasserläufe gegen Verzweigungen und Bildung von Sandbänken auf den Bau gemauerter Uferbefestigungen und die Wartung der Schmalspurstrecken über: Die ehemaligen Wührer und Ruderer wurden zu Eisen bahnern, Maschinisten und Mechanikern. Auf dem Schnittplatz änderte sich die Rundholzbeschaffung, die Sägewerke wurden modernisiert und das Sortiment des Schnittholzes vergrößert. Die gesamte Holzausbeutung in den Waldkarpaten wurde jedoch in der tschechischen Periode zuerst gesenkt, um das Jahr 1930 der Ertrag der k. u. k.-Zeit erreicht und nur in den späteren Verwaltungsjahren erhöht, was durch die Konkurrenz anderer Waldregio nen der Tschechoslowakei und die hohen Transporttarife der Eisenbahn bedingt war.® Da nur 30% der Wälder des Gebiets (Subkarpatiens) für Nutzholz gewonnen wurden und diese im Osten der Waldkarpaten konzentriert waren, so konnte der Fichtenbestand auch in den Krisenjahren den deutschen Waldarbeitern des Forst amts Königsfeld Beschäftigung bieten und den Lebensunterhalt ihrer Familien befriedigen. Deswegen berührte die Auswanderungswelle der Karpatendeutschen nach Amerika diese Waldsiedlungen nicht so stark, wie die der übrigen Bezirke Sub karpatiens. Schwere Zeiten ergriffen die deutsche Bevölkerung Karpaten-Rutheniens, als 1944 viele Deutsche nach Deutschland evakuiert und nach der Heimkehr 1946 ^ F. I. Brachetti, M. Falk, Allgemeine Weltkunde. Pest, Wien, Leipzig 1860, S. 862. ' Istvan Szilägyi, Märamaros värmegye. Budapest 1876, S. 388. * L. Machacek, Hospodärsko-technicke problemy Podkarpatske Rusi. In: Podkarpatskä Rus. Bratislava 1936, S. 11, 112.

nach Tjumen deportiert wurden.' Die Königsfelder Heimkehrer nach 1946 wurden nicht vertrieben und konnten in den Wäldern ihre Arbeit als Holzknechte wieder aufnehmen. Gleich nach der Führungsübernahme der Forstwirtschaft wurden von den Sowjetbehörden die Fichten- und Tannenbestände in einem nie zuvor gewesenen Ausmaß geschlagen und ausgeführt. Wenn auch die „alten" Waldarbeiter den Wald schlugen, neu ist eine forstlich gänzlich ungeschulte Führung gekommen, der es nur darum ging, maximal viel Holz für den Wiederaufbau der im Krieg zerstörten Volks wirtschaft auszubeuten. Die Sollerträge wurden zu 250 bis 340 % überboten," wofür die Natschalniki (russ. Leiter) von der Partei verehrt und hohe Prämien bekamen; einige Holzfäller machte man zu „Helden der sozialistischen Arbeit". In jenen Jahren hatte man auf waldschonende Verfahren verzichtet, und mit dem Einsetzen von Motorsägen und Raupenschleppern wurden die Bäume schneller gefällt und ent ästet, die Stämme ohne Riesen direkt zu den Schnittplätzen befördert. Bei Steilhän gen von 30 Grad und mehr hoben die Schlepperfahrer das Langholz am Stamm ende nicht auf das Heckschild, sondern zogen sie in ihrer ganzen Länge hinterher, welche die auf ihrem Weg stehenden Baumstumpfen einfach umwarfen. Bei der Schlängelfahrt von Stamm zu Stamm zermalmten die Raupen der Schlepper bei jeder Biegung und Umdrehung den Waldboden, vermischten ihn mit dem Humus, dem Unterwuchs, dem herumliegenden Geäst und Unnutzholz. Der Anblick eines frischen Schlages bot dem Wald- und Naturfreund ein erdrückendes Verwüstungs bild. Der ganze abgeholzte Berghang wurde von einem Spinnennetz von breit- und tieffurchigen Wegen durchzogen, welche talwärts zusammenliefen, wo sich die Rau pen der Schlepper mit den dahinter pflügenden Stämmen immer itefer zu Gräben einfraßen, welche sich bei Regenwetter zu reißenden Bächen verwandelten. Überall ragten wie Gespenster Wurzelgestalten der umgeworfenen Baumstumpfe, hinter denen die Wasserlachen den ohnedies aufgelockerten Waldboden verschlammten und Erdrutsche in verschiedenen Größen verursachten. Die letzteren entblößten auf den Berghängen das Grundgestein und versperrten unten in der Schlucht durch ein Gemisch aus Schlamm, Gestein, Holz und Wurzeln das Bachwasser. Das dadurch entstehende Stauwasser verwandelte sich bei regnerischem Wetter in Schlamm ströme, die die Wasserläufe verschmutzten und unbeständig machten. Für den Durchlaufzustand der Bäche und Flüsse im Gebirge wurde praktisch nichts gemacht, weil ja die gesamte Holzbeförderung per Eisenbahn und Straßentransport erfolgte. Die barbarische Weise, mit der die Wälder abgeschlagen wurden, deren Aus maße und das Ignorieren des schnellen Wechsels zwischen Tief- und Hochwasser- ' Georg Melika, Die Deportation der Deutschen aus Transkarpatien in den Jahren 1944-1946. In: Jah resbuch für deutsche und osteuropäische Volkskunde. Hrsg. v. Heike Müns, Marburg 1995, S. 335351. Volodymyr Prystupa, Dynamik der Holzausbeutung. Geschichte und Perspektive der Forstwirtschaft Rachovo (ukrainisch). In: Novyny Zakarpat'a, 12. 7. 1997, S. 4.

stand in den Flüssen schon bei gewöhnlichen Regenfällen, empörte nicht nur die älteren Waldfacharbeiter, die nicht gehört wurden und zu Wort kamen, sondern beunruhigte die gesamte deutsche und andere Bewohnerschaft von Königsfeld, Brustura. Deutsch- und Russisch-Mokra. Ich erinnere mich an die Worte von Frau Mar garete fiolzberger, die mir 1975 bei meinem Besuch in Königsfeld sagte; „Wissen Sie, Herr Lehrer, von unseren Vätern hörten wir immer, daß wir dem Wald tiefe Ach tung schulden und mit ihm und der Alm in Eintracht und Liebe handeln sollen. Jetzt geht man hier mit der Natur sehr, sehr schlecht um und es wird nicht viel Zeit verge hen, und sie wird auf uns sehr hart schlagen. Wir beten ehrfürchhg den lieben Gott an, damit er uns hüte und zu uns barmherzig bleibe." Nachdem das zu Beginn der sechziger Jahre erbaute Tereblja-Rika-Wasserkraftwerk keine 50% der errechneten Energiekapazität lieferte, erkannten die Exper ten, daß durch die übermäßige Abholzung der Wälder am Oberlauf des TerebljaFlusses sich die hydrologischen Bedingungen ungünstig geändert haben, weil die Wasserläufe in waldarmen oder buschigen Landschaften in den Trockenmonaten zwölfmal wasserärmer sind als in den Landschaften mit erwachsenen Beständen." „Nach diesem Fehlschlag", sagte mir der ehemalige Förster dieses Reviers, Stefan Oberbüchler, „wurden im ganzen Karpatenland alle Kräfte für die Auffor stung der geschlagenen Wälder eingesetzt. Die Waldausbeute wurde auch gesenkt. Leider hat sich aber die Schlagweise und die Aufsicht der Flüsse kaum geändert." Mit Bedauern bemerkte der alte Förster Oberbüchler, daß in den Beziehungen zum Wald sich bei vielen jüngeren, auch deutschen Waldarbeitern, ein gleichgültiges Ver halten entwickelt habe und ihn (den Wald) nicht mehr als ein lebendiges Wesen betrachten, welcher solange er ist, Wärme, Arbeit und Ernährung den Waldleuten spendet, der aber auch verletzbar ist, leiden und sterben kann „und mit sich in den Tod so unheimlich viel mitsamt dem Waldarbeiter mitnimmt. Wir sägen den Ast ab, auf dem wir sitzen!" schloß seine Worte Oberbüchler ab. Ende der sechziger Jahre begann man die „verdienten" Leitungsbeamten der Forstkombinate durch Fachleute mit forstwirtschaftlicher Hochschulbildung zu ersetzen, die vielen wissenschaftlichen Empfehlungen nachgingen und die Situation der Waldausbeute in den Karpaten ameliorierten. Um die achtziger Jahre hat sich ein bestimmtes Gleichgewicht zwischen Abholzung und Nachwuchs in den Waldartbe ständen der Karpaten aufgestellt. Jedoch die drasüsche Ausbeute der ersten zwei Jahrzehnte sowjetischen Wirtschaftens in den Karpaten (ca. 4,5 Millionen Kubikme ter Holz pro Jahr) hat den Altersbestand der Wälder stark disproportioniert." Aus den Gesprächen mit erfahrenen Königsfelder Waldarbeitern entnahm ich, daß die Kapazität der Aufnahme des Regenwassers durch die Wälder je nach Vasyl Parpan, Können die Wälder die Naturgewait lindern? (ukrainisch). In; Novyny Zakarpat'a, 14. II. 1998, S. 4. • M. A. Holubec, A. N. Havrusevyc, I. K. Zahajkevyc, Ukrainskije Karpafy (russisch), Kiew 1988, S. 97.

^ vaiefii^ f O ! t^fyy ® Bezirksstädte i^Ä'^^ilKJ Steinsalzvorkommen • Dörfer mit oberösterreichischen t~ -7^0-' Volovecl ^5— K R,m IN E 4 TtjäTorod--'*'"?-, ;,1 ; Ortschafts-und Landwirschaftsnächen Almen, Krummholz und Sträucher lll'lll Tannenreinbestände Fichten-Tannen-Mischbestände ^ Buchen rein bestände Kichenrein bestände §2j Buchen-Eichen Mischbestände Jit^i Buchen-iMchten-Mischbestände ^ "1 ' / Vynohrad/vo ? p '^"Nj ' , "NG ARN /: t"'" "j -"T'"-"T f i / ^Szigct ~ R U M Ä NIE N Karle 2, Ausbreitung der Waldbestände in Transkarpatien (Stand 1988). Altersstrukhir der Bestände in den Karpaten (1985) Alterskategorie Fichte Tanne Eiche Buche and. Arten allgemein 0/0 0/0 0/0 0/0 0/0 0/0 Jungwald 1. Klasse 22,0 11,9 27,5 6,7 16,5 15,4 Jungwald 2. Klasse 25,8 12,2 25,6 26,3 14,8 24,6 Wald mittleren Alters 28,6 31,9 39,1 37,6 48,7 33,4 Wald gedeihenden Alters 13,4 25,8 5,2 8,7 12,9 12,2 Wald reifen Alters 9,5 16,2 2,6 12,4 6,2 10,7 überreifer Wald 0,7 2,0 - 8,3 1,1 3,7 ihrem Alter ein Verhältnis von 5 zu 1 bis 10 zu 1 ausmache, d. h., ein junger Wald kann fünfmal mehr Wasser aufnehmen als eine kahle Fläche; ein erwachsener Wald zehnmal mehr. Diese Verhältnisse beziehen sich auch auf das Vermögen, Nieder schläge aufzuhalten und sie andauernd gleichsam in die Bäche und Flüsse durchlau fen zu lassen. Man stelle sich vor, daß der Berghang eine große, breitrandige Rinne sei, auf die Wasser gegossen wird: Ist die Innenseite der Rinne „unbekleidet", so läuft fast das ganze Wasser sofort in den sich unten befindlichen Behälter (Bach, Fluß); ist

die Rinne von einem Filzbelag beschlagen, so bleibt ein Teil des Wassers in ihm behalten und rinnt in den Behälter noch eine Weile weiter, wenn oben das Wasser aufhört zu „regnen"; ein Teil des Wassers bleibt im Filzbelag je nach dessen Stärke gespeichert und erreicht den Behälter unten überhaupt nicht. „Das soll bedeuten", sagte mir Johann Zauner, „daß je älter ein Wald ist, umso mehr Wasser kann der Waldboden aufsaugen und aufhalten, umso besser sind seine wasserregulierenden Eigenschaften. Dazu soll noch bemerkt werden, daß ein 200jähriger Baum in sich mehrere Tausend Liter Wasser speichern kann; daneben sieht ein 20jähriger Baum etwa so aus, wie ein kleines Kind neben einem erwachsenen Mann." Nachdem das ökonomische System der Sowjetunion versagte und selbst ihren Zerfall in selbständige Staaten verursachte, entstand in der souveränen Ukraine eine wirtschaftliche Situation, bei der die alten ökonomischen Verhältnisse nicht mehr funktionierten und neue noch nicht ausgearbeitet und geregelt wurden. Das führte zum stürzenden Produktionsfall der Volkswirtschaft mit nachfolgender fiyperinflation und einer allgemeinen dauerhaften sozialökonomischen Krise im Land. Stark gelitten hat auch die Holzindustrie, was die Holzgewinnung lähmte. Nach den Worten des Vorsitzenden des staatlichen Komitees für die Forstwirtschaft der Ukraine, .V Samoplavskyj, habe man von Jahr zu Jahr in Transkarpatien weniger Holz gewonnen als vorgesehen wurde: 1991 waren es 30.000, 1992 70.000, 1993 130.000, 1994 270.000, 1995 280.000, 1996 und 1997 je 300.000 Kubikmeter Holz weniger." Deswegen konnten die Forstreviere, auch das von Königsfeld, ihren Arbeitern keine stabile Beschäftigung sichern und sogar das spärlich verdiente Geld seit 1996 nicht auszahlen. Die Ersparungen der Waldarbeiter schmelzten von Tag zu Tag; ebenso schnell schwanden neue Quellen für den Verdienst eines duldsamen Lebensunterhaltes vom Wald. Es folgte der lawinenartige Abgang der deutschen Bevölkerung aus dem Teresvatal nach Deutschland, die den früher Ausgewanderten aus Transkarpatien nachfolgten: von 1968 bis 1974 waren es 32 Familien, 1975 bis 1977 357, 1978 bis 1982 121, 1983 bis 1989 217, 1990 bis 1995 756 Familien und Ein zelpersonen." Zwar kam nach Königsfeld und Deutsch-Mokra ständige humanitäre Hilfe aus Osterreich und Deutschland, die aber bei all ihrer Großzügigkeit die Leute aus der Armut nicht herausholen konnte. Vielmals besuchte man die oberösterrei chischen Ortschaften der Waldkarpaten, um vom Leben der Nachkommen der Salzkammergütler zu berichten." Aber die Emigration nach Deutschland hält weiter an. Am 5. November 1998 teilten die Medien die Nachricht über drohendes Hochwasser in allen Flüssen Transkarpatiens mit, was in den letzten Jahren immer öfter geschah. Später erwies es sich, daß diesmal es sich um noch nie dagewesenes Hochwasser handelte: Die reißende Flut hat an vielen Stellen die Uferdämme durch brochen und 89 Kilometer weggespült, 340 km Straßen abgetragen und unbrauchBohdan Dubovskyj, Es muß alles Mögliche unternommen werden, um einem wiederholten Unheil vorzubeugen (ukrainisch). In: Novyny Zakarpat'a, 26. II. 1998, S. 5. Georg Melika, Spätaussiedler aus der Karpaten-Ukraine. In: Der neue Eckartbote. November 1996, S. 14. Z. B. Wilfried Schafaus, Der Fuß und die Fetzen. In: Spektrum, 7. 6. 1997, S. III.

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