OÖ. Heimatblätter 1999, 53. Jahrgang, Heft 1/2

P. Matthias Höfer leitet in seinem „Etymologischen Wörterbuch" das Wort „karnissel" vom lateinischen „caro, carnis. Fleisch" und von althochdeutschen „sal, sei, Spende, Ubergabe" abd® Totenmähler oder eine Fleischspende (visceraho) an das Volk waren schon in der Antike bekannt. Rettenpacher erwähnt bei der Behandlung des Stiftertages der artige Gebräuche schon bei den Griechen (Homer), den Römern (Sueton, Livius) und Juden (Josephus Flavius).^' Auch bei den Christen gab es Agapen zur Unterstüt zung der Armen an den Gedenktagen der Märtyrer, bei Hochzeiten und Begräbnis sen."" Besonders erwähnenswert erscheint dem Annalisten das Beispiel des römi schen Senators Alethius, das der hl. Paulinus von Nola rühmend anführt: Er habe bei den Leichenfeierlichkeiten für seine Gattin Ruffina Arme in der Kirche des hl. Petrus gespeist."' Auch im Hochmittelalter gibt es Beispiele für solche Spenden aus Anlaß von Totengedenken. So bestimmte der hl. Odilo (994-1049) - er war der fünfte Abt des Reformklosters Cluny und führte 998 das Allerseelenfest ein -, daß an diesem Tag an alle Armen wie am Gründonnerstag Brot und Wein auszuteilen sei."^ Durch diese Gabe - man nannte sie auch Seelgerät - wurden ja die Beschenkten zum Gebet für die Verstorbenen bewogen. Wie lange gab es den Karnisseltag? Wann der Karnisseltag in der Tassilostiftung eingeführt wurde, ist nicht über liefert. Auch die Geschichtsschreiber des Stiftes sind sich diesbezüglich nicht einig. Rettenpacher glaubt, daß dieser Brauch bis auf die Gründung des Klosters zurück gehe. Er vermutet auch, daß wegen der Schlachtung so vieler Ochsen dieses Tier im Stiftswappen aufscheine."' Schwarzenbrunner hingegen führt an, daß Bernardus Noricus weder in seinen historiographischen Werken noch in den Konshtutionen ' „Zu Kremsmünsber wurde die feyerliche Ausbheilung von Brod und Fleisch, welche jährlich am Stif tertag an mehrere tausend Arme und Fremde geschah, das Gespent genennet, oder Carnissel, eigent lich carnis sei (carnis traditio), von dem altdeutschen sal, sei, traditio." (Matthias Höfer, Etymologi sches Wörterbuch der in Oberdeutschland, vorzüglich aber in Oesterreich üblichen Mundart III, Linz 1815, 154 f.) ' Simon Rettenpacher, Annales monasterii Cremifanensis, Salisburgi 1677, 57f. ' „In pauperum solamen, & mutuae charitatis vinculum, ea potissimum celebrata vel Martyrum (13) natalibus, vel connubiali sacro, vel justis funeribus." (Ebd., 58.) Ebd. • „Ipso die supradicto post capitulum faciant eleemosynam decanus et cellerarius de pane et vino Om nibus supervenientibus pauperibus, sicut mos est agi in Coena Domini." (Statutum S. Odilonis de Defunctis, PL 142, col. 1037.) ' „Ista consuetudo quando caeperit, ambiguum. Crediderim, a prima Monasterij constitutione, ..." (Rettenpacher, Annales, 57.) „Nec multum a vero abludit, hinc bovem inter Monasterij insignia censeri, cum singulis annis triginta minimum paria anniversarijs Fundatorum sacris immolentur." (Ebd., 59.)

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