OÖ. Heimatblätter 1999, 53. Jahrgang, Heft 1/2

ebenfalls am Montag nachgeholt. Fiel der Stiftertag auf einen Donnerstag, fand noch im 18. Jahrhundert auch eine Sakramentsprozession statt.® Die ersten genaueren Angaben über den Verlauf der kirchlichen Feier stam men aus dem Tagebuch des Abtes Karl Stengel von Anhausen, der sich während des Dreißigjährigen Krieges zweimal als Flüchtling in Kremsmünster aufhielt.^ Den Auf zeichnungen zufolge sangen fremde Abte am Stiftertag die Roratemesse der Adventszeit und Requiem, da ja Abt Anton Wolfradt (1613-1639) in diesen Jahren als Minister des Kaisers und Bischof von Wien in der Residenzstadt weilte. So sangl633 und 1634 Stengel selbst das Requiem, im Dezember 1635 die Rorate der Abt von Lambach, das Requiem der Abt von Gleink.^ Genauer unterrichten uns über den liturgischen Verlauf des Stiftertages die „Observanda per annum", eine um 1670 entstandene Handschrift. Am 10. Dezember wurde kein „Castrum doloris" aufgestellt, da man die Totenvesper und das Requiem am Stifteraltar (Kreuzaltar) vor dem Stifterhochgrab feierte. Es befand sich seit 1304 am östlichen Ende des Laienschiffes („in medio ecclesiae"), wurde 1509 hinter den Kreuzaltar verlegt und 1711 abgebrochen.® An diesen beiden Tagen waren alle Altäre mit schwarzen Antipendien versehen. An die Vesper vom hl. Damasus schloß die Totenvesper für die verstorbenen Stifter und Wohltäter des Klosters; dabei wur den schon während der Tagesvesper alle Glocken mit dreimaliger Unterbrechung geläutet („... pulsantur omnes Campanae per tres interruptas vices"). Auf die Vesper folgten unmittelbar Matutin und Landes des Totenoffiziums.® Am Stiftertag selbst wurde um sechs Uhr die Rorate zelebriert. Um halb neun Uhr oder um neun Uhr wurden Terz und Sext gebetet, die Non aber gesungen. Inzwischen läuteten alle Glocken wie am Vortag. Das Requiem wurde am Stifteraltar gefeiert; daran schloß sich das Libera, das aus dem Passauer Rituale genommen wurde. Oration wurde aber eine eigene gebetet. An diesen Tagen kamen natürlich auch viele Gäste nach Kremsmünster. Sie speisten dann entweder bei „Hof", d. h. mit dem Abt und den Stiftsoffizialen, oder mit den Mönchen im Refektorium unter Vorsitz des F. Priors. Uber die Zusammen setzung der Gästeschar wird später noch die Rede sein. Manchmal waren auch Sol- ' Heinrich Pichler, Calendarium Perpehium, 1750, Ms., Stiftsbibliothek Kremsmünster (= StBKr), CCn 1167, 177. Die Kremsmünster betreffenden Teile des Tagebuches sind ediert bei Benedikt Pitschmann, Aus dem Tagebuch eines Flüchtlings des Dreißigjährigen Krieges, In: StudMittOSB 88 (1977), 53-145. Über die Person des Abtes Karl Stengel siehe ebd., 54-58! ' Ebd., 73, 79, 87. ' Observanda, 21 f.; Erika Doberer, Zur mittelalterlichen Baugeschichte des Klosters und der bestehen den Stiftskirche. In; ÖKT LIII/1, Wien 1977,157; Leonore Pühringer-Zwanowetz, Das Stift als neuzeit liche Anlage. In; Ebd., 203, 214. Siehe auch Grundriß und Innenansicht der Stiftskirche, ebd., 206f.! Castrum doloris (Katafalk, Tumba) war die mit einem schwarzen Bahrtuch bedeckte, von Kerzen um stellte Scheinbahre. Siehe dazu auch die jüngst erschienene Arbeit von Georg Schrott, Trauer- und Festdekorationen in den bayerischen Klöstern des 17. und 18. Jahrhunderts. In; StudMittOSB 109 (1998), bes. 281-286! ' Observanda, 22 f. " Ebd., 23.

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