OÖ. Heimatblätter 1998, 52. Jahrgang, Heft 3/4

Hinter dieser Theorie steht die Schwermut des Pessimismus, den er vom Optimismus wie folgt abgrenzt: „Der Pessimist in praktischer Philo sophie ist für gewöhnlich im Leben ein Optimist. Der verhängnisvolle Lauf der Welt überrascht ihn nicht, er erwartet nichts Besseres; er weiß, daß die Welt schlecht ist, daß sie nichts anderes sein kann... Anders verhält es sich mit dem Optimisten in der praktischen Philoso phie. In der Uberzeugung, daß die Dinge besser stehen könnten, wenn nur der Mensch sich bessern würde, ... erlebt er beständig neue Enttäuschungen und fällt von einer Verzweiflung in die andere. Für gewöhnlich bietet uns der Optimist in der praktischen Philosophie im Leben je nes Bild, das wir mit dem Wort ,Pessi mist' verknüpfen."^'^ Dem gebürtigen Polen Gumplowicz waren die Nationalitäten der Monarchie „Rassen", den Staat aber sieht er als den Inbegriff sozialer, wechselseitig sich be kämpfender Gruppen, das Recht als die zwischen ihnen jeweilig festgesetzten Schranken ihrer Machtausübung. Im Lauf der Geschichte schiebe sich zwi schen die zwei ursprünglichen Rassen der Eroberer und der Eroberten, die - zeitgemäß - als Adel und Volk erschei nen, durch Zuwanderung eine dritte Rasse, die Handel treibt und die intellek tuelle Berufe ergreift, der Mittelstand. Die politischen Spannungen zwischen diesen Rassen werden durch Mischung gemildert, damit werde der Staat stabili siert. Auf Grund seiner Uberzeugung, wonach das Naturgesetz der Gruppen kämpfe soziale Gleichheit auf Dauer ausschließe, hält Gumplowicz den Rechtsstaat für eine Illusion, die Weltver besserungspläne der Sozialisten für Utopismus. Zur Vorstellung von einem Staat, in dem das „Volk" herrscht, merkt er an: „Was berechtigt zu einer solchen An nahme? Etwa das Regime in den soziali stischen Parteien? Da herrschen wohl die breiten Arbeitermassen oder vielleicht doch die Bebels, Adlers.. .?"^^ Seinen Vortrag „Die Ausgestaltung des Nationalgefühls im 19. Jahrhundert" hat der beherrschende Staatsrechtler des alten Osterreich, Edmund Bernatzik, mit dem folgenden - noch zuversichtlichen - Satz beschlossen: „Und wenn wir die Verluste an Wohl stand und Kultur in Betracht ziehen, die uns Österreicher die nationalen Kämpfe kosten, so muß uns das Bewußtsein trö sten, daß wir in der mühevollen Ersin nung eines billigen und gerechten Natio nalitätenrechtes eine zivilisatorische Ar beit leisten, welche für manchen anderen Staat vorbildlich werden kann."^® Erich Voegelin hat in seinem Versuch über das österreichische Staatsproblem, „Der autoritäre Staat"'' im Werk von Gumplowicz dessen Uberzeugung geor tet, daß die Monarchie an der Unver- ' Zit. nach Johnston (FN 15), S. 326. ' Vgl Mozetic, Ein unzeitgemäßer Soziologe: Ludwig Gumplowicz, in: Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie, Heft 4/1985, 625, der Schumpeters Diktum (Kapitalismus, Sozialismus und Demokratie, S. 391), „daß das Volk in Tat und Wahrheit nie herrsche, aber durch Definition immer dazu gebracht werden könne", als formelhafte Zusammenfassung der Demokratiekritik von Gumplowicz ansieht. Vgl. zur „Definition": Art. 20 Abs. 2 erster Satz Bonner Grundgesetz und Art. 1 (österr.) B-VG. ' In: Beiträge zur Staats- und rechtswissenschaft lichen Fortbildung, Heft 6 (Hannover 1912), S. 45. ' Wien 1936, S. 132 (134). Neudruck als Bd. 119 der „Forschungen aus Staat und Recht" (1997) mit einem Geleitwort von Günther Winkler.

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