OÖ. Heimatblätter 1998, 52. Jahrgang, Heft 3/4

gen Wissen um den Untergang seiner Welt durchdrungen. Seine „Novellen aus Osterreich" sind, wie Claudio Magris" schreibt, das Bild einer Welt im Augen blick ihres Einsturzes. Und der Gumplowiczsche „Rassenkampf" - ein im Lichte der NS-Ideologie irreführender Begrifffindet eine elegische, doch klarsichtige Entsprechung in Saars Ode „Austria", die Gertrud Fussenegger in der „Rampe" zitiert: Trauernd senk ich mein fiaupt, o du mein Osterreich, Seh ich, wie du gemach jetzt zu zerfallen drohst... Zwar die Schwingen noch stolz spreitet der Doppelaar, Und in Schönheit wie einst strahlt deiner Länder Pracht: Doch dein altes Gefüge Lockert störrisch sich mehr und mehr. Freilich, niemals ein Volk war deiner Völker Schar, Niemals warst du für sie wirklich ein Va terland : Österreicher im Herzen Fühlte stets sich der Deutsch nur. Aber schwindest du hin, schwindet, was einzig war. Und ein farbiger Strauß fällt von Euro pas Brust... In Saars Novellen findet man nicht die fröhliche Apokalypse Wiens um 1880, in der Broch in seinem berühmten Hofmannsthal-Essay ein Wertvakuum ortet, sondern das Weben seiner Zeit, vor allem die Melancholie um „jene Ver gangenheit, die mit ihren Ausläufern in die Gegenwart hineinreicht". Berühmt ist sein Bekenntnis in der Novelle „Die Gei gerin": „... So fühl' ich mich stets zu Leuten hingezogen, deren eigentliches Leben und Wirken in frühere Tage fällt und die sich nicht mehr in neue Verhältnisse zu schicken wissen. Ich rede gern mit Handwerkern und Kaufleuten, welche der Gewerbefreiheit und dem hastenden Wettkampf der Industrie zum Opfer ge fallen; mit Beamten und Militärs, die un ter den Trümmern gestürzter Systeme begraben wurden; mit Aristokraten, welche, kümmerlich genug, von dem letzten Schimmer eines erlauchten Na mens zehren..." Ein Beispiel dafür ist der General Brandenberg in der Erzählung „Vae victis", den seine junge Frau nach den mili tärischen Niederlagen von Magenta und Solferino, denen noch Königgrätz folgen sollte, mitsamt der Armee damit abkan zelt, daß er und seinesgleichen keine Zu kunft mehr haben. Die Moderne tritt in Gestalt eines erfolgreichen Parlamentari ers neuen Stils auf, dem sich die Frau zu wendet. Die Salons der reichen jüdi schen Familien, der Geldaristokratie, de ren ernsten und klugen Söhnen „man ansah, daß sie zum größten Teil bereits dem Gott Merkur abgeschworen und sich der helläugigen Athene geweiht hat ten", waren die Mode geworden, der ein alternder Offizier nicht folgen konnte. Saar sieht das alte Osterreich zerfal len. Der Nationalitätenkonflikt bricht es entzwei: „Freilich, niemals ein Volk war deiner Völker Schar ... Aber schwindest du hin, schwindet, was einzig war ..." Dieser gleichsam naturgesetzlich sich vollziehende Untergang ist aber mit Würde zu tragen. (In seinem Habsburg mythos-Buch überschreibt Claudio Magris denn auch das relativ umfangreiche Der Habsburgische Mythos in der österreichi schen Literatur (1963, deutsch 1966), S. 191.

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