OÖ. Heimatblätter 1998, 52. Jahrgang, Heft 3/4

Den raschesten Überblick über Le ben und Werk des Staatsrechtlers und Soziologen Ludwig Gumplowicz ge winnt man aus dem Beitrag von Niko laus Schwärzler in Wilhelm Brauneders „Juristen in Österreich 1200-1980" (1987), S. 201 ff. 1838 kam Gumplowicz in Krakau zur Welt. Er war Jude, beide Elternteile waren wohlhabend und ent stammten Kaufmannsfamilien. Zur Ver besserung seiner akademischen Karriere als Staatsrechtslehrer in Graz konver tierte er zum Protestantismus. Zuvor war er ein - erfolgloser - naüonalistischer polnischer Aufwiegler gegen den Habs burgerstaat in Polen gewesen. „Das private Leben Gumplowicz' scheint in immer enger werdenden Bah nen verlaufen zu sein. Es ist im Zusam menhange mit dem freiwilligen Ausdem-Leben-Scheiden seines Sohnes Ma ximilian die unbestimmte Rede von ,ei nem Sohn', doch werden weitere Kinder in den biographischen Unterlagen nicht erwähnt. Anläßlich der Heirat unter nahm Gumplowicz die letzte Auslands reise - nach Venedig. Fortan kam er aus Graz nur noch nach Wien und in Dörfer der steirischen Umgebung. Er betreute jahrzehntelang die kränkelnde Frau, ver brachte Mußestunden damit, ihr aus französischen Revuen vorzulesen, und litt schließlich selbst an einer als Zun genkrebs gewerteten Krankheit. Kurz vor der gemeinsamen Beendigung des nur noch als Last empfundenen Lebens soll Gumplowicz gesagt haben: ,Ich habe genug gelebt.' Im erst 1910 erschie nenen , Sozialphilosophischen Umriß' wird sein und seiner Frau Ende gleich sam angekündigt und gerechtfertigt: ,... Dem offenbaren Willen der Natur entgegenkommen ist die höchste Moralität: den Kranken und Lebensmüden ruft ja die Natur mit vernehmbarer Stimme in ihren Schoß zurück.' Damit vertritt Gumplowicz ein Postulat, dem Leben unter bestimmten Verhältnissen aus eigener Kraft ein Ende zu setzen. Er tat dies am 19. August 1909." (Schwärz ler, in Brauneder, Juristen..., S. 204.) Saar und Gumplowicz oder Wehmut und „Rassenkampf" Saar und Gumplowicz scheinen, ohne einander gekannt zu haben. Gei stesverwandte zu sein, soweit ein Ver gleich zwischen einem Dichter einerseits und einem Staatswissenschafter und So ziologen andererseits zulässig ist. Daß sie beide wegen unheilbarer Krankheit, jeweils etwas über 70jährig, Selbstmord begangen haben, ist nur die erste, aller dings auffälligste Gemeinsamkeit. We sentlicher ist, daß sich beide mit der Ge dankenwelt Schopenhauers befaßten. Gumplowicz widmete in seiner „Ge schichte der Staatstheorien" (Neudruck Aalen 1973) den Lehren Schopenhauers sogar ein ganzes Kapitel.'" Saar hatte sich selbst als Schopenhauerianer be zeichnet." Der Wissenschafter ver mochte keinen Fortschritt in der gesell schaftlichen Entwicklung zu sehen, was ihn bei mancher Übereinstimmung mit den Marxisten von ihnen grundsätzlich trennte," Saar ist von einem wehmütiDazu kurz; Brix (FN 9), S. 18. Siehe dort auch S. 197. " Strelka, Buddhistische Religiosität in der öster reichischen Literatur von 1848 bis 1955, in: ders., Mitte, Maß und Mitgefühl (1997), S. 62. Näherhin Mozetic, Ludwig Gumplowicz: Das Programm einer naturalistischen Soziologie, in: Freisitzer u. a., Tradition und Herausforderung. 400 Jahre Universität Graz (1985), 189 (197).

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