OÖ. Heimatblätter 1998, 52. Jahrgang, Heft 3/4

doch findet man hierin wohl auch eine Erklärung für die wachsende Bedeutung der Erzeugung von Idosen, die nicht Teil eines Anzugs waren. Gerade angesichts dieser Ergebnisse, in denen sich die wechselhafte Lage der Versorgung mit Verbrauchsgütern spiegelt, ist es verwunderlich, dai3 andere Anzei chen des Mangels, die man in den Nachkriegsjahren erwarten könnte, nicht beson ders hervortreten. Die Verarbeitung von gebrauchter Kleidung - die ausgespro chene Anderungsschneiderei, das Wenden von Kleidungsstücken, Reparaturen alter Kleidung - hatte in all den Jahren für den Straglinger Schneider nur eine geringe Bedeutung; Einer von fünfundzwanzig Kunden kam mit einem solchen Auftrag, und dieser Anteil erhöhte sich in den Jahren des Mangels nicht. Auch die Verarbei tung von Material, das in gewöhnlichen Zeiten gar nicht über den Tisch des Schnei ders gegangen wäre - Zeltblätter, Schlafsäcke, Militärkleidung -, beschränkt sich auf gezählte siebzehn Fälle in den Nachkriegsjahren. Der in diesen Jahren herrschende Mangel könnte auch eine Erklärung für eine andere Veränderung sein: Maßschneiderei hieß zu dieser Zeit nicht nur, daß Sonntagsanzüge maßgefertigt wurden - auch die Arbeitskleidung war maßgefertigt, obwohl es leicht möglich gewesen wäre, sie vorzufertigen.^" Arbeitskleidung wurde vom Schneider in seinen Eintragungen manchmal ausdrücklich als solche bezeich net, zumeist aber kann man diesen Verwendungszweck nur aus dem Material erschließen, aus dem die Kleidung gefertigt war. Blaues Gradlzeug war in der Regel für Arbeitskleidung vorgesehen, seine Verwendung erlaubt daher den Schluß auf diesen Verwendungszweck. Blaue Gradlkleidung und das sonst ausdrücklich als Arbeitskleidung bezeichnete Gewand waren ein wichtiger Teil der Erzeugung des Schneiders; Bis weit in den Krieg hinein war jedes sechste oder siebente Kleidungs stück, das der Schneider lieferte, ein Arbeitsgewand. In den Jahren ab 1943 nahm dieser Anteil ab; dies könnte damit zusammenhängen, daß das blaue Gradlzeug in diesen Jahren schwerer erhältlich war, und muß nicht unbedingt bedeuten, daß der Schneider nun keine oder weniger Arbeitskleidung anfertigte - es mag durchaus sein, daß er aus anderem Material Arbeitsgewand erzeugte, das in seinen Aufzeich nungen nicht mehr als solches erkennbar ist. Jedenfalls ist der Anteil der blauen Arbeitskleidung an seiner gesamten Erzeugung in den letzten vier Jahren wieder so hoch wie vor dem Krieg. Bedenkt man, daß die gesamte Erzeugung, auch der Arbeitskleidung, nach Maß erfolgte, so stellt sich die Frage nach der Bedeutung der Konfektionskleidung in diesen Jahren. Allgemein wird für Oberösterreich behauptet, daß die Konfektion vor der Jahrhundertwende keine starke Konkurrenz für die Schneider bedeutete; nach 1900 änderte sich dies nach und nach." Es gab eine solche Konkurrenz für den Landschneider auch in nächster Nähe; Textilgeschäfte begannen nach und nach, Konfektion zu führen, so etwa einige Geschäfte in Schwanenstadt. Als ein Textilhändler in Schwanenstadt begann, Konfektionskleidung zu führen, beendete Johann " Auskunft Herbert Pammer. Meixner, Wirtschaftsgeschichte, S. 203. Zur Konfektionsindustrie: Renzsch, Handwerker, S. 72-76.

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