OÖ. Heimatblätter 1998, 52. Jahrgang, Heft 3/4

Zu diesen Selbständigen kam eine noch größere Zahl von Arbeitern und Lehrlingen. Der größte Teil von ihnen lebte in Wien, wo es in der Herren- und besonders in der Damenschneiderei viele Arbeiter und Lehrlinge gab; die Folge war, daß die Hälfte aller in diesem Beruf Tätigen in Wien lebte. In den Bundesländern hingegen überstieg in der Schneiderei die Zahl der Selbständigen die der Arbeiter. Verhältnismäßig am meisten selbständige Schneider hatte Wien, wo auf 170 Bewohner ein Schneider kam. Niederösterreich hatte einen Schneider auf 260 Bewohner und damit verhältnismäßig mehr Selbständige in diesem Beruf als Tirol, Salzburg, Vorarlberg, die Steiermark oder das Burgenland. Oberösterreich hatte mit einem selbständigen Schneider auf 220 Einwohner unter allen Ländern mit Ausnahme der Bundeshauptstadt die verhältnismäßig größte Zahl an solchen Betrieben. Oberösterreich ist auch sonst ein besonderer Fall, zumal hier der Anteil der Selbständigen an allen in der Schneiderei Tätigen beson ders hoch war; bei den Herrenschneidern war er mit über 2.000 Selbständigen auf fast 3.500 Berufszugehörige am höchsten von allen Ländern (bei den Damenschnei dern hatten Vorarlberg und das Burgenland höhere Anteile an Selbständigen). Von den knapp 1.200 Arbeitern in der Herrenschneiderei im Oberösterreich des Jahres 1934 waren überdies mehr als 500 arbeitslos, sodaß mindestens zwei Drittel der oberösterreichischen Herrenschneider zu der Zeit, in der dieser Bericht einsetzt, ohne Arbeiter auskamen. Jeder zehnte Herrenschneider in Oberösterreich beschäf tigte darüber hinaus einen Lehrling, eine Zahl, die etwa den Werten anderer Länder entspricht. Die Kunden Das angegebene Verhältnis zwischen der Zahl von Schneidern und der ober österreichischen Bevölkerung sagt freilich noch wenig über die Kunden der einzel nen Schneidermeister aus. Manche Oberösterreicher werden wenig neue Kleidung getragen haben, andere trugen Kleidung aus den Werkstätten verschiedener Meister oder auch Konfektionsware, und manche waren Stammkunden eines Meisters. In Johann Pammers Hauptbuch sind für die Jahre 1935 bis 1953 über 450 Kunden ver zeichnet; jedes Jahr kamen zwischen fünfzig und hundert von ihnen mit einem Auf trag, jeder vierte von diesen kam im selben Jahr noch ein zweites Mal, und einige wenige kamen noch öfter. Nicht wenige, 200 von ihnen, scheinen in all diesen Jahren überhaupt nur ein einziges Mal im Hauptbuch auf, eine Handvoll kam auf zwei oder drei Dutzend Bestellungen. Bei den Stammkundschaften arbeitete der Schneider für die ganze Familie, nicht nur dann, wenn er zur Arbeit ins Haus kam. Väter, Söhne und Brüder kamen dann nach Stragling, sodaß wir in diesen zwei Jahrzehnten man chen Haus- oder Familiennamen sechzigmal und öfter im Hauptbuch Johann Pam mers finden. Die Kunden stammten aus verschiedenen Berufsgruppen, aus verschiedenen Zweigen der Wirtschaft. Ob aber Bauer, ob Knecht, ob Handwerker oder Arbeiter,

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