OÖ. Heimatblätter 1998, 52. Jahrgang, Heft 3/4

T»5Fr Beilage: Register zu den Jahrgängen 42 (1988) - 51 (1997)

OBEROSTERREICHISCHE 52. Jahrgang Heft 3/4 Herausgegeben vom Institut für Volkskultur Adolf Brunnthaler „Eines Herzens und eines Sinnes! ..." - Anton Schosser und das Jahr 1848 Michael Kurz „Weil das Jahr 1848 ein besonders Merkwürdiges gewesen ist..." Das Salzkammergut vor 150 Jahren anhand der Erinnerungen eines Holzknechts Michael Pammer Die Mappe meines Großvaters Franz Zamazal 1875: Orgelweihe in St. Florian Das Festprogramm, die Mitwirkung Anton Bruckners, das Presse-Echo, die Quellen Elmar Oberegger Zur Geschichte der ersten Lokalbahn Österreichs: „Die Kremstalbahn" von 1880 bis 1906 Josef Demmelbauer EU-Osterweiterung: Reminiszenzen an die Donaumonarchie Hofrat Prof. Dr. Katharina Dobler - 80 Jahre Der Maler Alois Lebeda (1871-1953) - Hans Sperl Othmar Wesselys Forschungen zum Musikleben Oberösterreichs - Karl Mitterschiffthaler Buchbesprechungen Register zu den Jahrgängen 42 (1988) - 51 (1997) - Herbert Bezdek

Medieninhaber: Land Oberösterreich Herausgeber: Institut für Volkskultur Zuschriften (Manuskripte, Besprechungsexem plare) und Bestellungen sind zu richten an den Schriftleiter der OÖ. Heimatblätter: Dr. Alexander Jalkotzy, Institut für Volkskultur, Spittelwiese 4, 4010 Linz, Tel. 0 73 2 / 77 20-56 40 Jahresabonnement (2 Doppelnummern) S 160,- (inkl. 10% MwSt.) Hersteller: Druckerei Rudolf Trauner Ges.m.b.H., Köglstraße 14, 4020 Linz Grafische Gestaltung: Mag. art. Herwig Berger, Hafnerstraße 19, 4020 Linz Für den Inhalt der einzelnen Beiträge zeichnet der jeweilige Verfasser verantwortlich Mitarbeiter: Konsulent Ing. Mag. Herberl Bezdek Nitälstraße 28, 4040 Linz Mag. Adolf Brunnthaler Promenade 20, 3335 Weyer Hon.-Prof. Dr. Josef Demmelbauer Parkgasse 1, 4910 Ried im Innkreis Michael Kurz Goisern 563, 4822 Bad Goisern Mag. Karl Mitterschiffthaler Rechte Wienzeile 99, 1050 Wien Mag. Elmar Oberagger 4642 Sattledt 49/7 Michael Pammer Johannes-Kepler-Universität, Altenberger Straße 69, 4040 Linz Dr. Hans Sperl Nikolaus-Otto-Straße 20, 4020 Linz Dr. Franz Zamazal Knabenseminarstraße 33, 4040 Linz Alle Rechte vorbehalten Für unverlangt eingesandte Manuskripte über nimmt die Schriftleitung keine Haftung ISBN 3-85393-082-4 K UiTU R lAND OBEROSTERREICH Titelbild: Brucknerorgel St. Florian. Foto: Archiv

„Eines Herzens und eines Sinnes!../' - Anton Schosser und das Jahr 1848 Adolf Brunnthaler In der Sammlung des ehemaligen Heimatzimmers Losenstein haben sich einige Gegenstände aus dem Privatbe sitz des oberösterreichischen Dichters und Musikers Anton Schosser (18011849) erhalten. In der Brieftasche Schos sers fand sich das Fragment eines inter essanten Briefes, das schlaglichtartig ei nen kurzen Einblick in die Situation des Sommers 1848 gibt. Es handelt sich um ein Schreiben von Dr. Ernst Krakowizer an Anton Schosser vom 11. Juli 1848. Die folgende Brief-Übertragung übernimmt die Rechtschreibung und Zeichensetzung des Originals, die An merkungen (mit § gekennzeichnet) stammen von Krakowizer: Seite 1 Antwort auf das Ersuchschreiben um Vorlage der Losensteiner Dankadresse an den Ausschuß der Bürger-Nationalgarden u. der Academischen Legion zur Aufrechthaltung der Ordnung und Sicherheit, und zum Schütze der Volksrechte Doktor Ernst Krakowitzer an Anton Schosser in Losenstein Wien am 11. des Heumondes Quli) 1848 Lieher Freund! Schön Dank für das mir geschenkte Vertrauen! - Was machst Du denn für Entschuldigungen: „wagen" und „so kühn sein zu schreiben" - als ob Du vor einem Vollbluthofrathe in des seligen Metternich Zeiten antichamhrirtest? § Haben wir nicht mitsammen gekriegt §§ und smellirt? § 2 und wenn auch das nicht wäre, bin ich nicht Euer Landsmann und folglich verpflichtet Euren An liegen so viel als möglich dienlich zu sein? - Also absque § 3 nächstens mit den Höflichkeiten! Wozu denn? Die Wiener sind ja keine Gnadenspender, sie thun nur das, was sie als echte freie Männer thun müssen; sie verdienten es gar nicht, daß sie die liebe Herrgottssonne beschiene. § Hofmachen in aller Unterihänigkeil §§ gemütlich beisammen sein und trinken §2 Bruderschaft getrunken §3 weg damit.

Seite 2 wenn sie nicht unablässig bemüht wären, ihre Kräfte dem Wohle des Vaterlandes zuzuwenden, da sie das Schicksal einmal als Vorhut auf den günstigen Posten gestellt hat. - Davon werden wir un ter keinen Umständen ablassen. Aber das müßt Ihr wissen, daß es uns so recht bis ins Herz hinein wohl thut, und unsren Math immer höher spannt, wenn da droben von den schlichten körnigen Bergleuten her verlautet, wie sie mit uns einverstanden seien. Kein Ehrenmann muß etwas des blo ßen Lobes wegen thun. Aber wenn man über etwas, das Lob eines Ehrenmannes erhält, so müßte man ein Klotz sein, wenn einem nicht das Herz vor Freude hell aufschlüge! - Also: Lines Herzens und Lines Sinnes! - Zusammenhalten wollen wir auch fürder §; und dann mögen § fernerhin Seite 3 uns in Innsbruck mit lOmal so viel §2 aristokratischen Tröpfen und jesuitischen Schleichern umgarnen, wir werden ihr Truggewebe durchreißen, und durch ihren Wi derstand um so schneller ans Ziel kommen. - Nun habe ich Dir viele schöne Versprechungen gemacht. - Leider wird davon kein Hungeriger satt. Ich wollte nur man könnte in gewissen Sachen alles übers Knie brechen. Aber die Teufelsnaturgesetze! - Mir hats schon lange Jahre durch die Seele geschnitten, wie man so dumm, und so schlecht sein kann, viele tausende fleißiger, wohlhabender, zufriedener Bürger durch übelverstandenen Ligennutz zu Proletariern § 3 umzuwandeln, doch meine ich, das Ziel Eurer Prü fung ist gesteckt. - Der constituierende Reichstag, Seite 4 der nun das Reichsgrundgesetz zu beschließen hat, wird freilich Eurer Noth noch kein Ende machen können. Aber der nächste gesetzgebende Reichstag wird sich vorzüglich mit Industrie, Handel und Zollwesen befassen müssen; denn da drückt der Schuh am meisten, und da wird auch für Luch eine bessere Zukunft anbrechen. - Bis dahin Geduld! - Über Nacht kommt nichts! - Wenn wir nur se hen, daß es nicht rückwärts geht, so wollen wir uns gerne bescheiden. Und Deutschland wird uns ja auch nicht im Stiche lassen. Für keinen Lrwerbszweig ist der Anschluß an dasselbe so segenbrin gend, als für die Eisenindustrie. Erzherzog Johann könnte jetzt viele, viele Sünden gut machen. - Wir wollen hoffen, daß er es thue, und bis dahin unsern Jubel.. Aus dem Text geht hervor, daß es ren revolutionären Einsatz bedanken, also auch ein Schreiben von Schosser an Ahnliches hatte sich schon im März Krakowizer gegeben hat. Die Losenstei- 1848 begeben, als eine Abordnung Lin ner wollten sich bei den Wienern für de- zer Bürger nach Wien reiste, um sich bei

■^ >?''' / .* "^fAusschnitt des Schreibens von Dr. Ernst Krakowizer an Anton Schosser vom 11. ]uli 1848. Kaiser Ferdinand für dessen Verspre chen, eine Verfassung zu gewähren, zu bedankend Vermutlich hat Anton Schosser in seinem Brief auch auf die ungünshge Si tuation der Kleineisenindustrie des Ennstals, hier zeichnete sich bereits ein einschneidender Strukturwandel ab, und die schlechte wirtschaftliche Lage der gesamten Bevölkerung hingewiesen. Der Arzt Dr. Ernst Krakowizer wurde in Spital am Pyhrn geboren und war 1848 fiauptmann der Wiener Stu dentenlegion. Nach dem Zusammen bruch der Revolution wurde er verfolgt und flüchtete über Wels und Vöcklabruck nach Deutschland. Am 28. Mai 1850 verließ er mit dem Segelschiff „He lena Sloman" Europa.^ Schosser war zwar ein bekannter Musiker und Dichter, darüber hinaus hatte er aber auch eine gute schulische Ausbildung, zum Beispiel vier Jahre Melker Stiftsgymnasium, genossen. Als Landvermesser war er bekannt und viel beschäftigt, einige Pläne, einer aus dem Juni 1848, haben sich erhalten. Er könnte in diesen Revolutionsmonaten für die Losensteiner Nagelschmiede und Bau ern den Schriftverkehr mit Wien über nommen haben. Das gesamte Jahr 1848 verbrachte er bei seiner Schwester, die ein kleines Häuschen in Losenstein be wohnte. Gerade in diesem Jahr dichtete An ton Schosser zahlreiche seiner Dialekt lieder. Es sind vor allem jene, die heute zwar überhaupt nicht mehr gesungen werden, deren Texte aber überaus inter essant sind. Im Jänner dieses Jahres entstand das achtstrophige Lied „'s 1847er Mostjahr". Schosser thematisiert hier die schlechte Wirtschaftslage kurz vor der Revolution. Trotz einer guten Getreideernte gab es hohe Brotpreise, es folgte auch eine gute Mostobsternte. In der ersten Strophe heißt es: Die Zeit'n sand irauri, Das Troadl steht höh, ' Das Jahr 1848 in Oberösterreich und Hans Kudlich (Katalog). Sonderausstellung im Schloßmuseum Linz vom 13. Juli 1978 bis 22. Oktober 1978. Linz 1978, S. 13. ^ Lehr Rudolf: Landes-Chronik Oberösterreich, 3.000 Jahre in Daten, Dokumenten und Bildern. Wien - München 1992, S. 227.

Sie gebn schon a Zeit her koan Ruah! Sie wem halt koan Most hahn, sonst könnts gar nid seyn, So a damische Gschicht fallt koan Mosttrinka Is r, |w ohräli frri® er Setju^ftn/itin am ZJani ISOI Sfft.juilf_i|r am 26Jali18« , ■ . Schosser-Grabmal am Steyrer Friedhof. D'Arhat, die zahln's hiarz gar schlecht! - Denn G'schäft und Verkehr kemmand eh völli ao, Das g'fallt mir schon lang nimmer recht. Seit's Dampfschiff und d'Eisenhahn alles verführn, Will sich auf der Eisenstraß gar nix mehr rühm. In Strophe sieben kommt er auf die Situation in der von Osterreich besetz ten Lombardei zu sprechen: Von Weilischland (Italien) lest ma In Zeitungen viel, Da gehts nid recht richti hiarz zua! - Sand AU in der Heh, hahn koan Maß und koan Ziel, Sehr wahrscheinlich bezieht sich Schosser hier auf den sogenannten „Zi garrenrummel" am 1. und 2. Jänner 1848 in Mailand, mit bluhgen Ausschreitun gen auch in Padua und Brescia. Der im Brief angesprochene Fürst Metternich (1773-1859) war am 13. März 1848 abgedankt und am nächsten Tag über Brüssel nach London geflohen. Ab 1851 war er wieder in Wien. Am 17. Mai 1848 flüchtete Kaiser Fer dinand von Wien nach Innsbruck, wo er am 20. Mai das Manifest „An meine Völ ker" herausgab. Deshalb die Anspielung Krakowizers auf die „aristokratischen Tröpfe" und „jesuitischen Schleicher" in Innsbruck. Am 25. Mai hätte die Akademische Legion aufgrund der Studentenunruhen aufgelöst werden sollen. Am folgenden Tag errichteten die Studenten zusammen mit der Wiener Bevölkerung Barrikaden in der Innenstadt, worauf die Regierung die Verfügung zurücknahm. Das Militär zog aus Wien ab, ein Sicherheitsaus schuß übernahm die Verwaltung in Wien. Seine ersten Leistungen waren der Zehnstundentag, Lohnerhöhungen und die Genehmigung zur Gründung eines Arbeitervereines. Am 18. Mai waren fast 600 Abgeord nete in der Frankfurter Paulskirche zur Nahonalversammlung zusammengetreSchindler Julius Alexander: Anton Schossers nachgelassene Gedichte in der Volksmundart des Traunkreises. Steyr 1850, S. 74-77.

ten. Am 29. Juni wurde der im Brief er wähnte Erzherzog Johann (I782-I859) zum Reichsverweser gewählt. Am 5. Juli proklamierte Johann die Annahme sei ner Wahl und kündigte an, den Reichs tag in Wien am 18. Juli zu eröffnen. Gleichzeitig erfaßte die Revolution aber auch die Provinzen der Habsbur germonarchie. Waren 1845 noch 103 Nagelschmied meister mit 400 Gesellen und 515 Zunft arbeitern in Losenstein beschäftigt gewe sen, sank deren Zahl bis 1847 auf nur mehr 68 Meister und etwa 300 Gesellen.'' 1847 wurde auch eine neue Zunftord nung erstellt und die Losensteiner Si chel- und Nagelschmiede mit denen von Arzberg (Reichraming) vereinigt. Der Anfang vom Ende des einst glorreichen Handwerks begann sich abzuzeichnen. Der Losensteiner Pfleger war damals ziemlich machtlos gegen die revoltie rende Bevölkerung, die sich von der „Obrigkeit" nichts mehr gefallen lassen wollte. Im Ennstal ging es aber weniger um große politische Visionen, sondern vielmehr um die Befriedigung der Grundbedürfnisse, um die ausreichende Versorgung der Menschen mif Nahrung. Die Nagelschmiede und Bauern sollen 1848 im Reichraminger Hintergebirge am hellichten Tag regelrechte Treibjag den auf Wild veranstaltet und die Jäger verprügelt haben. Dabei waren bis zu hundert Wildschützen beteiligt.' In Schossers Gedicht „Der Zwöschpenrummel" (8 Strophen) vom August 1848 geht es um diese Wilderer, aber auch um die Revolutionsereignisse (Strophen 2, 3, 4 und 6): In Berg'n lebt Alls sand, A4a hört hiarz allahand, . ■ Anton-Schosser-Denkmal in Losenstein. Ganz' Schaar'n mit der Büchsen Geh'n hiarzund mit'nand. Die Wirthsleut' klag'n sich sehr, Sie zahln kan Steuer mehr; Beim Bauern trettens 'Böd'n durch - War seihst hei der Malehr. D'Fleischhaker-Herren klag'n, Es is gar nid zum sag'n: Frißt Alles lauter Wildprat, Sie künnen nimmer schlag'n. '' Brunnthaler Adolf: Losenstein. Losenstein 1995, S. 139. ' Lehr: Landes-Chronik Oberösterreich, S. 229, und Brunnthaler: Losenstein, S. 199.

Hiarz is der Herrenstauh, Dens gmoani hab'n, wiar i glaub; Besonder's jagn's die Groß'n, Es fragt Neamd um Verlaub.'' Zu Anton Schossers Bekanntenkreis zählte unter anderem auch Herzog Ma ximilian von Bayern, von dem er eine goldene Medaille erhielt. Sein bester Freund war der Schriftsteller Julius Alex ander Schindler (1818-1885), der sich selbst Julius von der Traun nannte. Schindler gab nicht nur die Werke aus Schossers Nachlaß heraus und verfaßte dazu ein „gepfeffertes" Vorwort, das be reits bei der zweiten Auflage zensuriert wurde, er war auch einer der radikalsten Demokraten der Revolution 1848. ... Es kann dem Dichter ganz gleichgiltig sein, ob blasirte Herren und abgelebte Damen seine Alpenklänge gebrauchen wie eine Wolken kur, zum Heile ihres schwindsüchtigen oder tu berkulösen Geschmackes... Wenn es auch in allen Ständen Naturen gibt, die das Edle in jeder Form erkennen und mitempfinden, die haute volee, die sogenannte creme der Gesellschaft, der noble Pöbel ist gewiß daran am ärmsten.'' Schindler traf am Abend des 25. Ok tober 1848 mit dem „Bauernbefreier" Hans Kudlich (1823-1917) im Hotel Post in Steyr zusammen. Kudlich war damals unterwegs, um den Landsturm von Ober- und Niederösterreich für den Kampf um Wien anzuwerben. Er erhielt in Steyr Nachricht von der schlechten Lage in Wien und vom Plan seiner Ge fangennahme.® Am 31. Oktober wurde in Wien die innere Stadt von den k. k. Truppen des Feldmarschalls Windischgrätz erstürmt. Die Truppen leisteten sich brutale Uber griffe auf die Bevölkerung, sehr schnell wurden auch die prominenten Anhänger der Revolution verfolgt. Im November verfaßt Schosser sein Gedicht „Kraut und Rub'n", von den sechs Strophen sei die erste angeführt: Kraut und Rub'n hab'n heuer grath'n, ja! Aft die Tschechen und nacher d'Krawat'n, ja! Die Zeitungen than gar viel b'richten, ja! Viel Lugen und wahrhafte Gschichten, ja! Es iß oft das Zehnte kam wahr, Gibt viel Kraut und Rub'n in dem Jahr,'' In seinem Vorwort nimmt Julius Alexander Schindler auch zur politi schen Meinung Schossers Stellung: ... ,so sei hier nicht vergessen, daß er ein Freund und Schätzer des Volkes und voll edlen Gefühles für Recht - daher entschieden freisin nig und ein Feind aller Ubergriffe von Oben und von Unten war. Mit Schmerz nahm er die Politik jener übermüthigen Partei wahr, die, alle Schranken brechend, Österreich rückwärts drängen möchte in „die wohligen Tage Franz des Ersten".^" Im Jänner 1849 erschien endlich eine Ausgabe von Anton Schossers Liedtex ten mit einer Vorrede des Autors und ei nem wertvollen Verzeichnis schwieriger ^ Schindler: Schossers nachgelassene Gedichte, S. 69-73. ^ Ebd., S. 17 f. ® Das Jahr 1848 in Oberösterreich und Hans Kudlich (Katalog), S. 59. ' Schindler: Schossers nachgelassene Gedichte, S. 95. " Ebd., S. 54.

Dialektausdrücke." In dem Buch waren aber noch keine Noten und keines der politischen Lieder enthalten. Im März 1849 schrieb er das Gedicht „Die hiarzi Zeit" (6 Strophen), das noch einmal Bezug auf die Revolution und ihre Folgen in Osterreich nimmt, davon die vierte Strophe: Stat der Redlikeid Regiert d'Falschheid, Will a jeder hiarz sein eignan Herrn abgeh'n Seihst von Geistlingstand hört ma allakand - Wem viel Schröcklich's kürzli na erleb' Wenige Monate darauf wurde Schosser krank und starb nach nur ei nem Tag Aufenthalt im Steyrer Kranken haus am 26. Juli 1849. Ein Lungenge schwür war aufgebrochen. Ein Leben lang hatte er an Tuberkulose, damals als „Schwindsucht" die Krankheit der armen Leute, gelitten. Die Nationalgardeschützen von Steyr, ein Produkt der Revolution, und seine Freunde, darunter Julius Alexander Schindler, begleiteten Anton Schosser feierlich zu Grabe. Schosser Antorr: Naturbilder aus dem Leben der Gebirgsbewohner in den Grenzalpen zwi schen Steyermark und dem Traunkreise. Linz 1849. Schindler: Schossers nachgelassene Gedichte, S. 65.

„Weil das Jahr 1848 ein besonders Merkwürdiges gewesen ist..." Das Salzkammergut vor 150 Jahren anhand der Erinnerungen eines Holzknechts^ Von Michael Kurz Leopold Scheutz wurde 1806 in der Ortschaft Steinach in Goisern als Sohn einer protestantischen Holzknechtsfamilie geboren. Sehr interessiert an seiner Zeit und seinem Umfeld, fing er schon früh an, ein kleines Büchlein zu führen, wo er die Ereignisse und Begebenheiten festhielt. Im Jahre 1848, gedrängt vom raschen Ablauf der Dinge und im Bewußtsein, eine „historische" Epoche mitzuerleben, begann er seine Aufzeichnungen erneut. Anhand seiner Chronik kann man genau rekonstruieren, was die Bewohner des Salzkammergutes damals bewegte. Einzigartig ist sie deshalb, weil sie „aktuell" geschrieben wurde, das heißt Monat für Monat. So fängt sie die Euphorie der März tage genauso unmittelbar ein, wie die Enttäuschung der Oktobertage. Direkte Auswirkungen gab es hier - wie generell in Oberösterreich - keine. Die Holz- und Salzarbeiter, groß an Anzahl und wegen ihres politischen Gewichtes und ihrer traditionellen Illoyalität^ gefürchtet, verhielten sich ruhig. Vielmehr wollen wir uns mit den Einwirkungen der Revolution beschäftigen, mit der großen Politik, die den „kleinen Mann" beeinflußte. Verwundert betrachteten die Zeitgenossen, was sich in Europa abspielte; aber auch in der engeren Heimat blieb bald kein Stein mehr auf dem anderen: Das Jahr 1848 war ein Wendepunkt, der die nachfolgende Geschichte nachhaltig prägte. Wie überall gingen der Revolution einige ungünstige Jahre voraus: Im Salz kammergut verzeichnete man 1845 eine sehr schlechte Ernte. Das Getreide konnte fast nicht eingebracht werden, da es fast ununterbrochen regnete. Wetterkapriolen kamen hinzu: Im Februar war es sehr kalt, im Sommer nach ausgedehnten Regenfäl len so heiß, daß Pferde beim Traungegenzug verendeten. 1846 war das Getreide ebenfalls nicht ergiebig und die Kartoffeln verfaulten. Der Winter 1846/47 war lang; es schneite bis zum I. Mai. Ende des Monats beendete ein Hagelunwetter die milden Pfingsttage und zerstörte den Großteil der Felder. Bereits Anfang September fiel wieder Schnee. Es war allerdings ein gutes Obstjahr, und mancher Baum wurde von der Last der Frucht und des Schnees zusammengedrückt. Leopold-Scheutz-Chronik. Tagebuch eines Goiserer Holzknechtes 18I7-I819, hrsg. vom Heimatver ein Bad Goisern, 1995, maschinschriftl. 46. S. Immer wieder kam es zu Aufständen und Zusammenrottungen, zu erwähnen ist z.B. der berühmte Salzaufstand der Jahre 1601/02; vgl. Scheichl, F., Der Aufstand der protestantischen Salzarbeiter und Bauern im Salzkammergut 1601 und 1602, Linz 1885.

Die Inflation fraß die gleichbleibenden Löhne und trieb die Preise in die Höhe: 1845 kostete ein Metzen (= ca. 60 1) Weizen in Gmunden 11 Gulden 50 Kreu zer, 1846 14 Gulden 50 Kreuzer, 1847 zu Ostern 16 Gulden und Ende April sogar 21 Gulden 15 Kreuzer. Das entspricht einer Teuerung von nahezu 80% in zwei Jah ren! „Weil das Jahr 1848", beginnt nun Leopold Scheutz seine Ausführungen, „ein besonders Merkwürdiges gewesen ist, so will auch ich den Anfang ganz besondere Aufmerksamkeit schenken. Und meine Chronik aufs neue anfangen, und will es nach meiner einfachen Art und Weiße als ein kleiner Beobachter alle Begebenheiten, von Jahr zu Jahr aufzeichnen, wie ich es vorhin gethan habe. Weil immer bedenkli chere und aufmerksamere Jahre herzutretten. Ich bin gesonnen alles genau, nie etwas zu viel oder zu wenig aufzuzeichnen bis ich zu meinen Vättern versammelt werde."^ „Nicht mit Worten von der harten Winter Stürmen, nehmen wir den Anfang vom Jahr 1848. Sondern merkwürdige Auftritte finden statt in den ersten Tagen die sen angefangenen Jahres." Schon im Jänner drangen Meldungen von Mailand ins Salzkammergut, „wo eine zimlich große Refolution ausbrach, wo auch etliche Solda ten ihr Lebens verlustig wurden". Die Dinge kamen ins Rollen, die Ereignisse über stürzten sich, täglich erfuhr man Neuigkeiten. Im Februar stiegen die Pariser auf die Barrikaden, der König mußte zurücktreten und der Republik Platz machen. Die Welle schwappte über nach Süddeutschland, wo radikale Bürger ihre Rechte einfor derten. „Noch war es im Vatterlande ruhig. Obwohl die Theuerung groß und der Druk der Zeit hart war" erinnert sich Scheutz. „Allein heimlicher Weise wurde fort gearbeitet an der neuen KonstituHon. Oder wie gesagt an besseren Grundsätze, die für das ganze Volk zwekmäßiger begründet." Diese Petition wollten die Bewohner Wiens dem Kaiser vorlegen, wurden aber daran gehindert. Als ein General Schießbefehl erteilte, waren die Menschen nicht mehr zu halten. „Jetzt rüstete sich das Volk zur Gegenwehr, da sie vorher noch immer gewehrlos dastunden." Die Bürger bewaffneten sich und konnten die Ober hand gewinnen. Kaiser Ferdinand I. wurden die Artikel der neuen Verfassung vorge legt: gänzliche Preßfreiheit, - Abschaffung der Stokprügel, - vollkommene Lehrund Lernfreiheit, - Errichtung einer Nationalgarde" etc. „Diese und mehr anderen Artikel wurden Sr. Mayestät dem Kaiser Ferdinand vorgelegt, die er aber am 15ten März 1848 durch großes Vivat rufen unterzeichnete." Ferdinand, mit dem Beinamen der Gütige, war der Situation nicht gewachsen und fügte sich. Osterreich war damit zu einer konstitutionellen Monarchie geworden! Innerhalb kürzester Zeit machte dies die Runde. „Sogleich wurde die neue Konstitution in alle Profinzen der Oster reichischen Monarchie ferbubliziert, wo es auch bey uns in Goisern am 26ten März unter der schönsten Musik, Pöller Schüssen und Trommelschlag verbubliziert wurde." Alle Quellen werden in Originalschreibweise wiedergegeben.

Unser eifriger Holzknecht führte hoffnungsfroh und im Bewußtsein, etwas „Historisches" miterlebt zu haben, seine Feder. „Kein solches Jahr findet man in kei ner Weltgeschichte, wie in diesem Jahr 1848. Alle Thronen Deutschlands waren gestürzt und verändert, und kein Monarch konnte nicht mehr nach eigener Wüllkühr handeln, sondern mußte sich unter der Gewalt des Volkes beugen" läßt er das erste Drittel des Jahres pathetisch ausklingen. Dem kalten Winter mit rauhen Winden folgte ein ausgesprochen angeneh mer Frühling im Salzkammergut des Jahres 1848. Chronist Scheutz läßt uns wie derum wissen, daß es „schon 14 Tage vor Georgi bücheres Laub" gab. Es trieben also bereits um den 24. April die Buchen aus. Auch Kornähren reiften schon heran, „was doch äußerst selten der Fall ist". Am 23. April feierte man das Osterfest. Über all den großartigen und unglaublichen Nachrichten, die aus ganz Europa in seine Heimat drangen, vergaß Scheutz nie, die Kleinigkeiten des täglichen Lebens zu notieren, die ihm vermutlich viel näher standen: Witterung und Preise. „Die Theuerung ließ auch ziemlich nach ... der Brodleib kostete 33 Kreuzer, das Pfund Butter 54 Kreuzer, das Pfund Schmalz 1 Gulden 4 Kreuzer...", führt er aus. Wichtig waren die Kosten für die dringend benötigten Lebensmittel wie Kartoffeln, Mehl, Schmalz, Butter und Brot. Obwohl die Preise sanken, war doch für einen Brotlaib mehr auszulegen, als ein durchschnittlicher Tagelöhner verdiente. Viele Familien litten Not, denn vorerst hatte sich nichts verbessert. Hoher Besuch stand dieser Tage im Salzkammergut an: Kaiser Ferdinand machte Zwischenstation auf seiner Flucht nach Tirol. „Auch reiste mittelst May Sr. Majästät Kaiser Ferdinand aus Wien mit seinem ganzem Hofe wegen großen Unru hen ins Tyrol, wo sich aber in 13 Tagen hernach die 2te große Refolution anfangte... Ungewis und nichts bestimt." Trotz der überstürzten Abreise wurde man in Ischl über den Aufenthalt seiner Majestät schon vorher genau in Kenntnis gesetzt, um Vorsichtsmaßnahmen zu ergreifen. Dem Kaiser überreichte man bei seiner Ankunft ein Dokument, wo ihm die vollständige Loyalität der Salzkammergut-Bevölkerung versichert wurde. Dem Monarchen folgten zahlreiche Adelige, die sich vor den Unruhen in der Hauptstadt ins friedliche Salzkammergut flüchteten. Dies führte zu beißendem Spott in den nach Aufhebung der Zensur entstandenen Blättern, die sich über den „hohen Gongress zu Ischl" lustig machten. Johann Nestroy behandelte dies ebenfalls in „Freiheit in Krähwinkel", wo er mit spitzer Feder den Ablauf von März bis Mai 1848 aufrollt. Diese Posse mit Gesang, im Juli des Jahres uraufgeführt, enthält auch ein Gouplet über die „Weltg'schicht", wo er den Hauptdarsteller Ultra singen läßt: „Eine Freiheit vereint uns, wie a Sonn' nur bescheint uns, g'schehn auch Umtrieb von Ischl..." Tatsächlich muß es in diesem Jahr nur so von Polizisten und Agenten gewimmelt haben, denn es wurde heftig gestritten, ob die hohen Herrschaften in den Bädern von einer eigenen Badepolizei bewacht werden sollten. Detaillierte Baderapporte und Meldungen über durchfahrende Fremde mußten die lokalen Behörden an höhere Instanz leiten. Den noblen Familien sollte ein höchstes Maß an Sicherheit garantiert werden. Ischl wurde deshalb auch in der Zeitung „G'rad aus" (Nr. 33, vom 20. 6. 1848) angeprangert: Es sei nur ein Ort, „wo Aristokraten und

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Reaktion sich aufhalten und die Garde nur die Aufgabe hat, Vagabunden, welche bei den Adeligen betteln, zu fassen, nächtliche Patrouillen zu unterhalten, damit die Aristokraten ihr fiaupt ruhig auf das Kissen legen können". Die Garde, die hier hart getadelt wird, war die Ischler Nationalgarde. Holzknecht Scheutz schweigt bemer kenswerterweise zur Aufstellung der Nationalgarden, doch mit Hilfe anderer Quel len kann man auch dies erhellen." In Ischl fanden sich schon im März etwa 140 Mann, die unter dem Kom mando des Apothekers Krupitz standen. Andere Orte im Salzkammergut folgten: St. Wolfgang stellte im Mai etwa 60 Mann auf, es folgte im Juni Ebensee mit 130 und im Juli Hallstatt mit 170. Gösau durfte keine Nationalgarde aufstellen, und interes santerweise war man sich auch bei Goisern nicht so einig. Der „Pfarrbezirk Goisern" mit allen Ortschaften beherbergte mehr als 1.000 Menschen, doch der Ort Goisern selbst nur 980. So reagierte man auf die Meldung über die Aufstellung einer Garde beim Traunkreisamt zuerst mit Verwunderung, doch nahm man es dann hin, da man die engagierten Bürger nicht vor den Kopf stoßen wollte. Unter dem Befehl des Arz tes Felix Perndanner formierte sich eine 90 Mann starke Abteilung, die mit „Kugel stutzen mit Hau-Bajonetten" ausgerüstet war, wie man stolz vermeldete. Nur wenige Nationalgarden verfügten über ausreichend Kapital. Die Bürgerwehr aus Hallstatt suchte um Unterstützung an, da „von 166 Mann nur 44 mit Stutzen, 122 aber noch unbewaffnet sind". Einer unter vielen war der später als „Bauernphilosoph" bekannt gewordene Müller Konrad Deubler, der damals die Felsenmühle in Hallstatt bewirt schaftete. Schon zu dieser Zeit wach für Neues und glühender Anhänger der Demo kratie, reihte er sich willig als Gardist in das Korps ein. Diese Garde gab den Bür gern erstmals das Gefühl von Eigenständigkeit und Autorität, worauf sie sehr stolz waren. ZahlreicheAufmärschebei Feierlichkeitenlegen Zeugnis davon ab. Als der Staat wieder erstarkte, geriet diese Truppe zu einem lästigen Relikt, schlief in den fol genden Jahren langsam ein und wurde 1850/51 entwaffnet. Vor allem aber fehlte es dem Staat 1848 an Geld. Schon vorher hatte die Monarchie einen gigantischen Schuldenberg angehäuft; für die Bekämpfung der Revolution und zur Konsolidierung des Kaisertums war eine kräftige Finanzspritze wichtig. Dringend benötigtes Kapital sollte die Verpfändung des Salzkammergutes liefern.' Schon im April 1848 traf eine Eilmeldung der Hofkammer im Münz- und Bergwesen beim Salzoberamt in Gmunden ein, möglichst schnell den Gesamtwert der Saline zu schätzen. Noch bevor dies erfolgte, setzte sich der Finanzminister bereits mit der Nationalbank ins Einvernehmen, eine auf das Salzkammergut besi cherte Anleihe zu emittieren. Der Vorgang war neu, es mußte erst ein Modus geschaffen werden, um dies zu verwirklichen. Schließlich eröffnete man wie bei jedem Grundstück ein Lastenblatt und trug dort eine Hypothek ein. Eine ganze '' Z. B. OÖLA, Landesregierungsarchiv, Sch. 172, Nationalgarde, lokale Chroniken wie: Urstöger, H.-J., Hallstatt-Chronik, Hallstatt 1994, S. 176 f.; Scheutz, H., Chronik von Goisern, Goisern 1949, S. 118, maschinschriftlich. ' Folgendes in: OÖLA, Landesregierungsarchiv, Sch. 148.

Region im „Pfandl"! Veranschlagt wurde die Summe von 75 Millionen Gulden, was in Stücken zu 50,100, 500 und 1.000 Gulden aufgeteilt bei vielen Banken zur Zeich nung auflag. Zum Vergleich: der Gesamtstand der Oesterreichischen Nationalbank betrug damals etwa 250 Millionen Gulden. Potentielle Käufer wurden mit einer Ver zinsung von vier bis sechs Prozent je nach Laufzeit angelockt. Allerdings hatten sich die Betreiber dieser Idee verschätzt: Der Markt nahm die Anleihe nicht an, es fehlte an Vertrauen in das von der Revolution gebeutelte Staatsgebilde. Schließlich mußte die Oesterreichische Nationalbank die Wertpapiere selbst kaufen und anstatt Kapi tal einzunehmen, Geld an die Regierung überweisen. Dies blähte die vorhandene Geldsumme enorm auf und führte zu einer Inflation, die nur noch mit Zwangskur sen bekämpft werden konnte.^ Die anwachsenden Schulden waren ein latentes Pro blem und blieben auch den Zeitgenossen nicht verborgen. Leopold Scheutz schreibt hierüber: „... und die Staatskosten wuchsen gewaltsam. So das sich die Statts Schul den auf II Hundert Millionen beliefen." Gerade die Militärausgaben stiegen unver hältnismäßig: 1848 betrugen sie ein Viertel der Staatsausgaben, 1849 aber fast die Hälfte! Im Hintergrund sammelten sich die Kräfte gegen die zerstrittenen Gruppen der Revolution. Dies war jedoch für den einzelnen nicht abzusehen, Kaiser Ferdi nand kehrte im August nach Wien zurück, und im Salzkammergut freuten sich die Leute über die reiche Ernte. fefi ^ocimilrtrc. 1000 * Sj'Mn co>T:Mo,rx, 2itif i'ici' aiioiuiic. H ^artial^jlfpotljpkar^JrlntunTuntt, ihir kflif. kD>iigL-I5fiirttQ-j£nih-iil'irii[rr in QRicn tinn {^cbrrtringfr birfrr ^driiah 5Ihpn{fjrkar-/Riiturirung iidd) uirr /HlDitdfni UDiii miftnQrljtntirn Hflgc an rjrrrdjnrf ITiiurfn^j iDuliJfii iTouurntiono^/niiiit^f. Wim Qirt 'T'ür die k- k- ST.\A.ts-Ccnir.\(-CAffi!- Tür «.•ItC priv- öp:- TAxionAl-lj^wnkAnleihe, auf Salzkammergut hesicherl. Vgl. Wysocki, Die österreichische Finanzpolitik, In: Wandruszka, A. und P. Urbanitsch (Hrsg.), Die Habsburgermonarchie I848-19I8, Bd. 1, Wien 1973, S. 68-104.

Die Erwartung wirtschaftlicher Besserung konnte aber nicht die Sicht ver stellen auf die politische Bühne. Im neugeschaffenen Vertretungsorgan herrschte „Reformstau". Schon im Frühjahr wurde der mit dem Salzkammergut eng verbun dene Onkel Kaiser Ferdinands, Erzherzog Johann, sowohl zum Vorsitzenden des österreichischen Parlaments bestimmt, als auch zum Reichsverweser im Paulskir chenparlament in Frankfurt. Die Sitzungen tagten fortwährend, doch anstatt sich mit Reformen und Zukunftsplänen zu beschäftigen, stritten die Abgesandten um die Verhandlungssprache. Es ging nicht recht weiter. Scheutz hiezu: „In Frankfurt wo die deutsche Nationalversammlung versammelt ist, herscht die größte Zwietracht, wo über 700 Debudierte beysamen sind, seids anfangs May und noch gar kein entscheidenter Blik vorhanden ist. Da wir doch schon im Monat September haben. Auch im Land-Tag in Wien gibt es noch keine Entscheidung, da sie doch schon seyd dem 18ten July beysamen sind." Ungeduldig harrten die Bürger auf Weichenstellungen für die Zukunft. Von viel größerer Bedeutung aber als die schleppenden Diskussionen in Wien und Frankfurt war eine Veränderung im September: „Bey den Salinen Amt, kam der neue Status zum Vorschein. Hier wurde wieder, was Karl Josef von Schüller 1825, das den Arbeitern abgenommene Familien Korn, wieder aufgerichtet, und den meisten Arbeitern der Lohn verbessert. Das Hofkorn wurde jetzt um 48 Kreuzer der Metzen bezahlt, wo vorher vom Status 1831 der Metzen um 1 Gulden 36 Kreuzer Silbergeld bezahlt wurde. Das Pfund Schmalz eher um 15 Kreuzer, jetzt aber um 10 Kreuzer, früher hatten die mehrsten 40 Pfund, das Jahr hindurch, jetzt aber die mehrsten 60 Pfund, und einige 48, einige 36 Pfund." Was war der Hintergrund dieser Maßnahme, wo die sonst so starre Saline eher schnell reagierte und Löhne und Preise neu festsetzte? Bereits im April schrieben die Hallstätter Kumpel an die Salinendirektion nach Gmunden:^ „...wir haben ausgehalten, solange wir konnten, daß aber Not kein Gebot kennt, und wir können kaum noch mehr die nötige Ruhe und Ordnung unter unseren Kameraden aufrechterhalten, wenn uns nicht bald gnädige Abhilfe zuteil wird." Das so wichtige Schmalz, so heißt es weiter, sei zu keinem Preis erhält lich. In der Salinenzentrale nahm man den Hilferuf, der unterschwellig drohende Konsequenzen und Folgen ausmalte, sehr ernst. Gerade in diesen turbulenten Tagen konnte man sich eine Unterbrechung der Salinenarbeit nicht leisten, erstens weil das Kapital aus dem Salzhandel zur Bewältigung der Krise unverzichtbar war und zwei tens weil eine Unruhe unter den Arbeitern zusätzlich Arger machte und die Auf merksamkeit der Behörden band. Die herrschende Situation ließ an die Vergangen heit gemahnen, wo Zusammenrottungen zu regelrechten Aufständen führten.® Der Umsichtigkeit des damaligen Salinendirektors Karl von Pietzner ist es zu verdanken, daß sich die Situation entspannte und eine Revolution im Salzkammergut, die ' Folgendes bei OÖLA, Traunkreisarchiv, Sch. 18. ® Die vorwiegend protestantischen Beschäftigten standen gerade in der Zeit des Geheimprotestantis mus schon automatisch in Opposition zum Kaiserhaus, was eine traditionell politische Sensibilität bewirkte.

wegen der großen Anzahl der Arbeiter und ihrer Entschlossenheit möglich gewesen wäre, unterblieb. Er erfuhr, daß eine Demonstration mehrerer hundert Arbeiter in Ischl für den Pfingstsamstag geplant war, und durch das tatkräftige Eingreifen maß geblicher Personen konnte diese Eskalahon gerade noch abgewendet werden. Sodann überlegte man sich, wie die Bevölkerung beruhigt werden konnte. Sowohl aus humanitären als auch aus praktischen Überlegungen war eine Änderung gebo ten. Schließlich besann man sich auf alte Privilegien der Salinenbediensteten, die ihnen im Jahre 1825 aberkannt wurden: Mit Wirkung vom September 1848 wurden neue Limitopreise (Höchstpreise) eingeführt, den Familien wiederum gratis Getreide zugestanden. Außerdem verbesserten sich die Löhne. Anstatt beispielsweise 15 Kreuzer für ein Pfund Schmalz bezahlten die Käufer nun 10, und anstelle von 40 Pfund Schmalz pro Jahr bekamen die meisten nunmehr 60. Diese weise Vorgangsweise der Salinenleitung befriedigte die Arbeiter und ließ sie aus dem revolutionären Potential ausscheiden. Genau wie die Bauern und Bürger anderswo, war diese Bevölkerungsgruppe nach dem Erreichen gewisser For derungen bzw. nach Änderung von Mißständen nicht mehr bereit, sich an den nach folgenden revolutionären Handlungen zu beteiligen. Spontan nach Bekanntwerden dieser Neuerungen bildete sich eine Menschenmenge, um dem Salinendirektor Pietzner ihren Dank abzustatten. Der Traunsee war gefüllt mit festlich bekränzten Booten, die unter Fackelbeleuchtung dem Wohnhaus des Wohltäters zustrebten. Der Schiffskorso hielt vor der Dienstwohnung, ein Dankestransparent wurde entrollt und unter vielfältigen Böllerschüssen und Glück-auf-Rufen verkündeten die Men schen ihre Freude und ihre Dankbarkeit. Von anderswo drangen weniger erfreuliche Neuigkeiten herein: „Großes und wunderbares und seltsames gibt es in dieser Jahres Zeit 1848. In Italien herscht der graußamste Krieg zwischen Osterreich und Piedmondesern und Italienern, wo die Kanonen krachen, als wenn die Welt zusammen fallen wollte. Und so viele 1.000 Menschen ihr Grab finden". Unter vielen bangten auch einige Familien aus dem Salzkammergut um ihre Söhne. Im Salzkammergut gab es eine lange Tradition, daß die männlichen Bewoh ner vom Kriegsdienst ausgenommen waren. Nur in sehr seltenen Fällen (Ungehor sam) zog man junge Männer zu den Waffen. Im 19. Jahrhundert änderte sich dies, da die Bevölkerung ausreichend angewachsen war, um einen Engpaß in der Produktion durch den Wegfall Militärpflichtiger zu vermeiden. Ab den Napoleonischen Kriegen scheint es fast zur Regel geworden zu sein, daß Jugendliche ins Heer kamen. Für unsere Region war vor allem das Infanterieregiment Nr. 59 in Salzburg (zuerst „Großherzog von Baden", danach „Rainer") und Nr. 14 in Linz („Hessen") Ergän zungsbehörde. Oftmals betrug der Dienst bis zu zehn Jahren. Ein junger Goiserer namens Johann Schilcher war bei der Belagerung Mai lands unter dem legendären Marschall Radetzky dabei, dem Johann Strauß nach seinem Sieg den allseits bekannten Radetzkymarsch widmete. Er schildert uns in einem Brief an seine Eltern vom Spätsommer 1848 seine Erlebnisse. Begonnen hatte ^ Privatbesitz bei den Nachkommen Stieger, Bad Geisern.

das Ganze mit dem „Mailänder Zigarrenrummel" im Jänner: Die Italiener weigerten sich, die hoch besteuerten Glimmstengel aus Österreich zu rauchen und boykottier ten die Händler. Die dort stationierten Soldaten rauchten deshalb umso mehr („Jeder anständige österreichische Soldat raucht!") und provozierten die Bürger. Bald kam es zu Handgreiflichkeiten und Gewaltakten, bis ein allgemeiner Aufstand ausbrach und die Armee eingesetzt wurde. Schilcher führt aus: „Die Urheber der ganzen Revolution und des Krieges waren die Fürsten des lombardisch-venetianischen Königreiches ... ihr Plan war nämlich, das kaiserliche Militär ... gefangen zu nehmen ... und ... eine Republik zu machen ... Und so kam am 21. März der Befehl von unserem weisen Feldherren (Radetzky) vorzurücken. Den 22. marschierten wir nach Mailand, wo schon Tag und Nacht ohne aufhören gefeuert wurde." Die Trup pen eroberten Mantua, Vicenza und Verona, Mailand fiel erst im August in ihre Hände: „Am 4. 8. kamen wir gen Mailand, wo sich der Feind ... bis auf den letzten Blutstropfen verteidigen sollte." Die Situation für die Verteidiger war nun aussicht los, es wurde Frieden geschlossen. „Der Feind zog bei der Nacht ab und wir am 6. 8. mit Musik in die Stadt ein." Hier fand Johann Schilcher endlich Zeit, den Verwand ten zu Hause nach längerem Schweigen seine Erlebnisse zu schildern. „Ich war 3 Tage und 3 Nächte ununterbrochen dem Gewehr- und Kanonenfeuer ausgesetzt und mir ist nicht ein Haar gekrümmt worden, daß man glaubt, Gott wirkt Wunder ... Darum liebst Eltern erweist dem Höchsten Dank für mich." Schilcher erkundigt sich noch nach den Zuständen zu Hause und bittet die Eltern um ein paar Zeilen. Offensichtlich blieb sein Regiment noch einige Zeit als Besatzung in Mailand statio niert, da noch vom Juli 1849 ein Schreiben seiner Familie an ihn erhalten ist. Nun, da die Revolution im peripheren Italien niedergeschlagen war, hatten die restaurativen Kräfte ausreichend Kraft gesammelt für weiteres Vorgehen: „Geneigter Leser", so spricht uns Leopold Scheutz im Oktober 1848 direkt an, „Mit schreken der Verzweiflung ergreife ich die Feder, ob die junge Freiheit nicht unter die Füßen zertretten wird, und zu Boden geworfen. Nachdem der Krawall oder die Refolution zum dritten Mahl begonnen hat..." Nach der März-Revoluflon und dem Auf stand im Mai setzte nun die Oktober-Revolution den Endpunkt hinter den Zyklus. Viele soziale Gruppen (darunter auch die Arbeiter im Salzkammergut) waren nicht mehr bereit, an einem Umsturz teilzunehmen oder die Veränderung voranzutreiben, sie hatten einiges erreicht und waren zufrieden. Die nationalen Gegensätze waren so weitreichend, daß sich einzelne Nationalitäten mit dem Kaiser gegen andere verbün deten. Der Funke ins Pulverfaß: Aus Wien sollten loyale Truppen verlegt werden, um die Aufstände in Ungarn zu unterbinden. Beim Abrücken kam es zu Zusam menstößen, in deren Folge sich die Revolution entfachte. „Nachdem mehrere verrätherische Sachen auf den Tag kamen, trugen die Wiener große Bedenken, da Lao tour als Verräther erklärt ward, mit Gewalt aufzustürmen und Hand anzulegen, und daher wurde die ... dritte Refolution fertig, die am 5ten und öten Oktober gewaltig ausbrach..." Das Volk bemächtigte sich des Kriegsministers Latour, den es für alles verantwortlich machte und lynchte ihn. Nun war die Zeit zum Eingreifen gekom-

men. Aus Prag eilte der siegreiche Fürst Windischgrätz herbei, aus dem Süden zog der Gouverneur von Kroatien - das als Teil Ungarns nach mehr Souveränität strebte und mehr Osterreich zuneigte - Banus Josef Jellacic gegen Wien. Die Wiener Natio nalgarde und die Akademische Legion standen regulären österreichischen Verbän den gegenüber, es entbrannte ein Bürgerkrieg. Gebannt blickte die ganze Monarchie zur Hauptstadt. Jeder wußte, daß sich das Wohl oder Wehe der Revolution hier entscheiden mußte. Leopold Scheutz führt wiederum aus: „Nun dieser Große Räuberische Feldherr Josef Jellacic belagerte unsere Osterreichische Haupt und Residenzstadt Wien. Kaiser Ferdinand hatte diese Residenz Stadt verlaßen und nach Olmütz mit seinem Hofe abgereist. Nun sehen wir Wien außen belagert, die 3 Feldherren Fürst Windisch Grätz, Josef Jellacic und der Graf Auersberg, mit 9900 und große Geschütz. Geneigter Leser wird Wien bestehen können? Am ISten Oktober 1813 war die Große Völkerschlacht bei Leipzig, und gerade am 18ten Oktober 1848 stehen mit inerlichen Feinden besetzt vor Wien. Nicht mit banger Besorgniß, ahnde ich, Wien wird nicht bestehen können, o nein: mit einem eiskalten Schauder, der durch meine Adern fährt, indem ich die Schrekens Gene mit meiner Feder berühre. Schreklich, ja wahrlich sehr schreklich ist es, was wir jetzt in dieser Geschichte von Wien hören. Schon am 18ten Oktober war die Stadt Wien belagert, nicht mit äußerlichen Feinden, auswärtigen Monarchen, son dern mit unseren lieben Vatterlands Truppen selbst, wo freilich verwilderte Völker wie zum Beispiel Slawonische, Kroazische, Böhmische, Polnische Regimenter zuge gen waren." Die Wiener schickten einen Hilferuf ins ganze Land. Noch einmal sollte alles mobilisiert werden, um die Revoluhon zu retten. Auch im Salzkammergut hörte man die verzweifelte Bitte. Einige eilten daraufhin nach Wien. Unter anderen Kon rad Deubler, der seinen Gesinnungsgenossen beispringen wollte. Allerdings kam er nicht einmal bis zur Hauptstadt und kehrte unverrichteter Dinge wieder zurück. Die Revoluhon wurde niedergewalzt: „Am 26. Oktober wurde die Stadt angegriffen, gestürmt beschossen, am 3Iten Oktober hatten sie die Vorstadt, nemlich die Leo pold-Stadt; die Kanonen krachten fürchterlich etliche Tage. Mit Kardätschen wurde gestürmt, das die Soldaten wie die Meykefer zusamen purzelten, am Iten Novem ber als am Tage Allerheiligen um halb 6 Uhr abends kämmen sie in die Hauptstadt, plünderten, raubten, mordeten, das die ermordeten haufenweis zusamen fielen, auch außer der Stadt gieng es sehr graußam zu, die größten abscheulichsten Schandthaten wurden verübt, ... Ja, viele behaupten es gleiche der Zerstörung der Stadt Jerusalem..." Der Schlußstrich unter ein halbjähriges Experiment wurde gesetzt. Der Gleichschritt der Waffen triumphierte. Leopold Scheutz faßt die Begebenheiten resi gnierend zusammen: „Eine sehr schrekliche Jahreszeit für die Europäer 1848." Die Revolution war abgeschlossen, die neue Ära forderte neue Gesichter: „Am 2ten Dezember 1848 legte Sr. Majastät Kaiser Ferdinand der Iste seynen Zepter und Krone nieder. Warum? Wird die folgende Zeit und Geschichte lehren; worauf

am Sten Dezember Prinz Franz Josef mit 18 Jahren den Thron bestieg. Wo auch alhier in Goisern am 9ten Dezember die Thronbesteigung unter großer Polier Schüssen und Trommelschlag vor dem Ptleggericht verbubliziert wurde." Die Trommel, die im März hell die Revolution bejubelte, verkündete nun dumpf ihr Scheitern und ihr Ende. Der neue Herrscher griff radikal durch, der fürst liche Absolutismus erreichte einen neuen Höhepunkt. Politische Reformen wurden rückgängig gemacht, ein drastischer Umbau der Verwaltung vorgenommen. Das Salzoberamt in Gmunden schloß für immer seine Pforten, der Betrieb in einer Salinen- und Forstdirektion zusammengefaßt. Das Pfleggericht Wildenstein, wo Ankündigungen „verbubliziert" wurden, erfuhr seine Auflösung. Statt dessen schuf man das Bezirksgericht - fortan zuständig für die Justiz - und Bezirkshaupt mannschaften, mit den wirtschaftlichen Angelegenheiten (Steuern) betraut. Die grundherrschaftliche Verwaltung verschwand völlig. Diese Grundentlastung, die den Inhaber auch tatsächlich zum Eigentümer einer Liegenschaft machte, stellte die einzige, aus der Revolution resultierende Besserung dar. Leopold Scheutz profitierte ebenfalls davon. Er bezahlte ein Drittel des Schätzwertes in langfristigen Raten und war somit faktisch Herr auf eigenem Land. Lassen wir ihm das Schlußwort zu die sem Jahr, das auch im Salzkammergut ein völlig neue Welt geschaffen hatte: „Und so beschließen wir das Jahr 1848, das merkwürdigste in der ganzen Weltgeschichte."

Die Mappe meines Großvaters Von Michael Pammer Wenn man von Gmunden nach Schwanenstadt fährt und dabei die Haupt straße vermeiden will, kann man über Ohlsdorf in Richtung Steyrermühl fahren. Kurz vor Steyrermühl wendet man sich nach links auf Aichlham zu, um von dort den Weg über Desselbrunn zu nehmen. Dabei kommt man durch Pennesdorf, die am weitesten nördlich gelegene Ortschaft im Gemeindegebiet von Ohlsdorf. Pennesdorf besteht aus sieben Häu sern, unter ihnen drei Bauernhöfe, die mit einem weiteren Haus das eigentliche Pen nesdorf bilden und in manchen älteren Quellen auch Pennesdorf-Dorf genannt wer den. Die anderen drei Häuser werden zwar gewöhnlich ebenfalls zu Pennesdorf gerechnet, liegen aber etwas abseits und bilden in Wirklichkeit eine eigene Ortschaft mit dem Namen Stragling. Eines der drei Straglinger Häuser wird heute manchmal das Schneiderhaus genannt, obwohl es diesen Namen herkömmlicherweise nicht als Hofnamen getra gen hat. Die Bezeichnung geht auf meinen Großvater zurück, der den Beruf eines Herrenschneiders ausübte und in diesem Haus fünf Jahrzehnte seines Lebens ver brachte. Er selbst hieß Johann Pammer. Er war der einzige Schneider, der das Schnei derhaus jemals besessen hat. Im Grundbuch heißt das Haus die Behausung im Bach. Mit seiner ersten Frau Maria war der Schneidermeister in das Straglinger Haus gezogen, das damals seinen Schwiegereltern gehörte. Nach dem Tod des Schwiegervaters war dessen Witwe die alleinige Besitzerin. Johann Pammer blieb auch dort, nachdem seine Frau im Jahr des Kriegsausbruchs gestorben war. Fünf Jahre später heiratete er neuerlich: Theresia Eder war Bedienstete bei einem Bäcker meister in Ohlsdorf gewesen und übersiedelte nun nach Stragling. Die Eheleute kauften jetzt das Haus von der alten Frau, die als Auszüglerin noch die kurze Zeit bis zu ihrem Tod im Haus blieb. Aus der ersten Ehe gingen zwei Kinder hervor, von denen das ältere, ein Sohn, ebenfalls den Beruf eines Schneiders erlernen und bis zu seinem Ruhestand ausüben sollte. Auch eines der drei Kinder, die aus der zweiten Ehe stammten, erlernte dieses Handwerk, jedoch ohne Lust. Dieser Zweitälteste Sohn des Schnei ders hätte den Beruf eines Friseurs vorgezogen, doch fand er in der wirtschaftlichen Not dieser Jahre keinen Lehrherrn. So lernte er beim Vater dessen Handwerk. Er fiel im Krieg. Mein Großvater wurde fünfundsiebzig Jahre alt. Unter den Dingen, die er bei seinem Tod im Jahr 1958 hinterlassen hat, befindet sich ein Buch, in dem in seiner Handschrift alle Geschäfte vermerkt sind, die er in den letzten Jahrzehnten seines Lebens mit seinen Kunden abgeschlossen hat. Es ist das Hauptbuch des Schneider meisters; mit durchnumerierten Seiten, ein Dokument für die Behörden und vom

Steueramt gestempelt und versiegelt. Es war ein wichtiges Buch: Es ist schön gebun den, mit Faden geheftet, das Vorsatzblatt am Bug mit einem Leinenstreifen verstärkt, mit einem schützenden Lederstreifen am unteren Rand des Einbandrückens und eines Teils des Vorder- und Rückendeckels. Die Schnittflächen des Buchblocks sind marmoriert. Trotz jahrzehntelangen Gebrauchs hat die Bindung kaum an Spannung verloren. Sieben Jahre vor dem ersten Krieg wurde das Buch zusammen mit einem weiteren, einem ersten Band gekauft. Erst nach achtundzwanzig Jahren wurde es, für neunzehn Jahre, benutzt. Dann trat Johann Pammer in den Ruhestand. Obwohl das Buch nicht wie eine Erzählung zu lesen ist, sagt es doch vieles darüber, wie Johann Pammer lebte und wie er sein Einkommen verdiente. Freilich war die Schneiderei nicht die einzige Quelle für den Lebensunterhalt der Familie. Wie viele andere Handwerkerfamilien auf dem Land lebte die Familie des Straglinger Schneiders auch von einer kleinen Landwirtschaft, dazu betrieb Johann Pammer eine kleine Kaffeerösterei. Die Landwirtschaft bestand aus einigen Acker- und Wie sengrundstücken, zu denen für einige Zeit noch weiterer Grund dazugepachtet wurde. Auf diesen Flächen baute die Familie Erdäpfel an, von denen sie einen Teil selbst verbrauchte. Auf der restlichen Fläche wurde das Futter für drei Kühe und drei Schweine erzeugt. Auch ein Obstgarten befand sich beim Haus; aus ihm kamen Ribisel, Kirschen, Äpfel, Birnen, Reineclauden, Zwetschken und Mostobst. Das edlere Obst wurde von Theresia Pammer an Kunden in der Steyrermühl, an Arbei ter und vor allem Angestellte, verkauft, auch Milcherzeugnisse wie Rahm, Butter, Buttermilch und Topfen fanden dort ihre Abnehmer. Den Most trank die Familie selbst oder schenkte ihn an Gäste aus, die dazu aus der Steyrermühl nach Stragling kamen. Einige Tage im Jahr mußte Robot für einen benachbarten Bauern geleistet werden, im Austausch für das von ihm bereitgestellte Trinkwasser und das Um ackern des Landes der Familie; auch für den gepachteten Grund wurde Robot geleistet. Das Getreide, das die Familie benötigte, stammte aus dem Ertrag der Kaffeerösterei. Johann Pammer röstete Weizen und Roggen, die ihm von Bauern der Umgebung gebracht wurden. Als Entgelt behielt er einen Teil des Getreides zurück. Es war so viel, daß die Familie kein zusätzliches Getreide kaufen mußte. Das Einkommen, das die Schneiderei der Familie verschaffte, kam nicht nur aus der Arbeit, die Johann Pammer mit der Anfertigung der Kleidungsstücke hatte. Eine zusätzliche Einnahme kam aus der Vermittlung des verwendeten Stoffes und Zugehörs. So wie viele andere Schneidermeister führte auch Johann Pammer eine Kollektion mit Musterstoffen, die er seinen Kunden vorlegte und aus der diese ihre Auswahl treffen konnten. Dieser Katalog stammte von einem Wiener Tuchhandels haus namens Silesia, das bis zur Besetzung unseres Landes durch die Deutschen und der Vertreibung der jüdischen Besitzer die Zweigstelle eines tschechoslowaki schen Unternehmens war. Dieses Unternehmen war noch im vorigen Jahrhundert im österreichischen Schlesien gegründet worden und war auf die Belieferung von Schneidereibetrieben spezialisiert. Seine Kundschaften waren über die österrei chisch-ungarische Monarchie verteilt, seine Kataloge erschienen in deutscher, italie nischer, ungarischer, tschechischer, kroatischer und polnischer Sprache. Nach dem

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