OÖ. Heimatblätter 1997, 51. Jahrgang, Heft 3/4

gelten lassen. Im ersten Sinne ist Skepsis nichts als Leichtgläubigkeit mit negati vem Vorzeichen, und ein solcher Skepti ker unterscheidet sich von dem Leicht gläubigen vielleicht nur durch Mangel an Naivität und durch Überheblichkeit. Die Skeptiker der anderen Art aber er füllen nur ihre Menschenpflicht, wenn sie sich über Tatsachen und Erscheinun gen genau Rechenschaft abzulegen su chen, ehe sie sich entschließen, sie anzu erkennen, sie sind die Fragenden, Be trachtenden, Forschenden, also die wahr haft Frommen." Der Altösterreicher Eugen Lemberg hat in der vor zwei Jahrzehnten, unmit telbar vor seinem Tode, abgeschlossenen „Anthropologie der ideologischen Sy steme" aufgezeigt, daß der Mensch nicht nur leben will, sondern nach einem Ge füge von Werten, nach einer geistigen Fieimat sucht, und daß der Vielfalt mate rieller Heimat eine ähnliche Vielfalt gei stiger ideologischer Systeme entspricht. Daraus entstehen Interessenskonflikte. Sie werden ausgetragen durch Kampf oder durch Kompromisse. Wer für sich in Anspruch nimmt, ein Idealist zu sein, dem scheinen Kompromisse suspekt. Darum fanden idealistische Fanfa renstöße so oft das Ohr der Jugend, für die sie primär geblasen werden, antwor tet doch nach einem bedenkenswerten Goethe-Wort jedem Alter des Menschen eine gewisse Philosophie: „Das Kind erscheint als Realist; denn es findet sich so überzeugt von dem Da sein der Birnen und Äpfel als von dem seinigen. Der Jüngling, von innern Lei denschaften bestürmt, muß auf sich selbst merken, sich vorzufühlen: er wird zum Idealisten umgewandelt. Dagegen ein Skeptiker zu werden hat der Mann alle Ursache; er tut wohl zu zweifeln, ob das Mittel, das er zum Zweck gewählt hat, auch das-rechte sei. Vor dem Han deln, im Handeln hat er alle Ursache, den Verstand beweglich zu erhalten, da mit er nicht nachher sich über eine fal sche Wahl zu betrüben habe." Mit Otto Brunners „Zeitalter der Ideologien" haben wir begonnen, mit ihm wollen wir enden. Damals kam er zum Schluß, es weise vieles darauf hin, daß das Zeitalter der Ideologien zu Ende gehe. Im Vergleich mit den mächtigen Geistesbewegungen der Vergangenheit wird man diese Annahme nach dem Zu sammenbruch der kommunistischen Sy steme im Osten nur schwer widerlegen können. Die Re-Ideologisierung steigt ja im wesentlichen aus den Buchdeckeln nicht heraus. Kämen aber die Ideologien ans Ende, würde es schlagartig besser für die Menschen? Die Bereitschaft zu Kom promissen würde steigen; das allein kann nach den bisherigen Erfahrungen in unserem Jahrhundert nicht hoch ge nug veranschlagt werden, selbst um den Preis des Verfalls in einen platten Mate rialismus. Es gilt aber mit Otto Brunner zu bedenken: „Man wird sich nicht darüber täu schen dürfen, daß der Zerfall der Ideolo gien Gefahren in sich birgt, daß, wenn sie durch die Auflösung ihres utopi schen Elements auseinanderfallen, auch ihr sachlicher Gehalt gefährdet sein kann. Denn diese konkreten Ideologien enthielten viel mehr als nur ideologische und utopische Elemente, und sie rangen um Probleme, die uns heute noch aufge geben sind. Gibt man die utopische Har monie der Privatinteressen preis, so be-

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