Jetzt ist mit der „Globalisierung" eine vergleichbare Revolution weltweit in Gang. Ausgelöst und getrieben wird sie durch die Schlüsseltechnologien elektroni sche Datenverarbeitung, Telekommunikation und Gentechnik. Informationen ebenso wie Waren, Produktionen, Dienstleistungen und Kapital werden schnell und billig weltweit bewegt und gehandelt. Osterreichische Produktionsbetriebe und Dienstleistungen stehen nicht nur mit den europäischen, sondern auch mit amerika nischen, japanischen, koreanischen, chinesischen ... Konkurrenten in Wettbewerb. Durch die neuen technischen Möglichkeiten verlagern sich mit den Informations und Warenströmen rasant die Entscheidungszentren, die Arbeitsplätze, verändern sich die Lebensverläufe, Bedeutsamkeiten, Bewußtsein und Verhalten. Die Bewußt seins- und Einstellungsveränderung beispielsweise durch die elektronischen Mas senmedien läßt sich am Fernsehen gut zeigen: Ich bin Geburtsjahrgang 1943, meine erste Fernsehsendung erlebte ich mit ca. 12 Jahren und sah in der Folge ein- bis zwei mal pro Woche eine Sendung. Fleute liegt der durchschnittliche tägliche Fernseh konsum deutlich über zwei Stunden, und er beginnt bereits mit ca. zwei Jahren, in der Stadt wie am Bergbauernhof! Ein durchschnittlicher ISjähriger hat mehr Stun den vor dem Fernseher als in der Schule verbracht. Die Programme, Bilder, ITandlungsmuster, Informationen kommen aus aller Welt. Die stabilen geschlossenen Lebenswelten wie früher gibt es nicht mehr, Lebensverhältnisse und Bewußtsein, die Sicht der Welt und des Lebens, Einstellungen, Möglichkeiten und Grenzen sind sehr anders als früher - und der Wandel geht rapid weiter. Vieles läuft wiederum mit unwiderstehlicher Eigendynamik, die Folgen sind ambivalent. Erfreulichem steht Bedrohliches gegenüber. Es ist außerordentlich wich tig und dringlich, diese neuen Verhältnisse zu kultivieren, persönlich und öffentlich strukturell! Nur wenn man hellwach diese Vorgänge wahrnimmt und mit aller Kraft gründlich zu verstehen versucht, wird man humane Gestaltungschancen entdecken und realisieren können. Je früher man sich damit auseinandersetzt, umso größer sind die Gestaltungschancen, umso geringer die Schäden. Die Augen vor diesem Umbruch zu verschließen, die Auseinandersetzung damit aufzuschieben, sind ver ständliche, aber verhängnisvolle Haltungen, die allerdings bei uns derzeit vorherr schen. Drei große Veränderungsschübe gleichzeitig - das überfordert viele und dis poniert für problematische Haltungen und Tendenzen, individuell und kollektiv. Problematische Tendenzen verstehen - um ihnen NICHT zu erliegen Außergewöhnliche Umbrüche (erst recht, wenn mehrere gleichzeitig auftre ten) haben starke Auswirkungen auf die Persönlichkeitsentwicklung („Identität"), auf die psychosoziale und politische Lage. Darauf hat schon der Klassiker der Sozio logie Emile Dürkheim' mit seiner „Anomie-These" hingewiesen. Neue Forschungen E. Dürkheim: Le Suicide 1897, deutsche Neuausgabe Neuwied 1973. Vgl. dazu .W Korff: Wie kann der Mensch glücken? München 1985, bes. S. 9-32.
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