OÖ. Heimatblätter 1997, 51. Jahrgang, Heft 3/4

vom Kleinräumigen, teils Vertraut-Gemütlichen, teils Provinziellen, zum Großräumigen. Offenen, mit einer anderen Atmosphäre, sehr anderen Rahmenbedingungen und neuen Erfordernissen im Denken und Handeln. Das geht nicht leicht und nicht schnell. Für die Integration Europas gibt es viele gewichtige Gründe, ein (durchaus noch mögliches) Scheitern wäre schlimm. Aber vieles am „Haus Europa" ist erst im Bau oder harrt sogar noch der Planung.^ Am weitesten ist der „Wirtschaftstrakt" gediehen, aber selbst da ist vieles noch sehr unfertig und provisorisch. Im „Wohnbe reich", erst recht bei den geistig-seelischen Dimensionen, und das sind unersetzliche Wurzeln und Horizonte für die humane Kultur, stehen wir noch ziemlich am Anfang. Da gibt es große Leerräume und Disproportionen, hier ist noch sehr viel kultureller Gestaltungseinsatz nötig. Das ist keineswegs - wie weithin gewertet - sekundär gegenüber der dominierenden Ökonomie, sondern Sinn und Ziel des Ganzen. Was nützt eine stetig zunehmende wirtschaftliche Dynamik, wenn sehr viele Menschen dabei auf der Strecke bleiben, wenn Unrecht und soziale Spannun gen wachsen, wenn das Leben von immer mehr Menschen und das Gemeinwohl verkümmern? Wirtschaft ist unersetzlich auf der Ebene der Mittel; Sie stellt notwen dige Voraussetzungen für körperliches und geistiges Leben, für Individuen und Gemeinwohl bereit, aber Wirtschaft ist nicht Selbstzweck!" Der langjährige Präsi dent der Europäischen Kommission, Jacques Delors, hat es pointiert formuliert: „Wenn Europa seine Seele nicht findet (entwickelt), wird es seine Geburt nicht über leben!" „Globalisierung": weltweite ökonomische und kulturelle Revolution Drittens vollzieht sich derzeit eine weltweite ökonomische und kulturelle Revolution, die „Globalisierung". Die geschichtliche Entwicklung verläuft nicht in gleichmäßigem Tempo. Neben ruhigeren Zeiten gibt es Beschleunigungsphasen, ja geradezu Umbruch-Schübe. Ein derartiger Umbruch im 19. Jahrhundert bekam die Bezeichnung „Technische Revolution", weil durch die Einsatzreife wichtiger Techni ken nicht nur die Wirtschaft, sondern auch Sozialgefüge, Bewußtsein und Lebens form radikal verändert wurden. Der Umbruch erfolgte mit unwiderstehlicher Wucht, die massiven Folgen waren ambivalent, teils befreiend, teils deformierend/ zerstörend. Man hat dieses Geschehen nicht rechtzeitig und nicht gründlich genug verstanden und ist daher die humane Gestaltung, die Kultivierung dieser Entwick lungen weithin schuldig geblieben. ^ Vgl. dazu: H.-W. Platzer: Lernprozeß Europa. Die EU und die neue europäische Ordnung, Bonn ''1995. - K. Koch: Christsein in einem neuen Europa. Provokationen und Perspektiven. Freiburg/ Schweiz 1992. - H. Renöckl: Wir brauchen zukunftsfähige Werte. In: Kat. Blätter München 120 (1995) S. 719-729. " Ausführlicher dazu: P. Koslowski: Wirtschaft als Kultur. Wirtschaftskultur und Wirtschaftsethik in der Postmoderne. Wien 1989. - P. Ulrich: Integrative Wirtschaftsethik. Grundlagen einer lebensdien lichen Ökonomie. Bern 1997.

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