übertragen auf das, was lange Zeit als das „Volkstümliche" an Bruckner de finiert wurde, schließe ich mich hier an das Ergebnis einer Untersuchung von Helga Thiel, Gerda Lechleitner und Wal ter Deutsch and^ „Assoziatives Hören ver langt zwar nicht unbedingt eine Beweisführung, doch die Fülle der Assoziationen, die im Hin blick auf Bruckners Werk und die österreichische Volksmusik empfunden, gedacht und geschrieben wurden, verlangt eine Objektivierung. Bei vie len Brucknerforschern ist ein eigenartiges Ver langen, fast ein Zwang festzustellen, im Werk des Komponisten musikalische Austriazismen nachweisen zu müssen, um Volksmusik in der Tonsprache Bruckners wiederzufinden. Dies kann u. a. euphorisch, beinahe ideologisch klin gen ... Oder die Charakterisierung stützt sich auf Phantasiebilder einer ungenau erlebten Rea lität ... Oder es kommt zu jenen schon genann ten assoziativen Spontanäußerungen, die wie eine einzige große Erinnerung ständig Zusam menhänge zwischen Volksmusik und Symphonik wittert. Für diesen Bereich ist es zunächst besser, dem Urteil Arnold Schönbergs Recht zu geben: ,Volksmusik und Kunstmusik mischen sich so schlecht wie Öl und Wasser ... Die Kluft zwischen den Erfordernissen der großen Form und der einfachen Zusammensetzung der Volkslieder kann nicht überbrückt werden, und darum ist es auch bisher keinem gelungen."^^ So stellen die Autoren der zitierten Stu die die Frage: „Wie kann nach all diesen (und nicht nur diesen) Erkenntnissen die Frage zu Volksmusik und Bruckner noch gestellt werden?" So wage ich abschließend die These, daß unsere Frage nach dem „volkstümli chen Element" in der Musik Bruckners, nach etwas greifbar „Österreichischem" oder gar „Oberösterreichischem", einem elementaren Harmonisierungsbedürfnis entspringt, das den großen und uns vor so manches Problem stellenden Wider spruch zwischen Persönlichkeit und Werk Anton Bruckners zu überbrücken sucht. Meiner Ansicht nach ist jedoch gerade diese Kluft - die ich gar nicht so sehr als Kluft, sondern als die Spannung zwischen sich ergänzenden Polaritäten bezeichnen möchte - etwas ganz Cha rakteristisches und Eigenständiges, und Bruckner hat sich selbst zu ihr bekannt: Verfügte er nicht in seinem Testament, daß nach seinem Tod zwar sein Leib in seiner geliebten Heimat verbleiben sollte, seine Werke jedoch an die k. k. Hofbibliothek in Wien gingen, als kost barer Besitz Österreichs, ja der Welt, da mit sie ihren Ort gerade nicht nur inner halb der eng befriedeten Grenzen seiner Herkunft haben sollten? Anton Bruckner - sein soziokulturelles Umfeld, seine musikalische Umwelt", in: Bruckner-Sym posion „Bruckner und die Musik der Roman tik". Linz 1987. Bericht. Linz 1989, S. 111-119. " Ebenda, S. 116 f.
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