OÖ. Heimatblätter 1997, 51. Jahrgang, Heft 3/4

derartige Sicht, die in Bruckners Werken eine konkrete Umsetzung und Stilisie rung österreichischer Volksmusik sieht, begegnet uns naturgemäß in verstärk tem Maße in der Belletristik. Aus Anlaß eines Bruckner-Symposions vor weni gen Jahren habe ich mich mit den der Person oder dem Werk Anton Bruckners gewidmeten Gedichten beschäftigt und insgesamt rund 140 Opera auf die in ih nen enthaltenen literarischen Topoi hin angesehen, d. h., sie auf das Vorkommen der Themen „Persönliches", „Künstler schicksal", „Religiöses", „Volk, Heimat" usw. hin untersucht, mit dem speziellen Ziel, die populäre Rezeption Bruckners als eines volkstümlichen, österreichi schen, im speziellen Fall oberösterreichi schen Komponisten vom belletristischen Befund her zu erheben. Das Ergebnis war ebenso niederschmetternd in bezug auf die literarische Qualität wie unergie big im Hinblick auf den Themenkreis „Volk, Heimat", kurz: „das Österreichi sche".^ Etwas ernüchtert stellen wir uns also nun die Frage nach dem tatsächlichen Anteil volkstümlicher musikalischer Ele mente im Schaffen Bruckners und haben zunächst kurz die übergeordnete Frage nach der Rolle des Volkstümlichen als solchem in der Musik des 19. Jahrhun derts, im speziellen der Romantik, zu be handeln. Die Romantik in Literatur und Mu sik wandte ihr Interesse verstärkt der Volksdichtung zu. Speziell in der Musik entsprach dem eine Hinwendung zu na tionalem Kolorit und volksliedhaftem Melos. Zu volksliedhaftem Melos, wohl gemerkt, nicht unbedingt zum authenti schen Volkslied, obwohl damals in ge steigertem Maße auch Interesse und Ver ständnis für dasselbe wuchsen, man denke nur an die Sammlung Des Knaben VJunderhorn. Auch Mischformen zwi schen originalem Volkslied und nach empfundenem „Lied im Volkston" waren häufig; nationales Kolorit eroberte auch die Instrumentalmusik. Untersucht man, wie es Bence Scabolcsi im allgemeinen' und Manfred Wagner für Bruckner im speziellen® unternommen haben, die Melodietypen systematisch, so fällt z. B. auf, daß die von Scabolcsi als solche de finierte Heimatweise - eine Quart-Sextakkord-Linie - zwar bei Beethoven, Brahms, sogar bei Verdi häufig vor kommt, bei Bruckner jedoch fast nicht anzutreffen ist. Eine der seltenen Aus nahmen ist hier der Ländler der Vierten Symphonie (WAB 104, Fassung 1878/80), der die Quartsextakkordlinie der Heimat weise mit ihrer Umkehrung kombiniert. Das ausdrückliche Zitieren eines Volksliedes oder einer Volksweise (oder eines spezifischen Elementes daraus) ist bei Bruckner äußerst selten, ja fast nicht anzutreffen. Auch hier ist wiederum nur eine Ausnahme zu erwähnen, und auch die stammt nicht aus einem der Haupt werke, sondern aus einem zwar äußerst liebenswürdigen, jedoch gänzlich unbe deutenden Gelegenheitswerk, dem Kla vierstück Steiermärker (WAB 122). Bruck- ' „Die Schollen dröhnen, die Furchen schallen." Anton Bruckner im Gedicht, in: Bruckner-Sym posion „Entwicklungen - Parallelen - Kontraste. Zur Frage einer .österreichischen Symphonik'". Linz 1993. Bericht, Linz 1996, S. 47-61. ' Für genauere Informationen und konkrete Bei spiele sei auf meine hier zitierte Arbeit hinge wiesen. ' Bausteine zu einer Geschichte der Melodie. Bu dapest 1959. ® Die Melodien Bruckners in systematischer Ordnung. Ein Beitrag zur Melodiegeschichte des 19. Jahrhunderts (mschr. Diss., Wien 1970).

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