OÖ. Heimatblätter 1997, 51. Jahrgang, Heft 3/4

Frank-Lothar Kroll (Hrsg.): Neue Wege der Ideengeschichte. Festschrift für Kurt Kluxen zum 85. Geburtstag. Paderborn: Verlag Ferdinand Schöningh, 1996. X, 445 Seiten, Leinen, DM 68,-. Mit diesem Band aus der Reihe „Sammlung Schöningh zur Geschichte und Gegenwart" ehren Freunde und Kollegen den Erlanger Historiker Kurt Kluxen, dessen thematisches Schwergewicht auf dem Gebiet der Geistes- und Ideengeschichte liegt. Hiebei geht es ihm insbesondere um die po litischen Auswirkungen geistiger Strömungen. In fünf Abschnitten breiten 24 namhafte Autoren ihre Beiträge aus, „deren Bandbreite von historiographischen Grundsatzüberlegungen über Aus führungen zum Verhältnis von Religion und Kul tur, Staatsform und Gesellschaftsstruktur, Welt bild und politischem Handeln bis zu verfassungs-, diplomatie- und kulturgeschichtlichen Darlegun gen reicht und einen Zeitrahmen vom Spätmittel alter bis zur Gegenwart ausfüllt" (Vorwort). Osterreich ist in dieser Festschrift nur mit ei nem Beitrag vertreten. Er stammt von der großen alten Dame seiner Literatur, von Gertrud Fussenegger, die in Leonding lebt. In ihrem Lebensbe richt „Spiegelbild mit Feuersäule" hatte sie unter der Uberschrift „Ungeliebter Rebell" von ihrer Doktorarbeit über den mittelalterlichen Rosenro man eines französischen Klerikers berichtet (S. 252/253). Nun kommt sie auf diesen „Vorfahren der Aufklärung", auf Jean de Meung, genannt le Clopinel, zurück. Ihren - inhaltlich wie stilistisch glänzenden - Beitrag faßt sie wie folgt zusammen: „In Clopinels Werk sind viele konstitutive Elemente der Aufklärung und der Französischen Revolution vorweggenommen. Fünf Jahrhunderte lang wirkten sie - zumeist wohl in homöopathi schen Dosen - unter der Oberfläche, doch letzthinnig unübertrefflich folgenreich. Selbst die Spätaufklärung unseres Jahrhunderts, vor allem die der sechziger Jahre, und deren immer noch an dauernden Diskurse weisen fast haargenau diesel ben Elemente auf, die Clopinel entwickelt hat: 1. Die Verweigerung jeden affirmativen Strukturbewußtseins. 2. Die Aversion gegen kultivierte Lebensfor men. 3. Die verengte Schau auf die Geschichte im Sinn der Deutung als reine Intrige der Mächtigen. 4. Die romantische Verherrlichung des ,einfa chen Mannes'. 5. Grobianismus und Sexismus. Zwei tiefgreifende Unterschiede: Clopinel verachtet die Frau und billigt ihr keinerlei Rechte, nicht einmal das auf den eigenen Körper, zu. Und: Bei Clopinel fehlt jede in die Zukunft gewandte Utopie." Breites Interesse werden wohl die vier Bei träge zu „Ideologie und Politik im 20. Jahrhun dert" finden: Ernst Nolte schreibt über „Nietzsche im Nationalsozialismus" (S. 379 ff.). Der Heraus geber untersucht den Faktor „Zukunft" in Hitlers Geschichtsbild (S. 391 ff.), während Klaus Hornung den französischen Historiker Franpois Füret, Jahrgang 1927, mit seinem kürzlich vorgelegten Werk zur Geschichte des Entstehens und Verge hens der kommunistischen Bewegung im 20. Jahr hundert vorstellt: „Das Ende der Illusion". Füret, aus großbürgerlichem Haus stammend, war selbst Mitglied der KP gewesen, hat sie aber 1956 verlas sen und dann „den Weg von Marx zu Alexis de Tocqueville zurückgelegt, der einst in seiner ,De mokratie in Amerika' einen Despotismus neuer Art inmitten des demokratischen Zeitalters pro gnostiziert hatte" (S. 418). Michael Stürmer skizziert kritisch das „Ende der Geschichte", das der Japano-Amerikaner Fran cis Fukuyama 1989 „durch den globalen Triumph von Demokratie und Markt" gekommen sah. Nunmehr seien Kontrastmodelle zur liberalen De mokratie ohne weltgeschichtliche Chance. Nur vier Jahre später warnte ein anderer aus „Ameri kas Denkfabriken", Samuel Huntington, vor dem bevorstehenden „Zusammenstoß der Zivilisatio nen", der sich in der Jugoslawienkrise zeigt (S. 434-437). 1996 liegt nun sein 580 Seiten starkes Buch „Der Kampf der Kulturen" vor, worin er be hauptet, das 21. Jahrhundert werde von mehreren Kulturkreisen und ihren Konflikten geprägt sein. Zurück ins 19. Jahrhundert führt der Beitrag von Wolfram Pyta über Idee und Wirklichkeit der „Heiligen Allianz", dem der Verfasser als Motto den Goethe-Satz über sie voranstellt: „Doch ist nie etwas Größeres und für die Menschheit Wohl tätigeres erfunden worden." Diesem - verkannten - Vorfahren von Völkerbund und Vereinten Na tionen wird man nach der Lektüre des Beitrages mehr Gerechtigkeit und weniger Schmähungen entgegenbringen. Der Band sollte für Deutsch und Geschichtslehrer Pflichtlektüre sein. Josef Demmelbauer

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