einnahmung. Im Zusammenhang des gestellten Themas ist zumindest folgendes zu bedenken: Mit den modernen wissenschaftlich-technisch-ökonomischen Errungen schaften konnten viele Probleme gelöst, viel Mangel, Elend und Ohnmacht beseitigt und die Lebensmöglichkeiten wesentlich erweitert werden. Wir leben heute inmitten einer überwältigenden Fülle von Produkten, Dienstleistungen, Informationen, Bil dern, Wünschen, Fragen. Viele werden von dieser Angebotsfülle getrieben, ver schüttet, süchtig, bewußt-los. Zu unserer Supermarkt-Zivilisation gehört durchaus auch Religiöses. In esoterischen, fernöstlichen, indianisch-schamanisch-naturreligiö sen, spiritistisch-okkultistischen Varianten und diversen Mischformen findet es der zeit sogar verstärkte Nachfrage. Offensichtlich haben die Menschen auch heute starke, materiell nicht stillbare Sehnsüchte.' Aber vermögen diese oft recht diffusen und unverbindlichen religiösen NeuAlt-Angebote menschliches Leben gültig zu deuten und zu orientieren? Bei den tief sten Fragen sind unzureichende Antworten/Annahmen besonders fatal, weil sie (vor allem in ganz schwierigen Phasen) nicht wirklich tragen und das Leben insgesamt nicht gut genug oder falsch orientieren. Sorgfältig prüfendes und unterscheidungs bereites Nachdenken brauchen gewiß auch die christlichen Glaubenstraditionen und Kirchen. Wieviel Allzumenschliches, Verfehltes, wieviel Herrschaft, Unrecht und Leid wurde nicht schon unter Bezugnahme auf Gott praktiziert, legitimiert, gefordert, zugelassen! Man sollte aber auch nicht übersehen, wie viele Menschen immer wieder inspiriert und orientiert vom Glauben an den biblischen Gott unter schwierigsten Bedingungen durchhalten und Großes vollbringen. Es gibt eine auffällige Parallelität zwischen dem Schwächerwerden des nüch ternen biblischen Glaubens und dem Schwinden von Solidarität und Hoffnungspo tentialen, einer Zunahme von Egoismen und Ängsten, einem Verdrängen von Gren zen, Schwächen und Leiden, und damit verbunden verstärkte Mitleidlosigkeit und Unbarmherzigkeit, einem Nicht-Zurecht-Kommen mit Schuld und Tod. Oft kommt es zu schädigender, versklavender Verabsolutierung („Vergötzung") von Teilwerten wie Geld, Leistung, Macht, Jugend, Sex usw. Ohne das ehrliche Sich-Offen-Halten, Fragen nach Tiefe, Sinn und Horizont unseres Lebens, ohne zumindest Horchen, Fragen nach Gott, findet man schwer die angemessenen Prioritäten und Proportio nen des Lebens. Es besteht ein uralter Zusammenhang zwischen Kult (Gotteswahr nehmung/Gottesdienst) und Kultur. Freiheit und menschliche Würde zerbröseln unter modernen Bedingungen besonders leicht zu bloßer Nützlichkeit. Unsere Gesellschaft hat weithin Züge von hektischem Getriebe, saturierter Fadesse und Gleichgültigkeit. Ist sie nicht nach wie vor zutiefst erlösungsbedürftig?^° ' Vgl. dazu H.-J. Höhn: Gegen-Mythen. Religionsproduktive Tendenzen der Gegenwart. Freiburg 1994. - H. Renöckl: Zur Faszination neuer religiöser Strömungen. Kat. Blätter München 119 (1994) S. 340350. - P. L. Berger: Sehnsucht nach Sinn. Glauben in einer Zeit der Leichtgläubigkeit. Frankfurt 1994. Vgl. bspw. E. Biser: Glaube nur! Gott verstehen lernen. HTB 800. Freiburg/Br. 1980. - H. Zahrnt: Wie kann Gott das zulassen? Hiob - der Mensch im Leid. München ^1996. - J. Werbick: Bilder sind Wege. Eine Gotteslehre. München 1992. Oers.: Vom entscheidend und unterscheidend Christlichen. Düssel dorf 1992.
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