Vom „artigen Markt" zum Fremdenverkehrsort Ein architektonischer Streifzug durch Bad Ischl Von Sabine Nöbauer M r geht es um die tatsächliche Atmosphäre, die sich in Ischl akkumuliert hatte und noch ... wirksam blieb, obwohl es längst keinen kaiserlichen Hof mehr gab, und die Kaiservilla nur noch als Glotzobjekt des Fremdenverkehrs fungiert, mir geht es um die tatsächlich einmalige Struktur des Publikums, das sich hier Jahr um Jahr zusammenfand, dessen Angehörige sich einen Sommeraufenthalt anderswo als in Ischl nicht vorstellen konnten ..mir geht es, genaugenommen,um ein Ischl, das immer nur während der Sommermonate Wirklichkeit wurde und mit dem eigentli chen Ischl des übrigen Jahres soviel zu tun hatte wie die Philharmoniker mit ihren Notenpulten ... oder doch mit den Noten selbst?"^ Friedrich Torberg beschwört in diesen Sätzen ein Ischl, das in Wirklichkeit nie existierte, sondern nur in Anekdoten und „G'schichteln"^ über die gute alte Zeit - als die Welt noch in Ordnung war - zu finden ist. Ischl, ein Symbol für ein sommerliches Laisser-faire, das im 19. Jahrhundert untrennbar mit dem Bürgertum der Habsburger-Monarchie verbunden ist - für die Sommerfrische.^ Diese Landaufenthalte, als man sich der Muße hingab und das Leben auf dem Land genoß, bildeten einen festen Bestandteil im Jahresablauf des Bürgertums der Habsburger-Monarchie. Oft begab sich die Frau mit den Kindern bereits zu Pfingsten in die Sommerfrische; der Gatte blieb in der Stadt, um den Geschäften nachzugehen. Er kam für einige Wochen im Juli/August nach. Zunächst wurde die Umgebung von Wien zum Sommersitz erkoren. Als durch Bahn- und Straßenbau auch weiter entfernt liegende Gebiete u.a. auch das Salzkammergut leichter erreichbar wurden, „okkupierten"^ die Sommerfrischler auch diese Regionen. Der Umzug auf das Land erfolgte mit dem ganzen Hausrat - inklusive Bettwäsche und Geschirr - und dauerte einige Tage.' Die Sommerfrische war „inszenierte Privatheit";® jede Arbeit oder Anstrengung war verpönt: der HausFriedrich Torberg, Die Tante Jolesch oder Der Untergang des Abendlandes in Anekdoten. 1990, S. 78. ■ Vgl. Rudolf Lehr, Vergnügliche Ausflüge ins k. k. Salzkammergut. In Österreich ob der Enns und der Steiermark. 1980 (als Autor wird u. a. auch Kaiser Franz Joseph angeführt). - Dietmar Griesner, Nach sommertraum. St. Pölten 1993. - Gottfried Heindl, Das Salzkammergut und seine Gäste. Die Ge schichte der Sommerfrische. Wien 1993. ' Hans Haas, Die Sommerfrische - Ort der Bürgerlichkeit. In: Durch Arbeit, Besitz, Wissen und Ge rechtigkeit. - Hannes Stedl, Peter Urberitsch, Ernst Brückmüller und Hans Heiss (Hg.), Bürgertum der Habsburgermonarchie II. Wien 1992, S. 364-377. ' Haas, Sommerfrische. S. 367. ' Ebenda, S. 369. ' Ebenda, S. 369.
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