OÖ. Heimatblätter 1997, 51. Jahrgang, Heft 3/4

sein, nachdem das bisherige Paradigma an Orientierungs- und Formkraft verloren hat, Neues aber noch nicht deutlich wurde. Aber die Empfindung „gleich gültig" macht leicht gleichgültig. Wir brauchen eine angemessene „Unterscheidung der Gei ster", dazu aber die derzeit eher rare Urteilsfähigkeit und Willenskraft. Pluralismus kann Ausdruck kreativer Lebendigkeit sein, es gibt aber auch den Pluralismus der Schwäche, Toleranz kann die kostbare Tugend des Respekts vor anderen und ande rem, aber auch feiges Ausweichen vor notwendiger Auseinandersetzung sein. Die Schere zwischen verringerter Belastbarkeit und erhöhter Belastung erschwert das Verstehen, Gestalten oder wenigstens Aushalten der zunehmenden Kompliziertheit unserer hochentwickelten Gesellschaft. Man bekommt fortwährend von der Werbung suggeriert, für alle Probleme gebe es „Instanf'-Lösungen. Da hört man gerne auf vermeintlich einfache Deutungen und Rezepte bei politischen Populi sten, bei alternativen fieilern, in esoterisch-synkretistischen Religionsangeboten. Uberfordert von der Komplexität, wird Aufmerksamkeit und Engagement meist auf ein einziges Anliegen, ein Thema, einen Faktor fixiert. Gleichzeitig nehmen ange sichts des üblichen Lebensstils Sinnlosigkeitsempfindungen zu, es steigt der Frustra tions- und Angstpegel, teilweise bis zu apokalyptischen Anschärfungen.^ Diese Stimmungslage ist nicht ungefährlich. Wacher, klarer Blick und kultu relle Gestaltungsbereitschaft sind wichhger denn je. Dazu gehört, die aktuellen pro blematischen Tendenzen wahrzunehmen, um ihnen NIGHT zu erliegen. Unser Land, unser Volk ist reich an geistigen und materiellen Ressourcen. Identifizieren wir anstrebenswerte Ziele und zukunftsfähige Werte und setzen wir die Reserven dafür Tiefe Wurzeln - weite Horizonte: Lebenskultur für heute und morgen Personen schaffen Kultur® Viele passen sich konformistisch an die vorherrschenden Tendenzen und Stimmungen an. Aber das ist gerade nicht die fialtung freier Persönlichkeiten. Gegen häufige Illusionen und Ideologien ist klarzustellen: Entgrenzung, Zuwachs an Möglichkeiten ist noch nicht Freiheit. Alles kommt darauf an, daß Personen ihr ' Vgl. dazu z. B. U. Beck: Risikogesellschaft. Auf dem Weg in eine andere Moderne. Frankfurt 1986. - U. Horstmann: Das Untier. Konturen einer Philosophie der Menschenflucht. Frankfurt 1985. - O. Höffe: Moral als Preis der Moderne. Ein Versuch über Wissenschaft, Technik und Umwelt. Frankfurt ^1993. - Ph. Schmitz: Wohin treibt die Politik? Über die Notwendigkeit von Ethik. Freiburg/Br. 1993. " Klassisch zu „Kultur": A. L. Kroeber, C. Kluckhohn: Culture. A Critical Review of Concepts and Definitions. New York 1963. - F. Steinbacher: Kultur. Begriff - Theorie - Funktion. Stuttgart 1976. - M. Landmann: Der Mensch als Schöpfer und Geschöpf der Kultur. München 1961. - A. Weber: Kultur geschichte als Kultursoziologie. München H951. - Aktuell: W. Lipp (Hg.): Industriegesellschaft und Regionalkultur. München 1984. Heimat heute. Mit Beiträgen von H. Bausinger u.a. Red.: H. G. Weh ling. Stuttgart 1984. - 1. Mörth, G. Niel, O. Stoik: Kulturheimat Oberösterreich? Kulturelle Identität im Europa der Regionen. PADL Linz o. ]. (1993). - Vgl. dazu auch die Schriftenreihe des OÖ. Landes instituts für Volksbildung und Heimatpflege/OO. Volksbildungswerk.

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