als einer nicht des Beweises bedürftigen Wahrheit aus. Deshalb sah er in den ideologischen Heilsleh ren der Moderne, die konsequent in die totalitä ren Bewegungen des 20. Jahrhunderts mündeten, die Quelle der „Unordnung". Die beiden kleinen Schriften, die mit diesen Zeilen angezeigt werden, lassen die geistige Weite und Tiefe der Gedanken dieses bei uns fast schon vergessenen Philosophen, Historikers und Staats denkers erahnen. Noch eine Anmerkung zu S. 149 der „Autobiographischen Reflexionen": Der öster reichische Historiker Otto Brunner lebte von 1898 bis 1982, wurde gleich alt wie Voegelin und schrieb u.a. einen historischen Abriß über „Das Zeitalter der Ideologien" (in: Neue Wege der Verfassungs- und Sozialgeschichte, 1968); der eben falls auf S. 149 vorgestellte Leon Brunschvicg ist Herausgeber der Werke von Blaise Pascal. Josef Demmelbauer Enderlein: Der Begriff der Freiheit als Tatbe standsmerkmal der Grundrechte. Konzeption und Begründung eines einheitlichen formalen Freiheitsbegriffs, dargestellt am Beispiel der Kunstfreiheit. Berlin: Verlag Duncker & Hamblot, 1995. XII, 221 Sei ten, DM 84,-. Zunächst scheint „Freiheit" neben einem poli tischen Schlagwort (nur) ein philosophischer Be griff zu sein. Weil sich die Freiheit des einen an der Freiheit des anderen reibt, ist sie aber auch Gegen stand der Rechtsordnung, ja nach Kant ist die Rechtsgemeinschaft als System geordneter Frei heit zu sehen; „an des Jahrhunderts Neige" (vom 18. auf das 19. Jahrhundert) sieht Schiller den Menschen „frei durch Vernunft, stark durch Ge setze". Den Künstlern ruft er zu: „Der Menschheit Würde ist in eure Hand gegeben. Bewahret sie! Sie sinkt mit euch! Mit euch wird sie sich heben!" Die Künstler als Garanten der Menschen würde: Schillers idealistischer Sinn findet heute nur noch bei wenigen Anklang, etwa bei Günter Rombold am Schluß seines Beitrages im Ab schlußband des Kubin-Projekts 1995, wenn er darin den Menschen als auf Sinnfindung hin an gelegt bezeichnet und den Künstler den Sinn in der gestalteten Form finden läßt. „Der Zeit ihre Kunst, der Kunst ihre Freiheit" war das Motto der Wiener Secession um die nächste Jahrhundert wende. In ihrem Essay „Uber die Menschen würde", 1971 erstmals erschienen, festgehalten in der vom Adalbert-Stifter-lnstitut des Landes Oberösterreich herausgegebenen Essay-Samm lung „Echolot", läßt Gertrud Fussenegger im Motto der erhabenen Sprache des Pico della Mirandola einen Buchtitel der frühen siebziger Jahre folgen; er heißt, brutal und zynisch, vielleicht auch verzweifelt: „Der Mensch ist eine Sau". Zahlreiche große Freiheiten des Kunstbetrie bes unter entsprechender medialer Begleitmusik verstören die „schweigende Mehrheit", soweit sie noch an der Kunst Anteil nimmt. Ist die Kunstfrei heit ohne jede gesetzliche Schranke? Das Bonner Grundgesetz formuliert: „Kunst und ... sind frei" (Art 5 III). Seit 1982 enthält unser Staatsgrundge setz über die allgemeinen Rechte der Staatsbürger einen Art. 17a mit folgendem Text: „Das künstleri sche Schaffen, die Vermittlung von Kunst sowie deren Lehre ist frei." Doch: Was bedeutet „frei"? (vgl. dazu Enderlein, S. 21-42). So wie nach dem Bonner Grundgesetz, um dessen Kunstbegriff und seine Schranken das Buch von Enderlein kreist, hält die herrschende Lehre auch für Oster reich dafür, daß es zwar einen allgemein aner kannten Kunstbegriff nicht gibt, daß die Kunst freiheit aber notwendigerweise - wie jede rechtli che Regelung - sog. immanente Grundrechts schranken hat. Dem Freiheitsbegriff im allgemei nen, der Kunstfreiheit im besonderen geht der Verfasser unter Verwendung mehrerer bekannter Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts in Karlsruhe nach, dem Verhältnis von Kunstfrei heit und Jugendschutz z. B. im Fall „Josefine Mutzenbacher", und zwar wegen der Aufnahme dieses Romans in die Liste jugendgefährdender Schrif ten (S. 8ff.; S. 197ff.). Schon dieses Beispiel zeigt die Praxisnähe der Untersuchung, an welcher der österreichische Leser nur bedauert, daß sie sich völlig auf die deutsche Rechtslage beschränkt, weshalb er hier auf die Darstellung der „Freiheit der Kunst" durch den (aus Ried i. 1. stammenden) Staatsrechtler Theo Öhlinger, Verfassungsrecht, 2. Aufl. (Wien 1995), S. 323 ff., aufmerksam gemacht sei. Eines noch: Lehrern und Schülern in höheren Klassen höherer Schulen ist das Buch - unabhän gig von jeder Juristerei - deshalb zu empfehlen, weil es die Lehren von Rousseau, Kant und John Locke im Licht sonst kaum zugänglicher Kom mentatoren vorstellt. Übrigens: Ein originelles Geschenk für angehende Maturanten! Josef Demmelbauer
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