OÖ. Heimatblätter 1996, 50. Jahrgang, Heft 3

Von der begeisternden Freiheit und von der löbli chen Gleichheit!" (Goethe, Hermann und Dorothea, Klio/Das Zeitalter). Das war die Faszination, welche die Französi sche Revolution auf ihre späteren Opfer gemacht hatte. Auf die Euphorie folgte die Ernüchterung, so wie das vielfach heute ist, etwa in der Wieder gutmachung nach Enteignung, die in der früheren DDR das Wiedervereinigungsklima beeinträch tigt. Diese Frage, welche die Alteren unter uns noch unter den Schlagwörtern „Arisierung" und den u. a. auf sie bezogenen Rückstellungsgesetzen nach dem Zweiten Weltkrieg kennen, ist nicht neu: R. Schnur erörtert sie am Beispiel der franzö sischen Emigranten in der Zeit der Restauration, also nach der endgültigen Verbannung Napole ons (S. 99). Den Historiker, ja jeden geschichtlich Interessierten, geht der Beitrag „Land und Meer - Napoleon gegen England" (S. 33) als ein Kapitel der Geschichte internationaler Politik an; darin findet sich (Anm. 11 auf S. 34) der berühmte Satz Hegels: „Wie für das Prinzip des Familienlebens die Erde, fester Grund und Boden Bedingung ist, so ist für die Industrie das nach außen sie bele bende natürliche Element das Meer." Dem Deutschlehrer und jedem literarisch In teressierten eröffnet R. Schnur in „Tradition und Fortschritt im Rechtsdenken Christoph Martin Wielands" (S. 59) eine neue Sicht auf die Bedeu tung - heute würden wir eher sagen: auf das For mat - dieses Dichters, der angesichts des mit der Französischen Revolution einhergehenden Fana tismus - vergeblich - vor dem Denken und Han deln in Extremen warnte und dessen Satz: „Wer kein tiefes Gefühl von seinen Pflichten hat, kann keinen richtigen Begriff von seinen Rechten ha ben" endlich ins allgemeine Bewußtsein Einzug halten möge! Josef Demmelbauer Eric Voegelin: Die politischen Religionen. 2. Auß., 1996. 85 Seiten, DM 28,-, S 207,-. Eric Voegelin: Autobiographische Reflexionen. 1994. 185 Seiten, DM 48,-, S 375,-. Jeweils im Wilhelm-Fink-Verlag, München. Eric(h) Voegelin (1901-1985) hatte in Wien studiert, bei Spann und Kelsen promoviert, dann Studien in den USA und in Frankreich absolviert, ehe er sich 1928 in Wien für Gesellschaftslehre ha bilitierte. 1935 wurde er dort a. o. Professor für Staatslehre und Soziologie. 1936 erschien sein nach Umfang und Inhalt gewichtiges Buch „Der autoritäre Staat", an dessen Anfang „Carl Schmitts Begriff des totalen Staates", an dessen Ende „Die österreichische Theorie der Autorität" mit Dollfuß steht. 1938 muß er, obwohl weder Jude noch Kommunist, in die Emigration gehen, er findet in den USA universitäre Wirkungsstät ten, wendet sich der Politikwissenschaft, der hi storischen Forschung und philosophischen und theologischen Fragen zu, lernt Griechisch - er hatte ein Realgymnasium besucht -, Hebräisch und Chinesisch, um die großen Werke der großen Kulturen im Original studieren zu können. Nicht von seinen künftigen großen Büchern ist hier die Rede, sondern von der kleinen, im April 1938 in Wien erschienenen Studie über die „Politischen Religionen", deren Thema die politischen Bewe gungen der dreißiger Jahre in Europa sind, insbe sondere der Nationalsozialismus und der Bol schewismus mit ihrer quasireligiösen totalen Ver einnahmung der Menschen. Die „Autobiographischen Reflexionen" ge hen auf Gespräche zurück, die Voegelin mit einem seiner Schüler, dem amerikanischen Professor Ellis Sandoz, 1973 in den USA geführt hatte. Nach wie vor sind Voegelin jene Ideologien unheimlich, welche die Änderung der Natur des Menschen, also den „neuen Menschen" voraussetzen, die das 20. Jahrhundert bis zu ihrem Zusammenbruch in Europa geprägt haben. Darin trifft sich Voegelin mit seinem früheren Lehrer Kelsen, der gegen die aufklärerische Anthropologie Max Adlers ge schrieben hatte: „Der Mensch: Das ist das Mate rial, aus dem auch das Haus einer künftigen Ge sellschaftsordnung gebaut werden muß; es ist dasselbe Material, aus dem schon der Staat von heute und gestern besteht - und das gewiß mit ein Grund dafür ist, daß dieses Haus so viel zu wün schen übrigläßt, wenn darum auch keineswegs angenommen werden muß, daß es aus eben die sem Material nicht viel besser gebaut werden könnte. Wer aber den Palast der Zukunft aus an derem Material errichten zu können glaubt, wer seine Hoffnung auf eine andere Menschennatur stützt, als jene ist, die wir kennen, der gerät unrett bar ins Nebelland der Utopie." Zweifellos ist aber auch Voegelins Standort selbst ideologisch fixiert. Das verleugnet er aber bei seinem „ungenierten" Bekenntnis zur Gottesidee nie. Voegelins Werk ist Bekenntnis, wie es heute selten ist. Sein mehrbän diges Opus magnum „Order and History" geht vom Wirken göttlicher Kräfte in der Geschichte

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