OÖ. Heimatblätter 1996, 50. Jahrgang, Heft 3

Josef Stief: Flechtgebäck und figürliches Gebäck. Anleitung zur Herstellung in Wort und Bild. München: Landesinnungsverband für das bayerische Bäckerhandwerk, 1995.10,, erw. Außage, 42 Werktafeln, 16 Farbtafeln. Wie ein großes volkskundliches Bilderbuch, das eine Uberfülle von deutschen und österreichi schen Festtagsgebäcken mit hervorragenden Er läuterungen enthält, liegt diese Mappe vor uns. Mit den Einleitungsworten von Landesinnungs meister Heinrich Traublinger und Obermeister Vinzenz Zöttl wird auf die große Bedeutung des Werkes für die Bäckerschaft hingewiesen, das nunmehr bereits in zehnter (!) Auflage vorliegt. Aber nicht nur für die Bäcker, sondern auch für die vielen Hausfrauen, die jetzt immer mehr nach den traditionellen Gebäcken fragen, ist dieses Werk J. Stiefs von bleibendem Wert. Uns kommt es vor allem darauf an, daß dieses Handbuch für die Verwendung im Jahres- und Lebensbrauch von hervorragender Bedeutung ist. In seinen als „Werktafeln" bezeichneten Blät tern legt der Autor die oft gar nicht so leicht aus zuführenden Handgriffe fest, mit denen durch in einander- oder aufeinanderliegende Teigsträhne jene schönen Gebäcke entstehen, die er dann auch in weiteren „Farbtafeln" vorlegt. Der Verfasser lebt als Studiendirektor in Pension in Aying bei Mün chen. Nach längerer Zeit als Lehrer für den theo retischen Unterricht an der Berufsschule für Bäkker in München übernahm er die Leitung der Se minarschule am Simon-Knoll-Platz in München zur Ausbildung der Studienreferendare des Nah rungsmittelgewerbes. Natürlich ist es nicht möglich, alle diese Ge bildbrote näher zu beschreiben, aber ein kleiner Uberblick, vor allem über die zahlreichen österrei chischen Gebäcke des Brauchtums, mag wohl die große Behutsamkeit in der Auswahl der Brote auf zeigen, die auch für die Wahl der dabei verwende ten Symbole angewandt wird. Schon die Farbtafel 1 und die Werktafeln 10, II sind u.a. auch den Wiener und Münchener Zopfgebäcken („Striezeln") gewidmet, die heute als Sonntagsgebäck in Süddeutschland und Osterreich weit verbreitet sind, einst aber als Ge schenk der Paten zu Allerheiligen, Neujahr und Ostern eine große Rolle spielten. In der Sorgfalt, mit der die Eltern diese Personen auswählten, zeigt sich auch die Besonderheit ihrer Gaben, denn weithin verbreitet bestand die Meinung, daß die Eigenschaften des Paten (wie z. B. seine Freige bigkeit) und seiner Gaben (z.B. Größe und Aus führung der Striezel) die Entwicklung der Paten kinder beeinflußten. In gleicher Weise geschah dies auch durch die Spende der im westlichen Österreich und in Südtirol üblichen Tiergebäcke, die dort statt der Striezel gegeben werden (oder wurden), wie Pferde, Hirsche, Hasen, Hähne und Hennen, die J. Stief in den Farbtafeln 3, 4, 6, 8 u. a. in sehr schönen Gebäcksformen wiedergibt. Da auch im Erntebrauch solche, jedoch aus Stroh ge flochtene Tierdarstellungen verwendet werden, denen man einen besonders günsHgen Einfluß auf die kommende Ernte zuschreibt, wurde offenbar auch diesen Gebäcksformen eine solche Vitalkraft zugeschrieben, die (s. o.) auf die beschenkten Kin der übergeht. Dem Allerseelenbrauch gehören auch die im Bezirk Kirchdorf und im Rheinland üblichen „Himmelsleitern" (Farbtafel 3) an, die aus vier-, sechs- oder acht Doppelspiralen, die aneinandergebacken werden, bestehen. Der eigenarhge Name erklärt sich aus der deutschen Bezeichnung „Kommherumchen", die sich auf den sich langsam aus ihrem Tiefstand emporwindenden Lauf der Sonne bezieht. Großartig dann das „Wirbelrad" (Werktafel 38, Farbtafel), das bis zu 50 cm Durch messer große, in Radform angeordnete Spiralen bildet, in deren Mitte eine große Schnecke gesetzt ist. Das als „Neujahr" bezeichnete Gebäck, das so wohl im Mühlviertel als auch in einzelnen deut schen Orten und vor allem in Skandinavien vor kommt, weist eine lange Geschichte auf, da sein Sinnbild auf zahlreichen Gefäßen, insbesondere in der mächtigen Scheibe des bronzezeitlichen „Sonnenwagens" von Trundholm (Nationalmu seum Kopenhagen) angebracht ist. Zahlreich sind im weiteren die mittwinterli chen Gebildbrote: die verschiedenen Nikolausund Krampusbrote (Farbtafel 5) oder die Krippen darstellungen (Farbtafel 16), darunter als große Besonderheit der burgenländische „Hausvater" (Farbtafel 3), ein in einen schönen Polster gehüll tes Wickelkind, das der Vater der Familie als „Hausvater" in die Christmette mitnimmt und nachher in so viele Stücke aufschneidet, als Fami lienmitglieder im Haus anwesend sind. Diese es sen andachtsvoll ihr Stück von dem Brote, in dem der alle Jahre wiedergeborene Urahn sich sozusa gen segnend seinen Angehörigen mitteilt. Groß ist die Zahl der Osterbrote (Werktafeln 31-33, Farbtafeln 6, 8, 14) sowie der Symbolgebäcke (Hochzeits-, Widmungs-, Muttertags-, Geburtstagsgebäcke (Farbtafeln II, 12, 14 u.a.), die

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