OÖ. Heimatblätter 1996, 50. Jahrgang, Heft 3

enthalte im Stift St. Florian. „Am 28. Jänner war Adalbert Stifter in Linz gestorben, Bruckner und Stifter verließen also Linz im gleichen Jahr 1868" (S. 29). „Im gleichen Jahr [1881] wurde Bruckner Mitglied der Hofkapelle. Im März 1881 wurde in Budapest der Komponist Bela Bartok, ein Vertre ter der neuen Musik, geboren" (S. 35). Unübersehbar trifft man auf eine Reihe von Sachfehlern: „Nach Abschluß der Schule in St. Emmeram entschied sich Anton zur Ausbildung als Lehrer" (S. 16). Besonders fantasievoll geht er mit einem 1842 vertonten Fange lingua, vermut lich WAB 31 oder 32, um: „Es ist von erheblicher Bedeutung, daß Bruckner in einem der ersten sei ner Werke diese Verse des Thomas von Aquin ver tonte, von denen er sich zutiefst angesprochen fühlte. Der junge Bruckner suchte damit den Zu gang zu dem esotherischen Geheimnis des Leibes Christi" (S. 17). Thomas wird darauf in der einzi gen Fußnote dieses Buches biographisch unnötig ausführlich gewürdigt, wo man auch erfährt, „Thomas hatte wesentlichen Einfluß auf die Ent stehung des Danteschen Weltbildes,...". Uber Bruckners Religiosität, Frömmigkeit und Euchari stieverehrung ist man sich allerdings heute im kla ren. Weiters dazu: „Auf dem Titelblatt ist nach dem Fange lingua das Chorwerk Tantum ergo er wähnt, das ein Jahr nach dem Fange lingua in Kronstorf entstanden war,..." (S. 17). Dem autographen Notentext wäre aber zu entnehmen, daß das Tantum ergo kein selbständiges Werk, son dern nur eine weitere Strophe des Hymnus ist. Unangebracht ist an dieser Stelle die Reproduk tion des Autographs des Fange lingua (WAB 33) mit dem autographen Zusatz „Linz, 31. Jänner 868. Anton Bruckner" (S. 18). Der Satz „Im Jahr 1850/ 51 besuchte er den Präparandenkurs in Linz, wor aufhin er in St. Florian zum definitiven Stiftsorga nist ernannt wurde" (S. 19) verlangt zwei Richtig stellungen: 1840/41 statt 1850/51 und provisorisch statt definitiv. Der Chorherr und Chorregent des Stiftes St. Florian war nicht Professor an der Uni versität Wien (S. 76), sondern an der theologi schen Hauslehranstalt des Stiftes. Ungewöhnlich und unzutreffend ist die Cewichtung verschiede ner Fakten und Details im Leben Bruckners, z.B.: Thomas v. Aquino, Tod der Mutter, Kuraufenthalt in Kreuzen. Weitere Stilblüten und inhaltliche Feh ler wird der Leser unschwer selbst finden. Wenn man schließlich auf die Berechnung der „Jahrsiebte" stößt, ist man bei der gewaltsam herbeigeholten anthroposophischen Interpreta tion angelangt. Bruckners Werk sei der Versuch, „zur übersinnlichen Welt und zu den verstorbenen Persönlichkeiten seines eigenen Umgangs" in Be ziehung zu treten. So bringt er auch das Te Deum mit „dunkler Lebensstimmung" in Verbindung. „... er denkt an Krankheit und Kümmernis, an die, die ihn verlassen haben - und damit an sein eige nes Te Deum" (S. 76). Bei aller Negativkritik muß aber das Ver dienst - auch das enthüllt Seite 93 - hervorgeho ben werden, daß der Autor eine wertvolle Samm lung von Autographen und Fotos A. Bruckners und seines künstlerischen Umfeldes angelegt hat; darin liegt auch der Wert des Buches. In dieser be finden sich die „neuen Dokumente" oder, besser gesagt, die in der Bruckner-Literatur bis jetzt als verschollen geltenden oder unbekannten. Dort, wo auf diese und andere Quellen oder Literatur Bezug genommen wird, sollte das auch in Fußno ten, wie in einem einzigen Fall, erfolgen. So sehr die Veröffentlichung einer privaten Dokumenten sammlung eine Bereicherung sein kann, beweist der Autor nicht die nötigen Fachkenntnisse, alle inhaltlichen Bezüge richtig aufzuzeigen. Autor und Verlag hätten besser daran getan, damit kom petente Personen zu betrauen. Karl Mitterschiffthaler Ernst Herhaus: Phänomen Bruckner. Hörfrag mente. Wetzlar: Büchse der Pandora, 1995. 125 Seiten, mit Ab bildungen und einem Notenbeispiel. ISBN 3-881 78-110-2 Ein Hörender, nicht ein die Werke Analysie render, nähert sich hier der Musik. Der deutsche Schriftsteller Ernst Herhaus will nicht in die Werke Bruckners einführen, sondern will mit sei nen sehr subjektiven Empfindungen und persönli chen Bekenntnissen zum Verständnis von Bruck ners Symphonien neue Wege aufzeigen, was er mit dem am Beginn und auf dem Rückendeckel des Buches abgedruckten Leitgedanken aus drückt: „So zuhören und immer wieder hören, bis ein Selber-Hören mit voller Phänomenalität be ginnt, mit einem ganzen Kranz von sinnlichen Er scheinungsweisen aus der eigenen Selbstnähe, die den Musikjargons für immer Adieu sagt." Mit der Empfindsamkeit eines Poeten und mit der Treffsi cherheit eines Literaturkritikers legt er in Tage buchnotizen, die er innerhalb von fünfzehn Jahren niedergeschrieben hat, und autobiographischen Rückblicken seine erspürten Eindrücke zu zehn Symphonien Bruckners dar. Bei aller Subjektivität

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