OÖ. Heimatblätter 1996, 50. Jahrgang, Heft 3

Die großen geschichtlichen Zusammenhänge sind uns allen bekannt, der Zusammenbruch des Nationalsozialismus, das Kriegsende sowie der Einmarsch und die Besetzung durch die Alli ierten. All dies wirkte sich natürlich direkt auf die Hauptbetroffenen, die Bevölkerung, aus. Lange Zeit wurde Geschichte nur als Abfolge von gro ßen Ereignissen, als Werk bedeutender Persön lichkeiten, als nüchterne Darstellung von Zahlen und Fakten gesehen. Seit einiger Zeit ist dies an ders. Die „Geschichte von unten", also das Erleben der sogenannten „kleinen Leute", rückte immer mehr in den Vordergrund und damit auch die Methode der „oral history", also der Berücksichti gung der mündlichen Erzählungen jener Bevölke rungsschicht als historische Quelle. Auch das vorliegende Buch gehört zu dieser Art der Geschichtsschreibung. In ihm geben 36 Menschen, die alle die Ereignisse des Jahres 1945 auf verschiedenste Weise erlebt haben, Zeugnis ab über ihre Erlebnisse. Sie waren damals zum Teil noch Kinder, waren Mütter, Priester oder Solda ten und haben dementsprechende Berichte ver faßt. Freilich sind ihre Erzählungen subjektiv ge färbt und bilden einen eigenen, umgrenzten Aus schnitt des Geschehens jener Tage. Es wird auch gar nicht versucht, hier etwas anderes hineinzu interpretieren. Die Geschichten stehen - nur mit den notwendigsten Hinweisen versehen - für sich alleine. Vielleicht beziehen sie gerade daraus diese große Wirkung, die sie auf den Leser haben. Denn eines ist allen gemeinsam, so unterschiedlich sie auch sein mögen: sie berühren auf eindrucksvolle Art und Weise. Sie lassen die Sorgen und Nöte je ner Zeit realistisch vor uns entstehen, ohne zu be schönigen oder zu übertreiben. Der Mühlviertler Verlag „Edition Geschichte der Heimat" hatte es sich zur Aufgabe gemacht, solcherart Geschichte möglichst lebendig der Be völkerung nahezubringen und kann schon auf et liche gelungene Produktionen verweisen. Auch das vorliegende Werk ist wieder von der gewohn ten Qualität und Aussagekraft. Es ist sowohl dem Herausgeber als auch dem Verlag zur Auswahl, Aufarbeitung und Ausgestaltung, kurz, zum gan zen Buch zu gratulieren und zu wünschen, daß dieses Werk eine zahlreiche Leserschar findet. Erich Weidinger: Sagen und Märchen vom Atter see. Seewalchen und Wien: Edition Antens, 1995. 94 Seiten, reich bebildert. ISBN 3-85340-01-9 In seinem neuesten Sagenband erzählt uns Erich Weidinger schaurige, lustige und besinnli che Geschichten aus dem Land rund um den At tersee. Weit über hundert Sagen und Märchen umfaßt dieses Buch, die teilweise aus bereits pu blizierten Sammlungen stammen, teilweise aus al ten Pfarrchroniken und Archiven renommierter Heimatforscher dieser Gegend, wie etwa Hans Dickinger und Oskar Schmotzer. Aber auch mündliche Mitteilungen bereichern diesen Band. Weidinger gliedert den Band in vier Teile. Im ersten werden die Sagen erzählt. Diese sind den Gemeinden nach geordnet. So erfährt man auch die Spitznamen einiger Ortschaften. Die Schörflinger wurden zum Beispiel „Rindsüppler" ge nannt, da sie die Gewohnheit hatten, auf ihren Reisen ein Häferl, mit Rindsuppe gefüllt, mitzu nehmen, um sich die Gasthauskosten zu ersparen. Die Sagenwanderung führt uns aber nicht nur durch Dörfer und Märkte, sie bringt uns auch hoch hinauf ins Höllengebirge und tief hinein in finstere Höhlen, in denen Hexen, Bergfrauen und der Teufel hausen. Der zweite Teil nennt sich „Fromme Ge schichten" und bringt Sagen von Heiligen und de ren Erscheinungen auf Erden. Den Märchen ist der dritte Abschnitt gewid met, und Teil vier erzählt Geschichten aus der Kai serzeit. Leider erfährt man dabei nicht, um welche Kaiser es sich genau gehandelt hat. Die betreffen den Personen werden nur als Kaiser Joseph und als Kaiser Franz bezeichnet. Im Anhang werden Literatur und Quellen ge nannt und die Aufzeichnungen der einzelnen Sa gen durch Anmerkungen kritisch erörtert. Dieses Buch Erich Weidingers dient nicht nur dem Liebhaber von Sagen und Märchen und dem Verehrer der Atterseelandschaft, es bietet auch dem Volkskundler oder Heimatforscher einen in teressanten Einblick in das Erzählgut der Landbe völkerung und bewahrt dies so vor dem Verges senwerden. Gerhard Gaigg Klaus Petermayr

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