Hans Maier (Hrsg.): „Totalitarismus" und „Politi sche Religionen". Konzepte des Diktaturver gleichs. Paderborn: Verlag Ferdinand Schöningh, 1996, 441 Sei len, S 355,-. Dieser - faszinierende - Band 16 der Reihe „Politik und kommunikationswissenschaftliche Veröffentlichungen der Görres-Gesellschaft" do kumentiert in drei Kapiteln eine internationale Ar beitstagung vom September 1994 in München. Das erste Kapitel ist den Despotien unseres Jahr hunderts gewidmet. Im zweiten werden religions wissenschaftliche Kategorien zur Deutung der „politischen Religionen" herangezogen, über die der frühere Kelsen-Assistent Eric(h) Voegelin 1938 ein Buch dieses Titels veröffentlicht hatte. Hans Maier, der Herausgeber dieses Bandes, langjähri ger bayerischer Kultusminister, Wissenschaftler, Musiker und Schöngeist, beleuchtet die totalitä ren Regime und das Christentum unter demsel ben Titel auch im Bd. 4414 der Herder/SpektrumReihe. Was sind politische Religionen? Es spricht für die Weitsicht und den Tiefgang Dostojewskis, ihr Aufkommen schon im vorigen Jahrhundert vorausgesehen zu haben; Im Roman „Die Brüder Karamasow" (2. Buch, 5. Kapitel) entsteht im Zuge eines Streitgesprächs über das Verhältnis Kirche - Staat die Vision vom Staat, der sich die Kirche nicht mehr bloß unterwirft, sondern sich in die Kirche verwandelt, sich zur Kirche erhebt. Der Staat wird zur Kirche auf der ganzen Erde: „Von Osten wird das Licht der Welt kommen." Was dort noch als die „große Bestimmung nur der Or thodoxie auf Erden" gesehen wird, wurde zum Dogma des Weltkommunismus Moskauer Prä gung. Der Staat erhebt einen Totalitätsanspruch, indem er sich zum Schöpfer und Bewahrer gei stig-sittlicher Werte aufwirft. Auch die Inquisition ist säkularisiert. Wie einst der konfessionellen spürt sie heute der politischen Abweichung nach..." (Ernst Jünger, 1982). Die Weimarer parla mentarische Republik konnte so wenig wie der Parlamentarismus in der Ersten Republik Öster reich die Hoffnungen der Menschen auf eine bes sere Zukunft befriedigen, weshalb beide 1933 bzw. 1938 dem Diktator mit seinen auf die „Vorse hung" gestützten Heilsversprechungen anheimfie len. Das dritte Kapitel, die Dokumentation der Diskussion, kreist um die Frage, ob man aus den Erfahrungen mit dem Bolschewismus, Faschismus und Nationalsozialismus heilsame Lehren für die Zukunft ziehen werde. Fünf Beiträge zur For schung beschließen den Band. Einen direkten Österreich-Bezug enthält daraus die Untersu chung von Karl Dietrich Bracher über „National sozialismus, Faschismus und autoritäre Regime", und zwar über Anfang und Ende des Ständestaa tes als eines vieler Teile der autoritären Welle jener Zeit (S. 357 ff.). Für den Literaturunterricht in den höheren Schulen kann die Studie über „Die mo dernen Gewaltregime und die Literatur" (S. 211 ff.) nicht eindringlich genug empfohlen werden: Kafka, Benn und Ernst Jünger, Hermann Broch, Werner Bergengruen mit seinem heute bereits ver drängten „Großtyrann" und schließlich Thomas Mann sind hiebei die Protagonisten. „50 Jahre Zweite Republik" 1995 und „Tau send Jahre Österreich" 1996 als politische Feiern quer durch das Land sollten zu Hause begleitet werden vom Nachdenken über die geistigen Ursa chen vor allem des Zweiten Weltkrieges und de ren Vermeidung in der nahen Zukunft des näch sten Jahrtausends. Hiefür kommt dieser Band wie gerufen, dies auch wegen seines günstigen Preises. Josef Demmelbauer Bischof Clemens August Graf von Galen. Akten, Briefe und Predigten. Veröffentlichungen der Kommission für Zeitgeschichte, Bd. 42. 2., erweiterte Auflage. Bd. 1 1933-1939, Bd. II 1939-1946. Bearbeitet von Peter Löffler. Paderborn: Ver lag Ferdinand Schöningh, 1996. 1.580 Seiten, Gesamt preis: S 725,-. Wer, begabt mit der „Gnade der späten Ge burt", das Versagen der älteren Generation vor dem Nationalsozialismus verurteilt, hat in der Re gel zu wenig Kenntnis von jener Zeit in Deutsch land und dann in der „Ostmark", persönliche Er fahrungen naturgemäß überhaupt nicht. Der Bi schof von Münster gehörte in der NS-Zeit zu den wenigen in hoher Stellung, die auf scharfen Kon frontationskurs zu den Auswüchsen der NS-Herrschaft gingen. Mit Clemens August Graf von Ga len, von 1933 bis zu seinem Tod 1946, nachdem er erst einen Monat vorher die Kardinalswürde er halten hatte, taten sich die NS-Machthaber schon wegen seiner Herkunft schwer: Er entstammte ei nem alten westfälischen Adelsgeschlecht, kam als elftes von 13 Geschwistern 1878 auf Burg Dink lage im Oldenburger Münsterland zur Welt, war von 1906 bis 1929 Seelsorger in Berlin, dann Pfar rer in Münster (1929-1933), ehe er dort Bischof wurde. Die konservative preußisch-staatstreue Gesinnung der großen Familie paßte geradezu
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