OÖ. Heimatblätter 1996, 50. Jahrgang, Heft 1

genealogische Ordnung mitgedacht, so bleiben Bauernkinder, -söhne wie -töchter, dies bis zum Zeitpunkt ihrer Verheiratung, unabhängig von ihrem Lebensalter und dem Vorhandensein noch lebender Eltern, wie zwei besonders markante Beispiele, das des 64jährigen Hausbesitzersohnes Jakob Hochholzer, gestorben am 21. November 1911, und einer 72jährigen Bauerstochter, Anna Burgstaller vom Rieselshofergut, verstorben am 18. März 1930, zeigen. Interessanterweise verschwindet in fast allen Sterbeandenken der Mädchen name der Frau, der sich auf Grabsteinen zumindest gelegentlich erhalten hat, auch wenn es sich um sehr jung verheiratet Verstorbene handelt.^^ Da die kulturell codierten Geschlechtscharaktere auch Einfluß auf die Aus wahl der jeweils verwendeten Motive nehmen, ist die Untersuchung des Materials hinsichtlich der aufscheinenden „Bilder" ein zweiter Weg, Besonderheiten weiblicher Sterbeandenken und der vermittelten Frauenideale (am Beispiel der MutterGedichte als häufigste Variante) nachzugehen. Mit einem Gebet als Empfehlung der armen Seele verabschiedet werden grundsätzlich Nonnen (mit nur einer Ausnahme), tendenziell Frauen höheren Alters und überhaupt Verstorbene bis zum Ausklang der Monarchie; erst zu Beginn der dreißiger Jahre setzen sich Gedichttexte in der breiten Masse endgültig gegenüber dem schlichten Gebet für die arme Seele durch. Die Ergebnisse der Auswertung hinsichtlich der Motivwahl verschieben sich je nach Fragestellung geringfügig, teilweise kommt es zu Überschneidungen durch leitmotivartig verwendete Signalworte; Mutter (mit 44 Beispielen an der Spitze), Trost und Dank, Bitte und Mahnung, Lebewohl usw.; häufig wird der Schmerz durch den Verlust der Mutter in Verbindung mit Dank für die treue Pflichterfüllung, Sorge und Arbeit (Sorg' und Bangen, freudig schwerste Pflicht) thematisiert, wobei der Tod gelegentlich in der Rolle als Befreier von der übergroßen Bürde (endlich ruh in Frieden) auftritt. Transportiert werden vor allem funktionale Tugenden - Mutterschaft als Mittel zur Rettung der Seele; die Liebe der Kinder ist, wenn sie überhaupt spezielle Erwähnung findet, Resultat einer funktionsfähigen Familienbindung, die durch den Tod der Mutter instabil wird oder gar zu zerbrechen droht. Beim Tod von Männern scheint die Gefährdung der ökonomischen Sicherheit im Vordergrund zu stehen, während bei Frauen doch insgesamt die emotionale Komponente (duldend, treu, Mut terherz ... etc.) überwiegt. Dazu paßt auch die mittlerweile unübliche Bezeichnung Fräulein, wie für die am 29. März 1939 ver storbene Rosa Stauber, 88. " Dieser Umstand korreliert nicht mit dem Milieu, wie die vier vorliegenden Beispiele zeigen: die Brindlin (eine Bäuerin), eine Schuldirektorsgattin, zwei Schneiderinnen. Ordensangehörige werden in der Regel mit einem Gebet verabschiedet, Sterbejahr und -alter der Ver storbenen scheinen bei der Entscheidung Gebet - Gedicht zusammenzuwirken.

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