OÖ. Heimatblätter 1996, 50. Jahrgang, Heft 1

Gründe für die signifikante Abweichung müssen anderswo gesucht werden. Bei einem konsequenten Weiterdenken lassen sich unter Umständen Rückschlüsse auf „die Frauenfrage" ganz allgemein ableiten. Von der „Historizität" im lokalen und sozialen Umraum ausgeschlossen sind sicherlich nicht allein Individuen, sondern bestimmten Strukturen folgend größere Gruppen. Die „Quellen" schweigen in erster Linie von familiär Isolierten bezie hungsweise (nur mehr) schwach in den Familienverband Eingebundenen: geschlechtsunabhängig beispielsweise von Kindern, vor allem unterhalb des Schul alters. Orientiert man sich an Informationen zu Familienstand und sozialer Stellung, zeigt sich, daß zu den nur selten mit Sterbeandenken vertretenen im besonderen Unverheiratete höheren Alters und kinderlos Verwitwete in einer auch ökonomisch wenig abgesicherten Position, die nicht durch Eigenvorsorge ein „Vergessen-Werden" verhindern konnten, gehören. Darauf deutet auch die seltene Bezeichnung Schwester, Tante, Schwägerin (als alleiniges Attribut) hin; gegen eine rein geschlechtsspezifische Interpretation spricht allerdings eine ebenso spärliche Anzahl von synonymen Nennungen bei Männern.^" Eine grundsätzlich stärkere wirtschaftliche Position und bessere Heirats chancen auch älterer Männer als Wirksamwerden eines unterschiedlichen gesell schaftlichen Stellenwertes von Mann und Frau sind jedoch sicherlich ein wichtiger Faktor zur Erklärung für die ungleiche Größe der beiden Gruppen.^^ Berufliche Identität der Frau Wichtiges Indiz in diese Richtung ist auch die Uberprüfung der jeweiligen beruflichen Identität, die das Totenbild angibt. Wie bereits weiter oben angespro chen, ist die Qualität der Informationen über den Verstorbenen stark auf soziale Funktionalität ausgerichtet; Existenz definiert sich (abgesehen von Name, Adresse und Lebensalter) über den Beruf, wobei der ländliche Raum Frauen in letzterer Hin sicht relahv wenige Möglichkeiten zur Eigenständigkeit bietet: - Mitarbeit im landwirtschaftlichen Betrieb als Ehefrau, Schwester/Tante, Tochter und schließlich Mutter in unterschiedlichen Eigentumsverhältissen (schon die „Häuslerinnen" sind gegenüber ihrem realen Anteil in der Minderheit, „Besitze rinnen" sind äußerst selten); in zwei Fällen wird an Inwohnerinnen erinnert, die eine ungeklärte (verwandtschaftliche Bindung?) Stellung am Hof hatten. Das auffällige, vollständige Fehlen von Mägden (und Knechten) weist wiederum auf die ökonomi sche Beengtheit des ländlichen Proletariats hin.^^ Eine Ausnahme stellen die für Gefallene beider Weltkriege manchmal auch von entfernteren Ver wandten angefertigten Andenken dar. ■" Dieser anhand des gesamten Corpus konstatierte Umstand läßt sich auch innerhalb der einzelnen Fa miliensammlungen beobachten. " Für einige war das Dasein als Dienstmagd Durchgangsstadium auf dem Weg zur ffeirat mit einem Bauern oder Ffäuslmann.

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