OÖ. Heimatblätter 1996, 50. Jahrgang, Heft 1

Brüche jedoch bleiben trotz aller Angleichung durch soziale Kontrolle und standar disierte Herstellungsbedingungen. Motivkomplexe Zwei große, einander diametral gegenüberstehende Motivkomplexe um das Thema Tod bilden die Basis für unzählige (zum Teil nur geringfügig voneinander abweichende) Varianten und Ausformulierungen dieses letzten „Dialogs" mit den Toten. Zum einen die stark von der christlichen Philosophie sowie asketisch-mön chischer Tradition geprägte Sicht des Lebens als Aneinanderreihung von Prüfungen und Leiden, die folgerichtig den Tod als willkommene Erlösung zu einem Neube ginn begrüßt und entsprechende (Sprach-)Bilder für die Skizzierung irdischer Beschwernisse findet; „Pilgerfahrt/Erdenpilger", „Reise durchs Tal", „Trübsal, Kampf, Streit" usw. Der Verstorbene selbst preist sich glücklich (bealus), das Tagwerk voll bracht zu haben, das „letzte Stündlein" nahen zu sehen. Zu einer Steigerung und Akzentuierung des „Formulars" kommt es speziell unter dem aktuellen Eindruck miterlebten Sterbens; Du hast den hilkrn Kelch der Schmerzen, den dir das Schicksal hier beschert mit bleichem Mund, gebroch'nem Herzen von oben bis zum Grund geleert,^* langer Krank heit Trauerstunden... bis hin zum jubelnden ausgelitten - ausgerungen - überwunden - ent fesselt von der BürdeH In einem zweiten Genre wird die Bedeutung des Todes aus einem subjektiv emotionalen Blickwinkel zwischen den Extrempolen der Untröstlichkeit und der Abstraktion des Begriffs als Synonym für Vergänglichkeit/Schicksal reflektiert; am offenen Grab wird Dank gesagt, die Liebe zum Gatten/den Eltern bewußt, Tren nungsschmerz und Abschiedstränen angesprochen und affirmativ angenommen (o Tränen, fließet ohne Zahl...). Vor allem, wo der Tod eines Menschen aufgrund seines Alters oder seiner „Funktion" (Versorgung der Familie usw.) als verfrüht, ein Leben nicht „zu Ende gelebt" erscheint,'^ wird „das Walten höherer Mächte", wenn nicht in Frage gestellt, so doch unverhohlen thematisiert, ohnmächtige Trauer angesichts der Kürze der Lebenszeit nicht immer unterdrückt." Das Grab wird in paradoxer Umkehr zum Ort des Schutzes, die Endgültigkeit zur Antwort auf unerträgliche Ver letzungen. " Für die im Alter von 28 Jahren am 18. August 1945 verstorbene Aloisia Pühringer, geborene Zauner. Uberwunden, überwunden hast du nun nach langem Streit; Heil dir! Deines Kampfes Stunden lohnt der Preis der Ewigkeit. Blickt hinauf zu Gottes Thron, glänzend strahlt ihr Siegeslohn. Für Frl. Maria Breuer, verstorben am 13. Mai 1917, 55 Jahre alt. Vgl. dazu auch die Angst vor dem bösen Blick von Deliquenten, deren unausgeschöpfte Energie sich gegen die Gemeinschaft richten könnte; Richard van Dülmen, Das Schauspiel des Todes, In: Volks kultur, Hrsg. von van Dülmen, Frankfurt/M. 1987, p. 203-245. Zu früh riß dich von den deinen des Todesengels kalte Hand, zu früh klagen deine Kleinen um dich an deines Grabes Rand..., für Josephine Kühler, 31, gestorben am 16. Dezember 1946.

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