Methode Bewußt wurden in einem ersten Arbeitsgang die Sammlungen jeweils in sich geschlossen aufgenommen und erst für eine überblicksmäßige Auswertung in einer Art „Gesamtstatistik" nach verschiedenen Kriterien untersucht. Damit bleibt man in der methodischen Vorgangsweise nahe an Funktion und Entstehung der Sammlun gen, die größtenteils aus dem Erbe und Gebetbuch alter Frauen - den Verwalterin nen der Familiengeschichte - stammen. Das „Aufheben" beziehungsweise die Verwendung als Buchzeichen ent spricht dem religiösen und auch sozial funktionalen fiintergrund des Sterbebild chens: Beweis für und Erinnerung an die Teilnahme beim gemeinsamen Abschied der Dorfgemeinschaft von einem ihrer Mitglieder, Assoziationsbrücke im Sinne einer Erinnerung an den Verstorbenen, dessen Tod zum Nachdenken über und zum „Bereithalten" für den eigenen (memento mori) sowie zum Gebet für die arme Seele mahnen soll. Wichtig erscheint es in diesem Zusammenhang, auch die gerade im Bereich der Trauerbräuche evidenten geschlechtsspezifischen Unterschiede sowohl im Trau ern als auch im Erinnern - hinsichtlich ihrer Auswirkungen auf „Familienmythen", die Stellung der Frau (Eroberung sozialen Terrains in der Familie des Mannes) - im Auge zu behalten.® Familiäre Konstellationen, die Abfolge von Dorfgeschichte(n) und Besitzverhältnissen im ländlichen Raum erschließen sich über die Sterbebilder über Generationen, als Konsequenz des intensiven Umgangs stellt sich eine gewisse Vertrautheit mit dem dörflichen Beziehungsgeflecht, das ja auch verbal reflektiert und tradiert wird, ein. Sozial-religiöse Dynamik Das Totenbildchen als biographische Kurzform für den „sozialen Gebrauch" (entstanden aus Aufbahrungsdarstellungen Mariatheresianischer Zeit, der Aneig nung von Andachtsbildern und Wallfahrtsandenken)'' ermöglicht es einer auch in unserem Jahrhundert großteils noch „geschichtslosen" und traditionell buch- und schriftgläubigen Schicht, sich gewissermaßen selbst zu thematisieren und zu „ver ewigen" und ist damit wichtiges Moment in einer sozial-religiösen Dynamik, die zur raschen Verbreitung eines vorerst bürgerlichen Phänomens im bäuerlichen Milieu des frühen 19. Jahrhunderts beiträgt." Das Sterbebild beinhaltet und vermittelt aufgrund eines strukturgebenden Aufbaus (Bausteinprinzip) eine Fülle von Informationen zum Verstorbenen, seinem ^ Frauen spielen traditionell eine wichtige Rolle im Trauerritual, bei Sterben und Begräbnis. Siehe zum Beispiel: „Einsagerin/Bloaddabitterin", meist ältere Frauen, für die diese Aufgabe eine zusätzliche Ver dienstmöglichkeit darstellte (Anspruch auf Bettzeug des Verstorbenen etc.). "Vgl. Ursula Brunold-Bigler, Das Totenbildchen, in: Wiederentdeckung der Volksreligiosität, Hrsg. von J. Baumgartner, Regensburg 1979, p. 291-301. ' Zu Randgruppen, die vom Besitz eines eigenen Sterbeandenkens ausgeschlossen waren, siehe weiter unten, Abschnitt „Der Tod von Frauen".
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