nicht ernsthaft gefährden, die Zeiten wurden aber für die Arbeiterversicherungsver eine härter. Schon 1890, im ersten Jahr seines Erscheinens, widmete der Arbeiterschutz der Frage der Rekonvaleszentenpflege breiten Raum. Dabei wurde insbesondere darauf verwiesen, daß die Genesung erkrankter oder verunfallter Arbeiter in vielen Fällen an den Lebensbedingungen scheitern mußte; allein die damaligen Wohnbe dingungen der Arbeiterschaft in den Städten verhinderten eine Wiederherstellung der Gesundheit. Der von den Arbeiterärzten immer wieder geforderte Landaufent halt Genesender war für diese unerschwinglich, aufgrund der Krankengesetze betrug das Krankengeld nur die Hälfte des ortsüblichen Taglohnes, im Regelfall etwa fünf bis sechs Gulden pro Woche. Ein genesender Arbeiter konnte also gar nicht anders, als in seinen fast immer völlig unzureichenden Wohnverhältnissen auszuharren, wollte er nicht seine Familie hungern lassen. Daß unter solchen Umständen die Tuberkulose grassierte, kann niemanden verwundern. Es wurde fer ner auch zu Recht festgehalten, daß gerade der Rekonvaleszente mit den auf wenige Wochen begrenzten Versicherungsleistungen der Kassen sehr oft nicht das Auslan gen finden konnte. Dauerte die gesundheitliche Wiederherstellung des Arbeiters länger als die statuarisch gesicherte Unterstützung durch die Kasse, so mußte der Staat oder die Gemeinde aus der Armenfürsorge einspringen. In der Rekonvales zentenpflege sah man daher nicht nur ein Anliegen für die einzelnen Krankenkas sen, sondern vor allem den Staat in der Pflicht. Im Ausland hatte man sich der gesundheitlichen Wiederherstellung erkrankter Arbeiter schon vor geraumer Zeit angenommen, in England und Frank reich bestanden schon seit wenigstens zwei Jahrzehnten Rekonvaleszentenheime, in Deutschland seit einigen Jahren. So besaßen in England verschiedene Hilfskassen seit den 1870er Jahren ihre eigenen Häuser, die Arbeiterschaft selbst veranstaltete regelmäßige Sammlungen für die Errichtung weiterer Heime. In Osterreich gab es zu dieser Zeit hingegen nur Rekonvaleszentenhäuser als Dependancen öffentlicher oder privater Spitäler, die meisten davon in Wien, mit nur wenigen hundert Pfleglin gen pro Jahr. Die ausländischen Beispiele boten auch Anschauungsmaterial für die Finanzierung solcher Kuraufenthalte. Es standen im wesentlichen drei Modelle zur Auswahl: man konnte entweder jedem einzelnen Rekonvaleszenten einen gewissen Betrag zur Bestreitung der Kosten eines Landaufenthaltes aushändigen, zweitens gab es die sogenannten Arbeiter-Rekonvaleszentenkolonien (mehrere Arbeiter wur den gemeinsam in angemieteten Pensionen untergebracht), dritte Variante war die Errichtung eigener Heime. Gegen die beiden ersten Konzepte wurden massive Ein wände erhoben, insbesondere wurden diese als zu teuer erachtet. Auch die Errich- " Arbeiterschutz, Jg. 1890 (1. Jg.), Nr. 3, Beilage.
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