Dabei wird die Abnahme des durchschnittlichen Mitgliederstandes der Ver einskassen durch die Zunahme dieser Kassen von 54 auf 125 erklärt. Der Zuwachs der Krankenversicherten von knapp 1,4 Millionen Personen 1890 (ohne Bruderla den) auf 2,3 Millionen 1897 schlug sich somit zum überwiegenden Großteil bei den Vereins- und Bezirkskassen zu Buche. Entsprechend dem Ansteigen der Versicher ten entwickelten sich auch die Beitragsaufkommen. Im letzten Jahrzehnt des 19. Jahr hunderts stiegen die Einnahmen aller Kassen von annähernd 25 auf 47 Millionen Kronen, die Ausgaben von 23 auf 46 Millionen. Die finanzielle Lage der Kassen gab wenig Anlaß zur Freude, nur rund ein Drittel von ihnen konnte über das Jahrzehnt den vom Krankenversicherungsgesetz geforderten Reservefonds ansammeln, etwa ein Viertel wies ständig ein Defizit auf. Nach dem Gesetz von 1888 waren in den Vorständen der Kassen, ausgenom men die Vereinskassen, Arbeitgeber und Arbeitnehmer im Verhältnis eins zu zwei vertreten. Diese Form der Selbstverwaltung gilt heute als eine frühe Form der Sozial partnerschaft. Allerdings war diese Selbstverwaltung durch eine strenge Staatsauf sicht ziemlich eingeschränkt. Die Befugnisse der Behörden reichten von der Mög lichkeit, Vorstandsmitglieder abzusetzen, über Nichtanerkennung der Statuten bis zum Recht, Delegierte zu Generalversammlungen zu ernennen. Ein weiteres, retar dierendes Element waren die Kassenverbände, zu der alle Bezirkskassen eines Kron landes (oder einer Gruppe von Kronländern) zusammengefaßt wurden. Das für die Verwaltung dieser Verbände zuständige Organ war der Vorstand der örtlichen Unfallversicherungsanstalt, womit eine starke Repräsentanz von Staatsorganen gegeben war. Abschließend sei hier noch auf den Gehalt des Begriffs Selbstverwal tung im historischen Gebrauch des Wortes hingewiesen; Der bis heute gebräuchli che Inhalt entspricht dem durch die Stammgesetze normierten, das heißt der sozial partnerschaftlichen Zusammenarbeit von Arbeitgebern und Arbeitnehmern. Die Arbeiterbewegung verstand in der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg unter Selbstver waltung aber die Kassenverwaltung ausschließlich durch in die Vorstände gewählte Mitglieder; daher wurde auch fortwährend die Forderung nach Ausschluß der Arbeitgeber aus den Kassenvorständen erhoben. Betrachten wir nun die Situation in Oberösterreich zum Zeitpunkt der Ein führung der gesetzlichen Krankenversicherung für Arbeiter. Im Mai 1890 waren bei den nur vier Vereinskassen 40 Prozent der pflichtversicherten Arbeiter Mitglieder:^' Bezirkskassen Betriebskassen Genossenschaftskassen Vereinskassen Summe 32 Kassen = 14,8% 40 Kassen = 18,5 % 139 Kassen = 64,3 % 4 Kassen = 1,9% 216 Kassen 14.448 Mitglieder = 24,3 % 7.343 Mitglieder = 12,3 % 14.002 Mitglieder = 23,9% 23.663 Mitglieder = 39,8% 59.456 Mitglieder " Arbeiterschutz, Jg. 1890 (1. Jg), Nr. 1 bis 5.
RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2