OÖ. Heimatblätter 1996, 50. Jahrgang, Heft 1

Mit dem Ende der 1870er Jahre begann für die Linzer Kasse eine neue Ära. Die Kasse, ein immer noch kleiner Versicherungsverein mit weit unter tausend Mit gliedern, dehnte ihren geografischen Wirkungsbereich durch Gründung von Filialen aus und bot ihren Mitgliedern gleichzeihg neue Leistungen durch die Einführung von Kassenärzten und eine Versicherung für Invalidität. Seit 1879 wurden Filialen in Oberösterreich und außerhalb des Kronlandes eingerichtet. Damit setzte eine Ent wicklung ein, welche zur Differenzierung der bis dahin annähernd gleichförmig ver laufenen Geschichte der vier Vereinskassen führte. Zwar hatte die Linzer Kasse bereits in ihrem Gründungsstatut als ihren Wirkungsbereich ganz Oberösterreich bestimmt, im Gegensatz zu den anderen Kassen, die sich auf ihre unmittelbare geografische Umgebung beschränkten. Bis 1879 stand dies allerdings auch in Linz nur auf dem Papier, in diesem Jahre gründete man erste Filialen in Kleinmünchen, Salz burg, Ried und Amstetten, während die anderen Vereinskassen weiterhin nur in der nächsten Umgebung tätig blieben. Die Gründungen außerhalb Oberösterreichs genehmigte die Behörde erst nach einer Namensänderung der Kasse, die sich nun Allgemeine Arbeiier-Kranken- und Invalidenkasse nannte. Bis zur Mitte der 1880er Jahre folgte ein rundes Dutzend von Filialen, vor allem entlang der Westbahn. Zu einem wahren Gründungsboom kam es dann um 1890 aufgrund der nunmehrigen gesetz lichen Versicherungspflicht für Arbeiter.^® Wie weit dieser Linzer Schritt auf die neue Vereinsleitung zurückzuführen ist, kann heute nicht mehr gesagt werden. In der Tat begann nun die Karriere eines Mannes, der über Jahrzehnte die Geschicke der Linzer Krankenkasse in entscheiden der Weise mitprägen sollte: Josef Weiguni. Dieser, ein jüngerer Bruder von Anton Weiguny (den man den Bebel von Linz nannte), bekleidete nacheinander die Funk tionen des Obmanns und Schriftführers der Vereinskasse und war schließlich lange Jahre ihr Sekretär, das heißt ihr leitender Angestellter. Weiguni folgte in seiner Akquisitionsstrategie einerseits den modernen Verkehrsverbindungen,zum anderen wandte er sich jenen oberösterreichischen Regionen zu, die aufgrund der örtlichen Gegebenheiten Keimzellen der Arbeiterbewegung waren, darunter die Landes hauptstadt und Krems- und Trauntal. In Linz traten zwei Gehilfen-Unterstützungskassen der Kasse bei, mit Jahres beginn 1883 jene der Kleidermacher, ein Jahr später die Schuhmacher.^^ Diese Unter stützungskassen, Genossenschaftskassen nach dem Gewerberecht, konnten aller dings nicht geschlossen zur Vereinskasse übertreten, da die Aufsichtsbehörde solche korporativen Beitritte nicht genehmigte. Die Kassen lösten sich daher freiwillig auf, die Mitglieder traten einzeln der Vereinskasse bei. An der Haltung der Aufsichtsbe hörden konnte auch ein Vorstoß des oberösterreichischen Landtags, der solche kor- ' OÖLA, Statthalterei, Schuber 1162, Filialgründungen 1879 bis 1915; Festschrift Arbeiter-Kranken kasse, 9 ff. OÖLA, Statthalterei, Schuber 1162, Beitritt Kleidermachergehilfen, 1. Jänner 1883, Schuhmacherge hilfen, 23, Februar 1884.

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