OÖ. Heimatblätter 1996, 50. Jahrgang, Heft 1

den-Kasse des Arbeiter-Bildungs-Vereines für Linz und Umgebung zusammen. Der bei dieser Versammlung gewählte Ausschuß unter Obmann Gustav Woschek, einem bei der Kaiserin-Elisabeth-Bahn in Linz beschäftigten Maler, bestand mehrheitlich aus Anhängern von Schulze-Delitzsch. Der Ausschuß wurde in etwa dieser Zusammen setzung bei der alljährlich stattfindenden Generalversammlung bis zur Mitte der 1870er Jahre immer wieder gewählt, erst ab 1876 übernahmen Sozialdemokraten die Kassenleitung. Im ersten Jahr des Bestehens trat rund ein Drittel der 879 Mitglieder des BildungsVereines der Kasse bei, insgesamt 273 Personen. Aufgenommen wur den nur Gesunde, Männer zwischen 15 und 60 Jahren, Frauen zwischen 15 und 50; Kranken blieb die Aufnahme verwehrt. Die Kasse bot eine Kranken- und Sterbe geldversicherung. In der Krankenversicherung wurden die Mitglieder je nach Ein trittsalter in zwei Abteilungen eingestuft, Männer unter oder über 45, Frauen unter oder über 40. Bei der Aufnahme war eine Beitrittsgebühr in fföhe von 50 Kreuzer zu entrichten, der wöchentliche Beitrag lag zwischen sechs und zehn Kreuzer. Die Kasse leistete ihren Mitgliedern nach einer Wartezeit von sechs Monaten im Krank heitsfall ein Krankengeld von 1,5 bis 2,5 Gulden pro Woche für eine Dauer von höchstens 13 Wochen. Sachleistungen wurden ursprünglich keine übernommen. Im Todesfall wurden als Begräbnisgeld 20 Gulden gegeben. Im ersten Jahr ihres Beste hens kam die Kasse auf Einnahmen in Höhe von 721 Gulden und elf Kreuzer, denen 429 Gulden und 70 Kreuzer an Ausgaben gegenüberstanden; an Krankenunterstüt zungen leistete die Kasse für neun Mitglieder 137 Gulden 44 Kreuzer, für ein Begräb nis 20 Gulden. Eine erste wichtige Leistungserweiterung wurde 1870 vorgenommen in Form einer Invaliditätsversicherung, erst seit 1879 konnten Arzt- und Medika mentenkosten gegen einen Zuschlag von zwei Kreuzern die Woche mitversichert werden.^ In den frühen 1870er Jahren tobte ein Richtungsstreit innerhalb der Füh rungsgruppe der sich herausbildenden österreichischen Sozialdemokratie. Der vor allem in Wien mit Erbitterung ausgetragene Konflikt ist verbunden mit den Namen Heinrich Oberwinder und Andreas Scheu. Diese Auseinandersetzungen hatten auf Oberösterreich vergleichsweise geringe Auswirkungen, entscheidender waren für die junge Linzer Arbeiterbewegung die bodenständigen politischen Meinungsver schiedenheiten : wie bereits erwähnt, wurde die Linzer Krankenkasse zur Rückzugs organisation der liberalen Anhänger von Schulze-Delitzsch und daher von der Lei tung des Arbeiterbildungsvereines, dem sie nominell noch immer als Sektion ange hörte, der aber um 1870 bereits eindeutig lassalleanisch ausgerichtet war, nicht akzeptiert. Die Streitigkeiten zwischen Arbeiterbildungsverein und Krankenkasse erreichten zu Jahresbeginn 1874 ihren Höhepunkt, die Kasse beschloß einseitig ihre Selbständigkeit. Sie reichte der Statthalterei ihre neuen Statuten ein, wogegen der Bildungsverein Rechtsmittel ergriff. Die Behörde genehmigte die vorgelegten StatuArbeiter-Bildungs-Verein für Linz und Umgebung, Jahresbericht 1869, 24; Festschrift Arbeiter-Kran kenkasse, 16.

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