OÖ. Heimatblätter 1996, 50. Jahrgang, Heft 1

deutliche Anklänge an das alte Zunftwesen; so gewährte die Bruderschaft der Feil schmiede auch Reiseunterstützungen. Nur am Rande sei hier erwähnt, daß neben christlichen Vereinen auch an andere Konfessionen gebundene bestanden, darunter vor allem solche der israelitischen Kultusgemeinden. Zeitlich parallel entwickelten sich in den 1860er Jahren auch die ersten Ansätze einer Arbeiterbewegung in Österreich.^ Diese stand in ihrer Gründungs phase deutlich unter dem Einfluß bürgerlicher Liberaler, die sich in aller Regel aus echtem sozialen Engagement für eine Verbesserung der Lebensverhältnisse der Arbeiterschaft einsetzten, mitunter aber auch aus politischer Berechnung. Es wurde dieser liberale Einfluß jedoch nach und nach vom Lassalleanismus überlagert, später verdrängt. Erste Ansätze, Organisationen der Arbeiterschaft auf die Beine zu stellen, waren nach 1867 stets Arbeiterbildungsvereine. In praktisch allen bedeutenden Industrieorten der österreichischen Reichshälfte wurden nun binnen kürzester Zeit solche Vereine gegründet. In ihren Statuten sahen diese Arbeiterbildungsvereine von Anfang an aber nicht nur eine allgemeine Verbesserung des Bildungsniveaus der Arbeiterschaft vor, wie dies ihr Name vermuten läßt, sondern vor allem auch eine materielle Besserung der Lebensbedingungen; daher schritten sie bald zur Gründung eigener Hilfsorganisationen, wie etwa Krankenkassen und Konsumverei ne.^ Diese Kassen waren somit ursprünglich keine selbständigen Vereine, sondern nur Sektionen innerhalb der sie gründenden Arbeiterbildungsvereine. Die Partei gänger der liberalen Idee der Selbsthilfe, von den Anhängern Lassalles aus den Bil dungsvereinen zunehmend hinausgedrängt, fanden dann im Bereich der Konsum vereine und der Krankenkassen Rückzugsfelder. Daneben waren diese Bildungsver eine natürlich auch Plattformen einer von den staatlichen Behörden ansonsten unterdrückten politischen Betätigung. In Linz und Wels konstituierten sich Arbeiterbildungsvereine bereits im Sommer 1868, nur wenige Monate nach der Verabschiedung des Vereinsrechts vom November 1867; weitere für die Entwicklung des Krankenkassenwesens in Ober österreich wichtige Vereine in Steyr, Perg und Mauthausen folgten zwischen 1869 und 1872.' Nachdem der Linzer Arbeiterbildungsverein die anstehenden organisa torischen Probleme noch in der zweiten Jahreshälfte 1868 gelöst hatte, schritt er zu Jahresbeginn 1869 an die Gründung der in den Statuten vorgesehenen Kranken kasse. Im Gegensatz zu schon bestehenden Kassen stand sie nicht nur den Angehö rigen eines Berufs, sondern Arbeitern aller Berufe offen, sofern diese Mitglieder des Arbeiterbildungsvereines waren, und stellte ihren Wirkungskreis grundsätzlich auf ganz Oberösterreich ab. Die Gründer reichten den Entwurf der Kassenstatuten im Februar 1869 bei der k. k. Statthalterei in Linz zur Genehmigung ein, die die Behörde am 22. Februar 1869 erteilte. Die Vereine in Perg, Mauthausen und Steyr errichteten ^ Herbert Steiner, Arbeiterbewegung in Österreich. Wien 1964; Helmut Konrad, Das Entstehen der Ar beiterklasse in Oberösterreich. Wien 1981. " Franz Seibert, Die Konsumgenossenschaften in Österreich. Geschichte - wirtschaftliche und soziale Funktion - Perspektiven. Wien 1978. ' Gerhart Baron, Der Beginn - Die Anfänge der Arbeiterbildungsvereine in Oberösterreich, Linz 1971.

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