OÖ. Heimatblätter 1996, 50. Jahrgang, Heft 1

Schreibpause bezeichnet Kubin seine Tafeln zu Trakls Prosa als „erwähnenswert" aus seinem jün geren Schaffen. Wer Trakls Dichtung und/oder Kubins Bilder welt schätzt, wird gerne nach diesem Nachdruck aus der unmittelbaren Nachkriegszeit greifen. Josef Demmelbauer Franz Rieger: Der Patriarch und ich (Roman). Graz; Siyria, 1995. 171 Seiten, S 250,-. Wenn man das Wort „Patriarch" liest, fühlt man sich unwillkürlich in eine andere Welt ver setzt. Dem ist aber nicht so, wenn man Riegers neuen Roman liest: Es ist unsere Zeit, dargestellt am Beispiel von zwei Generationen, die vieles ge meinsam haben, aber sich auch in vielerlei tdinsicht beträchtlich unterscheiden. Der „Patriarch" ist Witwer, Vater von zwei Kindern; seine erste und seine zweite Frau, beide wesentlich jünger als er, sind früh gestorben. Die Tochter Mechthild, die seit vielen Jahren im Elternhaus wohnt, berich tet über ihr ganz persönliches Leben: wie sie auf gewachsen ist, wie sie den Vater, die Mutter erlebt hat. Sie erinnert sich an ihren Aufenthalt in der Werkstatt des Vaters, der Uhrmachermeister und Goldschmied in dem kleinen Dorf war, an einige Geschichten, die der Vater erzählt hatte, an seinen Umgang mit den Kunden und Vertretern. Sie er kundigt sich nach dem Leben der ersten Frau, sie fragt den Vater, wie er die zweite Frau kennenge lernt hat, und sie denkt über ihre eigenen Bezie hungen nach: ihre Begegnung mit Albrecht, Ed mund und Michael. Rieger versteht es auf seine ganz unaufdring liche Art, die Leserin, den Leser miterleben zu las sen, wie menschliche Beziehungen entstehen, sich entwickeln und wieder zu Ende gehen. Fragen werden gestellt, vieles bleibt notwendigerweise an der Oberfläche. „Denn was ist Wahrheit? Sie ist nur zu erahnen" (S. IIS). Wer kann wirklich in ei nen Menschen hineinschauen? So manches bleibt völlig unergründlich. Welchen Einfluß hatte der Patriarch tatsächlich auf das Leben der Tochter? Diese und andere Fragen tauchen bei der Lektüre des Buches auf. Rieger beantwortet sie nicht für uns. Helmut Salfinger Josef Isensee: Am Ende der Demokratie - oder am Anfang? (= Wirtschaftspolitische Kolloquien der Adolf-Weber-Stiftung, Bd. 20). Berlin: Duncker &Humhlot, 1995. 62 Sei ten, S 255,-. Im November 1994 hielt der Bonner Staats rechtler Josef Isensee einen Vortrag, der nun in ei ner zwar schmalen, aber inhaltsreichen Broschüre vorliegt, die jeder politisch Interessierte lesen und überdenken sollte. Wer heute am Wert der einen oder anderen Facette der Demokratie auch nur skeptisch zu sein wagt, setzt sich der Gefahr aus, sogleich als Faschist abgestempelt zu werden. So sehr wurde die Demokratie zum Dogma empor stilisiert, daß sogar die totalitären Stalinisten ihre Staaten „Volksdemokratien" nannten, was die rie sige Bandbreite dessen, was unter Demokratie subsumiert wird, demonstriert. Alles was nichtdemokratisch scheint, wird angeprangert, im Staatsinnenbereich ist dies Mode geworden, ja sogar die Intervention gegen undemokratische Staaten wird im gegenwärtigen Völkerrecht gerechtfertigt. Freilich setzt man sich auch dabei der Gefahr aus, die der als Faschist nach jeder Richtung unverdächäge Manes Sper ber mit dem folgenden Satz umschrieben hat: „Wer sein Gesicht stets dem Feinde zuwendet, bleibt davor bewahrt, die Schwächen und das klägliche Versagen des eigenen Lagers entdecken zu müssen." Wenn die Menschen an der Wende zum I. Jahrtausend in messianischer Heilserwartung das Ende der Welt nahen sahen, tun sie an der Wende zum 2. Jahrtausend gut daran, Überlegun gen darüber anzustellen, wie es um die Demokra tie in ihrem Staat steht, dem die Verteilungskapa zität abhanden zu kommen droht, der nun eine ungewohnte und ungeliebte Rolle übernehmen muß, die eines Sparappellverbreiters. In dieser Si tuation sind Isensees Ausführungen noch aktuel ler als zur Zeit seines Vortrages. Wertvolle „Abfallprodukte" der Lektüre sind neben der Theorie des Polybius (203-120) über den Kreislauf der Staatsformen und dem Ge richtsmodell der Aufklärung Isensees Qualifikahon der political correctness als „Gebräu aus auf klärerischem Missionarismus, Wiedergutma chungsideologie, Minderheitentrotz, gesell schaftspolitischem Machtanspruch; das alles ver mischt mit schalen Resten von Christentum,

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