kunft werden? Darum kreisen beständig die Gedanken Jüngers: Stehen uns neue „Stahlgewitter" bevor, oder bringen wir es - wenigstens bei uns - zum Frieden? (Im Zweiten Weltkrieg hatte Jünger den Traktat „Der Friede" geschrieben.) „Edler Freund! Wo öffnet sich dem Frieden, Wo der Freiheit sich ein Zufluchtsort? Das Jahrhundert ist im Sturm geschieden. Und das neue öffnet sich mit Mord." So fragt und konstatiert Schiller beim Antritt des neuen, des 19. Jahrhun derts. In der zweiten Hälfte unseres Jahr hunderts sind wir - auf engem Raum - besser dran. In den Feiern „50 Jahre Zweite Republik" wird dies zu Recht be tont. Kann das - angesichts des nicht en denden Mordens in unserer Nachbar schaft - so bleiben? Kann ein Weltstaat - auch ein Titel von Jünger - Frieden stif ten? Oder gehört - so Jünger in einem Interview - auch die Gewalt zum Schöp fungsplan? Die bisherige Geschichte ist eine Bestätigung hievon. 1795 - vor 200 Jahren - erschien Kants völkerrechtlicher Entwurf - eine Art UNO-Gharter - mit dem Titel „Zum ewigen Frieden". Diese Uberschrift soll auf dem Schild eines Gastwirts gestan den sein, darauf war ein Friedhof gemalt. Können die Menschen Frieden halten? Das ist der Kernbereich der Frage, ob sie sich im beständigen - evolutiven - Fort schreiten zum Besseren befinden. Kant versuchte sie in seiner letzten grolSen Schrift, dem „Streit der Fakultäten" (1798) zu beantworten.' Er unterscheidet darin drei Möglichkeiten, die Gesamt heit historischer Abläufe zu begreifen: a) Die Menschheit kann sich stetig von ihrem vorausgesetzten glücklichen Ursprung entfernen. Diese Vorstellung eines fortlaufenden Rückschrittes nennt Kant eine „terroristische" Idee. b) Die entgegengesetzte Vorstellung, getragen vom Optimismus eines unauf haltsamen Fortschritts," nennt er „eudämonis tisch". c) Doch am meisten verbreitet ist nach Kants Meinung die dritte Anschau ung, die in der Historie ein Auf und Ab sieht, ein Treiben, in dem Fortschritt und Rückschritt einander aufheben, so daß die Geschäftigkeit der Menschen, etwa im Pendeln zwischen Humanität und Barbarei, zwischen Vernunft und hem mungsloser Irrationalität, schließlich ohne jeden klar erkennbaren Sinn bleibt. Niemand weiß, welche dieser Auf fassungen künftig das Weltgeschehen bestimmen wird. Eine langsame sinn volle Entwicklung anzunehmen, für die es jede Anstrengung braucht, wäre tröst lich, könnte aber auch Selbstbetrug sein. Kant hat sich mit Vorbehalten zu ihr be kannt. Gertrud Fussenegger, eine subtile Kennerin der Kubin'schen Bilder und der Jünger'schen Gedankenwelt, hat sie am Ende ihrer großen Dankesrede bei der Feier ihres 80. Geburtstages ein drucksvoll argumentativ untermauert." „Es reden und träumen die Men schen viel von bessern künftigen Ta gen ...", heißt es in Schillers Gedicht „Hoffnung". Wenn wir auf Bewahrung des Friedens hoffen, sind wir dann etwa auch „Träumer auf Lebenszeit"? ' Dazu: Zmegac, Dramenform und Geschichts philosophie, in; ders., Tradition und Innovation (1993), S. 274 (282). Vgl. zu „Fortschritt" und „Vor-schritt" Gottfried Glechner in seinem Mundartgedicht „Fort schritt von daheim" im gleichnamigen Buch aus 1992. " In: Facetten '92, S. 7ff.
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