say im Jahrbuch der Innviertier Künstler gilde 1930 begann er mit dem Satz: „Bei allen ihren bisherigen Ausstellungen mußte es die Innviertier Künstlergilde er fahren: Alfred Kubin ist nicht, was man populär nennt. Vor dem Werk des Künstlers, der mindestens europäischen Ruf genießt, steht das Publikum zum überwiegenden Teil befremdet und ver ständnislos." Das hat sich seither geändet, wie auch das „Kubin-Projekt 1995" gezeigt hat. Kubin, ein Künstler, dessen chaoti sches Inneres sich geradezu eruphv ins besondere in seinen früheren Bildern entlädt, zieht seltsamerweise Dichter, Schriftsteller magisch an, deren Werk an Ordnung orientiert ist, obwohl man meinen sollte. Kubin habe zur Bändi gung des eigenen Chaos zuerst sie ge sucht. Doch schreibt Hans Carossa, der Arzt, ein Goethe-Nachfolger, am 20. Fe bruar 1950 an Kubin:® „Im Mai werden es genau vierzig Jahre, daß ich zum erstenmal bei Ihnen in Zwickledt war, und die Nachsicht, die Freundlichkeit, mit der Sie und Ihre liebe Hedwig mich Ahnungslosen damals aufnahmen, hat heute etwas Rührendes für mich, weil sie ganz unverdient war. Ich wußte noch gar nicht, worauf es an kam, spürte nur sehr stark die Atmo sphäre des Hauses und merkte gar nicht gleich, daß sie einzig von Ihnen ausging." Und er berichtet weiter: „Herr Pfarrer Samhaber hat mich mit einem lieben und sehr inhaltreichen Brief erfreut; ich hoffe, ihm bald schrei ben zu können. Auch er ist eine Erschei nung, die vielleicht nur auf dem alt österreichischen Kulturboden möglich ist: Enthusiasmus und Sinn für Humor, kein Fanatismus." Enthusiasmus und Sinn für Humor, kein Fanatismus: So kennt Carossa den alten Kubin nun schon seit vierzig Jah ren, kennt ihn auch aus der aus den Jah ren gewachsenen Veränderung seines Wesens, einer Art Weltfrömmigkeit. Diese Eigenschaft eignete offenbar auch dem Pfarrer Samhaber von Wernstein, der 25 Jahre jünger als Kubin war. Beide sind, so Carossa, Erscheinungen, „die vielleicht nur auf dem alt-österreichi schen Kulturboden möglich (sind)". Ausblick Kubin kam aus einer von Ängsten gequälten Traumwelt, aus einem Traum land, wie es Edgar Allan Poe (18091849), dessen Werk Kubin illustrierte, ge zeichnet hat: „Auf Pfaden, wo das Grauen wallt Um verwünschter Engel Mißgestalt, Wo ein Dämon, Nacht genannt. Von schwarzem Thron regiert das Land, Durch Moore und weglose Pfuhle Kam heim ich jüngst erst aus fernem Thüle, Her aus jenem Reich des Traumes Jenseits der Zeit, jenseits des Raumes." „Pfade, wo das Grauen wallt" über ziehen die erste Hälfte des 20. Jahrhun derts. Wir tun gut, uns daran nach der längsten Friedenszeit in diesem Jahrhun dert, fünfzig Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges, zu erinnern. Kubins Bilder vom Krieg bringen uns nach wie vor sein Grauen nahe. Er geht intuitiv an das Furchtbare heran, Ernst Jünger in seinen Altersschriften überwiegend rational. Was ist das Schicksal des Menschen in diesem Jahr hundert gewesen, und wie wird es in Zu- ® Hans Carossa, Briefe III, 1937-1956 (1981), S. 389.
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