OÖ. Heimatblätter 1995, 49. Jahrgang, Heft 4

Gleich zwei Denkmäler kennzeichnen diesen Beginn: ein handschriftliches und ein gedrucktes. Die handschriftliche Sammlung kam auf Anregung des Sekretärs der Gesellschaft der Musik freunde in Wien, Joseph Sonnleitner, zu stande. Er veranlaßte die österreichische Regierung, Volkslieder und Volksmusik stücke aus allen Landen des österreichi schen Kaiserstaates sammeln zu lassen. Das geschah, und so entstand die „erste in Europa von einer Regierung veran staltete Sammlung von Volksliedern". Sie wird jetzt in der Bibliothek der Ge sellschaft der Musikfreunde in Wien auf bewahrt. Das andere gedruckte Denk mal aus diesem Jahr 1819 ist die Samm lung „Osterreichische Volkslieder mit ih ren Singweisen" von Franz Tschischka und J. M. Schottky. Von da an hat die Beschäftigung mit dem österreichischen Volkslied ständig zugenommen. Der zweite Volksmusikdruck war dann Spauns Sammelergebnis aus dem Jahre 1845, dem 1865 die salzburgischen Volkslieder von Maria Vinzenz Süß folgten. Neben dem großen Kreis der Ideldenepen fesselten die österreichischen Volksweisen das Interesse Spauns dau ernd. 1843 schrieb Spaun eine Abhand lung über „Die österreichischen Volks weisen", abgedruckt im „Album aus Österreich ob der Enns", Linz 1843, S. 349-371. Er geht dabei vom Gedanken aus, daß Zivilisation und Verfeinerung der Menschheit große Opfer kosten und daß mit der wachsenden Entfremdung der ursprünglichen Gefühle „die Sehn sucht nach dem Verlorenen" immer grö ßer wird. Ihren vollsten Ausdruck sieht er in den alten Volksmelodien, die sich in ihrer Ursprünglichkeit erhalten haben. Sie drückt Stimmung und Charakter des einzelnen Volkes in geprägter Eigenart aus. Die Abhandlung beschäftigte sich weiter mit Alter und Heimat der österrei chischen Volksweisen. Im ganzen deut schen Sprachgebiet findet Spaun nur im südöstlichsten Deutschland die wahren alten Volksweisen. Österreich ist die Heimat dieser Melodien. Im österreichi schen Gebirge entwickelte sich in alten Zeiten das regste Leben. Die Berge ga ben im Salz- und Metallabbau den Le bensunterhalt, sie waren der Zufluchts ort und die Stätte der Rettung für das alte Volksgut in den Zeiten der Völker wanderung und wilder Kriegsstürme. Hier blieb das heimische Leben unver fälscht erhalten. Das Gebirge sieht Spaun als die Heimat der österreichi schen Volksweisen an. Die von ihm ge nerell angenommene Gleichheit des Rhythmus im Nibelungenlied und in den Volksweisen ist ihm Zeuge für das - mindestens nachweisbare - Alter der Melodie. Weiters gibt Spaun eine Erklä rung des Wortes „Schnadahüpfl" aus „Schnattern" und „Hüpfen". Ferner teilt er die Weisen in zwei Gruppen: die eine, die die Tanzweisen im geschlossenen Raum umfaßt, die andere, der die im Freien gesungenen Lieder zuzuzählen sind. Er trennt damit die Schnadahüpfl von den Almern und Jodlern. Den großen Einfluß, den Spauns theoretische und praktische Arbeit am Volkslied ausübte, zeigt die Tatsache, daß, nachdem das Buch 1882 seine zweite Auflage erlebte, seine Abhand lung „Die ö.ö. Volksweisen" (1843) im Jahre 1896 noch einmal gedruckt wurde als „Flugschrift zur Kenntnis und Pflege des deutschen Volksliedes".

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