große Geläufigkeit, Biegsamkeit der Stimme, eigentliche Kunstfertigkeit. Dies könnte ihnen bei Manchen zur Empfehlung dienen, weil die Musik bei uns in eine Sucht ausgeartet ist, die ei gene Virtuosität prunken zu lassen. Wie wenig wird in unseren Concerten der objective Gehalt des Tonstückes berück sichtigt! Wird ein Publikum zu allgemei ner Begeisterung hingerissen, so gilt diese gewiß selten der Composition und ihren Urhebern, sondern der außeror dentlichen Leistung des Vortragenden. Solche Virtuosität zu erreichen, müssen Jugend, Kraft, Gesundheit geopfert wer den; an dem Außerordentlichen stumpft sich der Sinn für das Einfach-Schöne, das Natürlich-Erreichbare ab, und wir werden im Gebiete der Kunst, so wie in manchen anderen Lebensverhältnissen täglich begehrlicher und ärmer an Freu den und Genüssen. Bei unseren Volksweisen hingegen muß die Persönlichkeit des Vortragen den ganz in den fJintergrund zurücktre ten. Der Zuhörer bemerkt kaum die Schwierigkeiten des Vortrages, wenn er sie nicht aus Erfahrung kennt, und wird nur von der Anmut, Innigkeit, Munter keit der Melodie, von der Naivität, dem meist überraschenden epigrammati schen Inhalt des Textes hingerissen. Die Lieder müssen mit der größten Einfachheit, ohne alle Zutat und Beimi schung fremdartiger Verzierungen vor getragen werden. Man verbanne gänz lich alle Manier, Koketterie und falsche Sentimentalität, man hüte sich, zu viele Empfindung hineinlegen zu wollen, und lasse selbst bei schwermütigen Anklän gen lieber den munteren Rhythmus vor herrschen, denn das Gemütsleben, aus welchem diese Weisen stammen, wird zwar auf der Oberfläche leicht und har monisch bewegt, nicht aber in der Tiefe durch Leidenschaften aufgewühlt. Der Landsmann sucht und kennt keinen Ausdruck für Seelenleiden; hat er die Ruhe seines Innern verloren, so denkt er nicht an das Singen, höchstens trachtet er, sich durch gewohnte muntere Weisen aus seiner Versunkenheit emporzureißen, sich über sein Leid zu erheben, oder zeitweilig darauf vergessen zu ma chen." Jedenfalls besitzt Oberösterreich durch das verdienstvolle Wirken von Spaun eine sehr frühe Dokumentation des volksmusikalischen Lebens, verbun den mit Angaben, wie die Wiedergabe dieser durchaus schlichten, aber doch schwierig zu singenden Melodien zu er folgen habe. Die Sammlung war über dies bahnbrechend für die Volksmusik forschung, denn Spaun schrieb nämlich als erster auch die Gewährsleute und den historischen Hintergrund der Lied texte auf. Er beobachtete dazu das Volks leben seiner Zeit, und zwar vor allem das Leben der Holzknechte im Salzkammer gut, und kam zum Schluß, daß dieses Leben sich generationenlang nicht geän dert habe, genau so wenig wie die Sagen und Märchen, so daß das Volksleben auf urgeschichtliche Epochen zurückreichen müßte. Das führte auch zur Theorie, daß auch die volksmusikalischen Erschei nungen auf vorgeschichtliche Perioden zurückgehen müßten, besonders bezieht das Spaun auf den Jodler und Kuhglokkenklang. Spaun hatte bei seinen Bemühungen bereits Kenntnis von zwei Völksmusikprojekten, denn die Beschäftigung mit dem Volkslied und der Volksmusik setzte in Osterreich schon 1819 ein.
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