Heimat - Geschichte und Aktualität eines Begriffes'' Von Roman Sandgruber Die Wiederentdeckung der Heimat „Von Heimat darf wieder gesprochen werden." So überschrieb die angese hene Frankfurter Allgemeine Zeitung im Jahre 1979 einen Bericht über den 22. Kon greß der „Deutschen Gesellschaft für Volkskunde". Das betraf damals natürlich zuvorderst die Volkskunde und zahlreiche mit ihr verwandte Bereiche der wissen schaftlichen und medialen Öffentlichkeit, vom Heimatschriftsteller bis zum Heimat schützer, die das Wort „Heimat" im Deutschen so suspekt gemacht und in die Nähe der rassischen und imperialistischen Ziele des Nationalsozialismus gebracht hatten. In ein ähnliches Dilemma waren auch die Heimatvertriebenen geraten, so daß ihre berechtigten Anliegen allzu leicht mit dem Ideengut der Ewiggestrigen verwechselt werden konnten. Daß nicht zuletzt die Heimatfilmer, Heimatsänger, Trachtenvereine und Volkstanzgruppen der fünfziger und sechziger Jahre in großer Zahl in den Bereich des Unechten und Kitschig-Kommerziellen gerutscht waren, hat den Begriff Heimat noch zusätzlich suspekt gemacht. Das Wort „Heimat" tauchte daher zwar in den Sonntagsreden und Unterhal tungsangeboten der fünfziger und sechziger Jahre in immer gleichen Phrasen und Assoziationen auf, während gleichzeitig aber die Wissenschafter, Künstler und Poli tiker, insbesondere, wenn sie linken Positionen nahestanden, sich scheuten, dieses Vokabel in den Mund zu nehmen. Seither ist Heimat in vielerlei Form gesellschaftsfähig geworden. Das betrifft nicht nur geschäftstüchtige „Stadelmusikanten", die die Hitlisten der Rundfunk- und Fernsehanstalten stürmen, und junge Volksmusikanten, die alte, gesellschaftskriti sche Positionen und Funktionen der Volksmusik wiederbeleben, das betrifft nicht nur den Run auf Bodenständiges und Deftiges aus der heimischen Küche, der glei chermaßen hochpreisige Gourmetlokale wie lokale Bauernmärkte umfaßt, und reicht auch über den in der Wissenschaft und Kulturpolitik zu beobachtenden Boom der Heimatmuseen und der Geschichten aus dem dörflichen Alltag hinaus. Heimat und Bodenständigkeit sind ganz generell zu einer wieder akzeptierten politi schen Grundstimmung geworden. Ein neuer Regionalismus hat sich etabliert, der in Umweltbelangen und im politischen Alltag Bürgernähe und Mitbestimmung vor Ort einfordert und dabei den Autonomiebewegungen und Regionalinteressen neuen Boden bietet. Vortrag gehalten am 15. September 1995 anläßlich des Symposions „Zeitgeschichtliche Heimatfor schung. Heiße Heimat Oberösterreich" in Unterach am Attersee - veranstaltet vom Institut für Volks kultur und dem OÖ. Landesarchiv - im Rahmen des Festivals der Regionen.
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