OÖ. Heimatblätter 1995, 49. Jahrgang, Heft 4

verhältnismäßig ruhige Heimat darbie ten sollte. Und in dem gleichen Jahr lernte zum erstenmal ein deutscher Ge lehrter systematisch und gründlich das Hebräische - auch ein Entdecken eines ungeahnten Kontinents, eines geistigen Erbbesitzes von unübersehbaren Aus maßen." Schon 1914 hatte Konrad Schiffmann in einer historischen Erzäh lung „Johannes Reuchlin in Linz" auf die Tragweite des Zusammentreffens im Kremsmünsterer Haus bzw. dessen Vor gängerbau hingeiviesen." Der Kabbaiist Loans hatte ihn nicht nur in die Sprache, sondern auch in das Geheimwissen des Volkes Israel eingeweiht. Johannes Reuchlin war der Ansicht, daß Gott in hebräischer Zunge geredet habe und die hebräischen Buchstaben mit ihren Zah lenwerten von Gottes Finger geschrieben seien. Als guter Christ fühlte er sich darin bestärkt, daß die praktische Kabbala, die Sinnergründung über die Zah lenwerte biblischer Texte, eine von den Juden mißverstandene christlich-messianische Geheimlehre sei, die eine „stär kere Philosophie" beinhalte als die steril gewordene Scholastik. „Capnion vel De verbo mirifico", Reuchlins bereits 1494 in Basel im Druck erschienenes Werk, be gründete die christliche Kabbalistik dies seits der Alpen. Sein Wunsch nach einer stärkeren Philosophie beflügelte auch seinen Schüler Heinrich Cornelius Agrippa von Nettesheim, der eine mit dem Christentum zu vereinbarende ok kulte Philosophie konzipierte und in „De occulta philosophia" das Standardwerk der Renaissancehermeneutik schuf, das die späteren magischen Schriften ent scheidend beeinflußte. In dem zweiten großen Werk Reuchlins („De arte cabalistica" oder die Kunst der Kabbala), 1517 dem Mediceerpapst Leo X. gewidmet, ist in der Schlüsselgestalt des weisen Kabbalisten Simon unschwer Jakob ben Jehiel Loans zu erkennen.^" Paulus Amaliheus, der Friedrich III. in seiner Vaterstadt Pordenone (Portenau) 1489 mit einem Gedicht begrüßt hatte und zum Dank dafür zum Dichter ge krönt worden war, folgte dem Kaiser nach Linz, besang als Augenzeuge das Turnier, bei dem auch Maximilian selbst mitgekämpft hatte,^^ und hat auch (viel leicht noch in Linz) Verse auf die Un garnzüge Maximilians von 1490 und 1491 verfaßt; dieser Kriegszug nach dem Tode des Ungarnkönigs Matthias Corvinus in Wien festigte wiederum die Be deutung des Hauses Habsburg im Donauraum.^^ Paulus Amaltheus' Loblied Schiffmann, Reuchlin (s. Anm. 6), wieder abge druckt bei Hanns Kreczi (Hg.), Bilder aus ver gangenen Tagen (Linzer Reihe 1), Linz 1947. Der Hinweis auf Max Brod bei Adolf Adam, Linz, und die transmontane okkulte Philosophie, in: Oberösterreichischer Kulturbericht, 45. Jg., Folge 6, Juni 1991, S. 2 f., vgl. auch „Linzer Stu dien zur erlebten (spirituellen) Mathematik", Heft 1. Adam, a.a.O., S. 3, J. Maier, Kabbala. Lex MA 5, Sp. 847. " Franz Gall, Das ritterliche Spiel zu Linz von 1489/1490, in: Kunstjahrbuch der Stadt Linz 1964, S. 91-99, bes. S. 98. Gall weist darauf hin, daß die in Amaltheus' Gedicht genannten Teil nehmer (u. a. Graf Anbold, Hans Reihenburg, Dissichius, Juaninus, Raumacher, Lamberg, Oberheimer) nur zum geringsten Teil in den Bildern des Münchner Turnierbüchleins (im Aufsatz abgebildet) belegt sind. " Über den Ungarnfeldzug siehe den entspre chenden Abschnitt im Kapitel „Wiederherstel lung der habsburgischen Macht im Osten" bei Hermann Wiesflecker, Kaiser Maximilian L, 1, Wien 1971, S. 288-296.

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